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Pflanzenheilkunde

Zweijährige Nachtkerze (Oenothera biennis)

Nachtkerzengewächse

Abbildung 1. Nachtkerze im 2. Jahr; Pflanze mit Stängel, Blüten und Blättern.
Abbildung 1. Nachtkerze im 2. Jahr; Pflanze mit Stängel, Blüten und Blättern.

Geschichte

Die Nachtkerze stammt ursprünglich aus Nordamerika und Peru und kam im 17. Jahrhundert nach Europa. Oft waren ihre Samen in den großen Ballen der Baumwolle versteckt und reisten darin als blinde Passagiere mit den englischen Schiffen nach Europa. Von den Hafenstädten aus eroberten sie sich nach und nach auch das europäische Festland. Und sie reisen immer noch gerne, sind deswegen häufig an Bahnlinien und Autobahnen zu finden.

Die Nordamerikanischen Indianer ließen die ganze Pflanze in Wasser quellen, machten daraus einen Brei und heilten zum Beispiel Quetschungen oder Verletzungen mit solchen Breiumschlägen. Sie zerstampften die Nachtkerzensamen und verwendeten sie bei Asthma bronchiale und Hautausschlägen. Aus den Wurzeln brauten sie eine Hustenmixtur und einen Tee gegen Fettsucht.

In Europa wurde die Nachtkerze zunächst als Zierpflanze und Küchengewächs angebaut, später verwilderte sie. Auch bei uns waren die Wurzeln eine beliebte Speise, wegen ihrer rötlich-weißen Farbe auch Schinkenwurzel genannt. Wer 1 Pfund Nachtkerzenwurzel aß, sollte so viel Kraft bekommen, als hätte er eine Zentner Ochsenfleisch verschlungen. Heute entdecken Wildpflanzenfans die genussvolle Seite der Nachtkerze wieder und schneiden die jungen Blätter in die Suppe, die Wurzeln in den Gemüseeintopf, machen aus den Blüten eine Kräuterbutter und streuen die Samen direkt aufs Butterbrot.

Botanischer Steckbrief

Die Zweijährige Nachtkerze wächst gerne auf harten und trockenen Lehmböden, Schuttplätzen, Straßenböschungen und auf den Mittelstreifen der Autobahnen. Sie liebt volle Sonne und kommt gut mit Trockenperioden zurecht.

Abbildung 2. Nachtkerze im 1. Jahr.
Abbildung 2. Nachtkerze im 1. Jahr.

Wie es der Name verrät, handelt es sich um eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr aus der fleischigen essbaren Pfahlwurzel (Rapontica) eine lebendig grüne Blattrosette treibt. Die Blätter sind lanzettlich und schmiegen sich eng an den Boden. Im 2. Jahr wächst aus ihrer Mitte ein kräftiger aufrechter Stängel, der teilweise rot überlaufen ist und bis zu 1,50 m hoch werden kann. Die Blätter sind länglich-lanzettlich, mit gezähntem Rand und sitzen wechselständig am Stängel. Die reichblühende Blütentraube sitzt am oberen Ende, die schwefelgelben Blüten öffnen sich kurz nach Sonnenuntergang so schnell wie der langsame Schlag eines Schmetterlingsflügels. Und sie blühen nur eine Nacht. In warmen Sommernächten von Juni bis September locken sie mit ihrem süßen Duft die Nachtschwärmer an. Ihre zahlreichen Samenkapseln ziehen sich den Stängel hinauf. Jede der bis zu 3 cm langen, dünnen Früchte enthält etwa 200 Samen. Pro Pflanze reifen so um die 100.000 sehr kleine schwarze Samen heran aus denen das fette Öl gewonnen wird.

Als Arzneidroge kommt das aus den zerkleinerten Samen durch Warmpressung und Raffinieren (Reinigung) gewonnene fette Öl (Oenotherae oleum) zur Anwendung.

Signatur

Diese Pflanze betont ihren eigenen Rhythmus auf dreifach Weise. Zum einen durch die zarte abendliche Blüte, die mit ihrem betörenden Duft Nachtschwärmer beglückt. Zum anderen dienen ihre zahlreichen Samen nicht nur der sicheren Fortpflanzung sondern sind auch Nahrung für Vögel und Menschen (einschließlich ihrer Wurzel) und zum dritten zeigt sie, dass aus zarten Blüten durchaus robuste Pflanzen entstehen, deren Gerüstsubstanz sogar den Winter überdauert und sich auch mit Schnee zu schmücken weiß. Das könnte bedeuten, dass sie eine Pflanze ist, die zart besaiteten Menschen hilft, ihre Eigenart zu leben und den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Außerdem spricht die gelbe Blütenfarbe von einer Wirkung auf die Leber und der Standort an Straßen und Wegen zusammen mit der Reisefreudigkeit lässt eine Aktivierung des Stoffwechsels vermuten.

Oinos“ bedeutet Wein und „ther“ = wildes Tier. So wurde die Pflanze genannt, weil die Wurzel nach Behauptungen der Alten nach Wein rieche, damit die Menschen fröhlich stimme und jedes wilde Tier zähmen sollte.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Die Samen der Nachtkerze enthalten als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe:

  • ungesättigte Fettsäuren mit einem hohen Anteil an:
    • 10–15% Gamma-Linolensäure (genauso viel wie in Muttermilch)
    • 70–80% Linolsäure: Linol- und Linolensäure sind für den menschlichen Stoffwechsel wichtige Energielieferanten für Wachstum und Entwicklung von Gehirn und zentralem Nervensystem. Sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Der Körper verwandelt sie dann u.a. in Gamma-Linolensäure und/oder bildet daraus entzündungshemmende Prostaglandine.
    • 8% fettes Öl
    • 0,2% Eicosansäure
  • Triterpene (bei kalter Pressung des Öls)

Die hormonähnlich wirkenden Prostaglandine sind an der Steuerung vieler Lebensfunktionen beteiligt, so auch am Menstruationszyklus, an der Erhaltung gesunder Haut, am Blutdruck und am Kreislaufsystem. Somit erklärt sich auch die breit gestreute Wirkung des Nachtkerzenöls.

Nachtkerzenöl hat folgende Wirkungen:

  • entzündungshemmend
  • immunmodulierend
  • antiallergisch
  • Blutfette: senkend auf Triglyceride und LDL-Cholesterin, steigernd auf HDL-Cholesterin
  • evtl. blutdrucksenkend
  • antiulzerös
  • antitumoral

Anwendungsgebiete/Indikationen

Nachtkerzenöl kommt zur Anwendung bei folgenden Indikationen:

  • Neurodermitis, Ekzemen und trockene Haut
  • diabetische Neuropathie
    • Allergien und Autoimmunerkrankungen: Allergien
    • rheumatische Arthritis
  • gynäkologische Indikationen:
    • prämenstruelles Syndrom
    • unerfüllter Kinderwunsch (2-mal 1 TL täglich)
    • Mastodynie
    • Klimakterium, Hitzewallungen
  • trockene Schleimhäute
  • stress- und umweltbedingte psychosomatischen Störungen (als Nahrungsergänzung)

Fallbeispiel

Emma B, von Kindheit an mit Neurodermitis belastet, wurde schwanger und ihre Haut wurde zunehmend trockener und juckte stärker. Sie suchte nach einer auch für das Baby verträglichen Hilfe. Sie nahm hochdosiert Nachtkerzenöl ein (2-mal täglich 1 Kapsel mit 1000 mg). Schon nach 2 Wochen besserte sich die Haut und nach 4 Wochen war sie rosig, geschmeidig und spannte nicht mehr. Auch dem Baby tut die gamma-Linolensäure bei seiner Entwicklung gut.

Indikationen Monografien

Das HMPC hat Nachtkerzenöl als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Nachtkerzenöl kann innerlich zur Linderung von Juckreiz bei akut oder chronisch trockener Haut eingesetzt werden. Durch klinische Daten belegte Anwendungsgebiete sind die Behandlung und symptomatische Erleichterung des atopischen Ekzems (Neurodermitis), insbesondere des begleitenden Juckreizes.

Die WHO bestätigt die Anwendung bei Neurodermitis, Ekzemen und trockener Haut, diabetischer Polyneuropathie und Mastodynie. Die klinischen Daten für die Anwendung bei rheumatoider Arthritis und PMS sind noch nicht eindeutig. Weitere Forschung ist auch notwendig für die Anwendung im Klimakterium und bei Psoriasis.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde kommt das Nachtkerzenöl bei vielfältigen Indikationen zur Anwendung:

  • Hyperaktivität, insbesondere bei Jungen, da Jungen/Männer einen höheren Bedarf an essenziellen Fettsäuren haben als Mädchen/Frauen – es kann statt Ritalin eingesetzt werden
  • Autoimmunerkrankungen, z.B. Multiple Sklerose
  • Diabetes mellitus
  • Hauterkrankungen: Akne, Psoriasis
  • Atemwegserkrankungen: Asthma bronchiale, Husten, Keuchhusten
  • Kreislaufstörungen – verhindert ein Zusammenklumpen der weißen Blutkörperchen, erweitert die Gefäße und erniedrigt den Cholesterinspiegel

In der Erfahrungsheilkunde werden außerdem folgende Arzneidrogen eingesetzt: Nachtkerzenblätter (Oenotherae folium), Nachtkerzenblüten (Oenotherae flos) und Nachtkerzenwurzeln (Oenotherae radix).

  • Die Blätter enthalten Gerbstoffe und können bei Durchfall angewendet werden. Außerdem kommen Phytosterole vor, die eine positive Wirkung auf die Prostata haben. Sie werden zur Reinigung von Leber und Blut eingesetzt.
  • Auch die Blüten enthalten Phytosterole. Die blühenden Sprossspitzen wurden wegen der entzündungshemmenden und krampflösenden Wirkung bei Husten, Asthma, Magen- und Darmkrämpfen eingesetzt.
  • Die Wurzeln wurden zur Blutreinigung verwendet.

Alle Pflanzenteile stärken die Abwehrkräfte des Körpers gegen Viren.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie wird Oenothera biennis selten erwähnt. Ebenso wenig in der Spagyrik.

Prävention

Wegen des hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann die Nachtkerze als Nahrungsmittel zur Vorbeugung von Arteriosklerose eingesetzt werden.

Wirkung auf die Psyche

Nachtkerzenöl erhöht die Stresstoleranz. Es schirmt ab gegen schädigende Einflüsse von außen und verbindet mit der Erde, den eigenen Wurzeln und der eigenen Stärke. Es bringt Licht in das Dunkel der Schattenseiten und hilft dabei, sie zu erkennen und zu integrieren. Auch Projektionen werden bewusst und können zurückgenommen werden. Wer das eigene Licht entdeckt, hat wieder Freude daran, kreativ zu sein und nimmt selbstverständlich seinen Platz ein. Das fördert Selbstausdruck und Selbstsicherheit und hilft, locker zu bleiben – egal was geschieht.

Dosis/Dosierung

Mittlere Tagesdosis 6 g. Täglich 2-mal 4–6 Kps. á 0,5 g Nachtkerzenöl mit viel Flüssigkeit nach den Mahlzeiten einnehmen. Ab 240 mg Linolensäure pro Tag tritt ein therapeutischer Effekt ein.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Nachtkerzenöl pur in dünner Schicht direkt auf die Haut auftragen.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Epogam 500/1000 mg Kps., Linola Gamma Creme
  • Kombinationspräparate: Multilind Mikrosilber Creme, Nachtkerzen-Schwarzkümmelöl Kps. Biofrid

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Gelegentlich Übelkeit, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen; möglich sind auch Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. Bei Patienten mit bisher unerkannter Epilepsie kann es zu Temporallappenanfällen kommen; betroffen davon sind Patienten mit Schizophrenie. Patienten, bei denen eine Epilepsie bekannt ist, sollten sorgfältig beobachtet werden.
  • Interaktionen: Aspirin, Indometacin und manche Steroide sind entzündungshemmend, sie blockieren die Synthese von Prostaglandinen und machen somit eine Nachtkerzenölzufuhr unwirksam.
  • Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.