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Pflanzenheilkunde

Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)

Seifenbaumgewächse

Abbildung 1. Blüten und Blätter der Rosskastanie.
Abbildung 1. Blüten und Blätter der Rosskastanie.

Geschichte

Aesculus kommt aus dem Lateinischen und wird beschrieben als „eine dem Jupiter heilige, auf Bergen wachsende Eichenart von hohem Wuchs und festem Holz“. Hippocastananum leitet sich von dem griechischen hippos für Pferd ab. Und kastanon zeigt an, dass die Samen als Pferdefutter verwendet wurden. Die Rosskastanie heißt also so, weil die Samen in ihrer türkischen Heimat an hustende Pferde verfüttert wurden.

Erst im 16. Jahrhundert kam der Kastanienbaum zu uns in kühlere Regionen. Ludwig der XIV. fand Gefallen an diesem stattlichen Baum, pflanzte ihn in Parks und legte prächtige Alleen an. Man eiferte dem Monarchen nach, die Kastanie wurde zum „Modebaum“ und eroberte sich nach und nach ganz Mitteleuropa. Die Kastanien, die der Baum im Herbst abwarf, dienten zunächst nur als Stärkelieferant oder Tierfutter. Manchmal verwendete man sie statt Hopfen zum Bierbrauen. An einigen Orten wurden Kastanien vergoren und destilliert – zu einem Kastanienbranntwein, der Husten heilte. Buchbinder und Tapezierer benutzten Leim, der aus Rosskastanien hergestellt wurde. Zum Färben von Wolle und anderen Stoffen ergeben die Kastanienblätter je nach Beize verschiedene Grün- und Grautöne. Pulver aus den zerkleinerten Kastanienfrüchten und -blättern war Hauptbestandteil eines Schnupftabaks, der gegen Migräne half.

Erst Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte man, dass die Kastaniensamen auch ein Heilmittel für unseren Körper sind. Und zwar besonders für die von Krampfadern geplagten müden und schweren Beine. Heute werden die getrockneten Kastanienfrüchte als biologisches Waschmittel sogar für die Waschmaschine wieder entdeckt, auch als Pflegemittel für die Haare.

Botanischer Steckbrief

Die Rosskastanie ist ein sommergrüner Laubbaum, der bis zu 30 m hoch und mehrere Hundert Jahre alt werden kann. Die Krone spendet viel Schatten in Parkanlagen und Biergärten. Die junge Rinde ist glatt und hellbraun, die alte Rinde wird schuppig. Die Knospen sind dick spitzkegelig mit großen Endknospen und kleineren Seitenknospen mit dunkelbraunen Schuppen. Die Blätter sind gefingert, bestehen aus 5–7 Teilblättern, die bis zu 20 cm lang sein können, mit gezähntem Rand, länglich eiförmig mit kurzer Spitze. Die Einzelblätter in der Mitte sind deutlich größer als die randständigen. Die Blüten stehen in hohen aufrechten Trauben, die wie Kerzen aussehen. Die 5 weißen Kronblätter sind etwa 1 cm lang, haben einen gelben Fleck in ihrer Mitte, der die Insekten anlocken soll und sich rot verfärbt, sobald der Nektar geerntet ist und die Befruchtung stattgefunden hat. Bis zum Herbst wachsen die Samen in einer grünen und stacheligen Kugel heran, bis der Wind sie vom Baum rüttelt und die glänzend braunen Samen herausfallen.

Als Arzneidroge verwendet werden die getrockneten Samen der Rosskastanie (Hippocastani semen).

Abbildung 2. Samen der Rosskastanie.
Abbildung 2. Samen der Rosskastanie.

Signatur

Wenn die Blätter im Herbst abfallen, hinterlassen sie auf den Ästen an jener Stelle, an der sie gewachsen waren, einen Abdruck, der an die Hufeisen der Pferde erinnert. Auch daher könnte der Name „Rosskastanie“ stammen.

Im Frühjahr, wenn sich die Blätter frisch aus den dicken, klebrigen Knospen entfalten, hängen sie zunächst schlaff nach unten. Sie geben schnell den pyramidenförmigen Blütenkerzen Raum, sich zu entfalten. In denen leuchtet das Licht der Kastanie in die hellen Frühlingstage. Wenn nach kurzer Zeit die Blüten langsam in die Samenbildung übergehen, richten sich die Blätter auf und entfalten ihre ganze Kraft und Schönheit. Durch seine besonders starke innere Kraft des Turgors (Druck des Zellsaftes auf die Zellwand) hebt der Baum die großen und schweren Blätter in die Waagerechte zum Sonnenlicht. So zeigt die Signatur der Rosskastanie starke innere und aufrichtende Kräfte.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Rosskastaniensamen enthalten folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltstoffe:

  • 3–10% Triterpenglykoside: ein Gemisch aus ca. 30 verschiedenen Saponinen, zusammengefasst als Aescin. Das komplexe Saponingemisch bremst den Austritt von Flüssigkeit aus Blutgefäßen und dichtet ihre Wände gleichzeitig ab. So werden die Blutgefäße in ihrer natürlichen Funktion gestärkt und es kommt zu weniger Wassereinlagerungen im Gewebe.
  • Flavonoide v.a. Quercetin und Kämpferol
  • Gerbstoffe
  • Phytosterole

 Rosskastaniensamen hat folgende Wirkungen:

  • gefäßabdichtend, venentonisierend, antiödematös:
    • Aescin mobilisiert das versackte Blut und führt es zurück in die Vene (Förderung des venösen Rückstroms)
    • Aescin erhöht die Gefäßspannung sowie die Dichtigkeit der Kapillargefäße (adstringierende Wirkung). Damit vermindert sich der Wasseraustritt in das Gewebe, wodurch sich die Schwellungs-(Ödem-)neigung bei Venenbeschwerden oder Lymphgefäßschwäche verringert. Außerdem wird der Abbau der Festigungselemente in den Aderwänden gehemmt.
    • Aescin dichtet die Bluthirnschranke ab -> Anwendung bei Hirnödemen, auch bei Röntgenödem
  • durchblutungssteigernd
  • entzündungshemmend
  • antioxidativ und damit auch leberschützend

Anwendungsgebiete/Indikationen

  • Venenerkrankungen:
    • chronisch-venöse Insuffizienz
    • Hämorrhoiden
    • Varikosis und postthrombotisches Syndrom
  • Frostschäden
  • Ulcus cruris
  • Ödeme: Weichteilschwellungen, schwemmen Ödeme aus dem Gewebe
  • Verletzungen: äußere Anwendung zum Einreiben bei Sportverletzungen, Prellungen, Stauchungen, Blutergüssen, Rheuma und Gicht
  • in Lichtschutzsalben Aesculin aus der Rinde

Fallbeispiel

Sophie T. war 72 Jahre alt und bewegte sich nur noch wenig, weil „die Beine so müde und schwer“ waren. Wir zeigten ihr einfache Übungen, um im Sitzen die Füße zu bewegen, motivierten sie zum Spazierengehen und verordneten Stützstrümpfe. Um selbst einen Beitrag für ihre Gesundheit zu leisten, musste sie den Tee kochen (s.u.) und 3-mal täglich davon 1 Tasse trinken. Das brachte sie „wieder auf die Beine“ und die Beschwerden besserten sich langsam.

Indikationen nach Monografien

Rosskastaniensamen erhielten eine Positivmonografie von HMPC; ESCOP, WHO und Kommission E. Das HMPC stuft ihn als „well-established-use“ (medizinisch anerkannt) ein. Die Indikation lautet: Zur Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) mit den dafür typischen Symptomen (Beinschwellungen, Krampfadern, schwere, schmerzende und müde Beine, Juckreiz und Spannungsgefühl in den Waden, Wadenkrämpfe). Durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete sind: Krampfadern und trophische Veränderungen der Haut wie z.B. Unterschenkelgeschwüre. Auch bei posttraumatischen oder postoperativen Weichteilschwellungen. Außerdem präventiv bei langen Flugreisen.

Die WHO und ESCOP bestätigen die Anwendung bei chronisch venöser Insuffizienz und Krampfadern. Ebenso veröffentlicht die Kommission E folgende Indikationen: Chronisch venöse Insuffizienz (Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, Wadenkrämpfe, Juckreiz, Beinschwellungen). Die WHO erwähnt außerdem, dass in China Rosskastanienextrakte bei koronaren Herzerkrankungen angewendet werden.

Das HMPC hat die Rinde der Rosskastanien als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Rosskastanienrinde kann innerlich zur Linderung der Beinbeschwerden und von Schweregefühl in den Beinen infolge einer venösen Durchblutungsstörung sowie zur Linderung von Brennen und Jucken bei Hämorrhoiden eingesetzt werden. Äußerlich können Salben bei leichten venösen Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen im Zusammenhang mit venösen Durchblutungsstörungen sowie bei Prellungen mit lokaler Schwellung und Bluterguss angewendet werden.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Auch in der Erfahrungsheilkunde wurden Zubereitungen aus Rosskastaniensamen mit den oben genannten Indikationen angewendet.

Aus der Rinde wird eine Salbe bereitet, die UV-Strahlen bindet und ein guter Sonnenschutz ist. Immer einige Kastanien in der Hosen- oder Jackentasche zu tragen, soll ein Leben lang vor Rheuma schützen.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Edward Bach verwendetet gleich dreimal die Kastanie im Rahmen seiner Bachblüten-Therapie: Die Essenz aus den frischen Knospen der Blüten von den Rosskastanien (Chestnut Bud) hilft dabei, die Fehler der Vergangenheit nicht (zu oft) zu wiederholen. Die Tropfen aus den roten Kastanienblüten (Red Chestnut) sind für Menschen, die sich um andere mehr Sorgen machen als um sich selbst. Und der Auszug aus den weißen Kastanienblüten (White Chestnut) hilft jenen, deren Gedanken sich ständig im Kreis drehen, die nicht abschalten können und deswegen keinen erholsamen Schlaf finden.

Die Essenz aus den Rosskastanienknospen hilft in der Gemmotherapie bei allen Arten von Stauungen. Das können Krampfadern sein, krampfende oder schwere Beine oder Hämorrhoiden. Sie hilft auch bei erweiterten Blutgefäßen in Haut und Schleimhaut, prämenstruellem Syndrom oder Blutfülle in der Prostata.

Aesculus findet auch in der Spagyrik Anwendung bei Hämorrhoidalleiden, bei Pfortaderstauung und Ösophagusvarizen. Auch bei Krampfadern und bei posttraumatischen Weichteilschwellungen wird es eingesetzt. Die Indikation Lenden- und Kreuzbeinschmerz wird immer wieder hervorgehoben. Auf der seelischen Ebene hat diese Heilpflanze eine zentrierende und ordnende Kraft. Sie ist angezeigt, wenn man seine Mitte bzw. seine Zielrichtung verloren hat und sich in unwichtigen Dingen verzettelt.

In der Homöopathie ist Aesculus ein großes Hämorrhoiden-Mittel. Es findet auch Anwendung bei Trockenheit und Brennen im Nasen-Rachen-Raum und bei rheumatoiden Schmerzen in Kreuzbein und in der Lendengegend.

Prävention

Der beste Weg zur Gesundheit ist immer noch der „Fußweg“. Treppensteigen, kurze Spaziergänge, längere Wanderungen – Bewegung trainiert die Muskelvenenpumpe und damit den Rücktransport des Blutes zum Herzen. Die Rosskastanie erleichtert diesen Weg.

Behandlungsempfehlung

Studien belegen, dass die Tinktur aus Rosskastanien bei Langstreckenflügen das Anschwellen der Füße und Beine verhindert.

Wirkung auf die Psyche

Auf der psychischen Ebene dichtet die Rosskastanie – vergleichbar mit der Wirkung auf der körperlichen Ebene – jene Kanäle ab, durch die Energie verloren geht. Überflüssiges und Krankmachendes wird bewusst und verabschiedet. Wer sich in Nebenschauplätzen verloren hat, bekommt eine neue Klarheit für das Wichtige. Und lernt wieder, sich auf sich selbst und die innere Stimme zu besinnen. Die Rosskastanie lenkt den Fluss der Lebensenergie wieder in konkrete Bahnen. Sie hilft dabei, sich selbst zu beobachten, zu fördern und mit voller Aufmerksamkeit in der Gegenwart zu sein. Die Kraft des eigenen Willens wird bewusst und macht bereit für Neues.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis 100 mg Aescin. Rosskastaniensamen sollen nur in Form von Fertigarzneimitteln angewendet werden, die auf Triterpensaponine (Aescin) standardisiert sind.

Vorsicht

Bei Thrombophlebitis, subkutanen Verhärtungen, starken Schmerzen und Geschwüren, bei plötzlichem Anschwellen der Beine sowie bei Herz- bzw. Niereninsuffizienz ist unbedingt ärztlicher Rat einzuholen.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Tinktur aus zerschnittenen Kastanien

Frisch gesammelte Kastanien (wenn nötig) waschen, mit der Schale zerkleinern und in ein Schraubglas geben. Die zerschnittenen Kastanien dann mit gutem Schnaps (Doppelkorn, Obstbrand) übergießen, 3 Wochen auf der hellen Fensterbank stehen lassen, gelegentlich umschütteln, abfiltrieren und in einer dunklen Flasche aufbewahren. Die behandelte Hautfläche nach dem Einreiben mit der Tinktur noch mit einem guten Hautöl massieren, damit die Haut durch den Alkohol nicht so austrocknet.

  • Äußerlich zur Einreibung bei rheumatischen Schmerzen, Schweregefühl in den Beinen, Krampfadern, Blutergüssen oder nächtlichen Wadenkrämpfen.
  • Innerlich bei Venenbeschwerden, Durchblutungsstörungen und Hämorrhoiden. Tagesdosis: 2- mal 10 Tr. nach dem Essen (schmeckt nicht besonders gut).

Teemischung gegen Krampfadern

Rosskastaniensamen zerkleinert 20 g, Weißdornblätter und -blüten 20 g (zur Herzstärkung), Schafgarbenkraut 20 g (durchblutungsfördernd), Löwenzahnwurzeln 10g (entwässernd). 1 TL mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, 10 Min. ziehen lassen. 3-mal täglich 1 Tasse.

Tinktur aus den Kastanienblüten

Kastanienblüten (frisch oder getrocknet) mit 38-prozentigem Kornschnaps übergießen, 3 Wochen hell stehen lassen, gelegentlich umschütteln, abfiltrieren und ein einer dunklen Flasche aufbewahren. Bei Bedarf einmassieren. Nur äußerlich als Einreibemittel bei rheumatischen Schmerzen und Venenleiden anwenden.

Bad aus Kastanienfrüchten

Ein Bad aus Kastanienfrüchten tut gut bei Rheuma, Gicht und Durchblutungsstörungen. Für ein Vollbad einen halben Eimer frische Kastanien zerschneiden und über Nacht in Wasser einweichen. Am anderen Morgen den Ansatz in einem großen Topf kurz aufkochen. Gut umrühren, es bildet sich dabei natürlicher Kastanien-Schaum (durch die enthaltenen Saponine), der gerne überkochen möchte. Abkühlen lassen und ins schon eingelaufene Badewasser sieben.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Venoplant retard S, Venoruton retard, Venostasin Retard, Reparil Drg. und Gel
  • Kombinationspräparate: Aescusan Creme LAW (+ Hamamelis), Venen Kräuter Drg NT (+ Steinklee)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Bei innerer Anwendung in einzelnen Fällen Juckreiz, Übelkeit, Magenbeschwerden
  • Interaktionen: Es sind keine bekannt.
  • Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.