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Pflanzenheilkunde

Kamille (Matricaria recutita)

Korbblütler             

Abbildung 1. Kamillenblüten mit Stängeln.
Abbildung 1. Kamillenblüten mit Stängeln.

Geschichte

Die Kamille war bei den Germanen dem Sonnengott Baldur heilig. Sie nannten sie Baldurs Braue und pflückten sie noch im Mittelalter an seinem Festtag, der Sommersonnenwende. An diesem Tag gepflückt, galt sie als besonders heilkräftig. Als Pflanze des Hochsommers hat sie die Sonne eingefangen und bringt diese Kraft in jede Tasse Tee und andere Zubereitungen. Mit Sonnenkraft hält sie auch alle Hexen und alle dunklen Einflüsse fern, wenn sie um das Haus herum gestreut wird.

Früher wurde schlecht gewordenes Fleisch mit Kamillentee abgerieben, um es länger haltbar zu machen. Man wusste um die desinfizierende Wirkung der Kamille, die Bakteriengifte unschädlich macht und den Geruch verbessert.

Botanischer Steckbrief

Überall auf Äckern, Wiesen, Wegrändern, Brachland kam die Kamille häufig vor – sie ist nicht mehr sehr oft zu finden. Die Kamille wird 20–40 cm hoch und trägt 2-bis 3-fach gefiederte Blätter mit feinem, langem Grün. Die Blütenköpfe stehen einzeln am Ende der Sprossspitzen, sie haben gelb Röhrenblüten, die auf einem kegelförmig gewölbten Blütenboden stehen, umgeben von ca. 15 weißen Zungenblüten. Der Blütenboden ist kegelförmig aufgewölbt und hohl – ein eindeutiges Kennzeichen für die echte Kamille. Sie blüht von Mai bis September und niemand, der ihren aromatischen charakteristischen Geruch bewusst wahrgenommen hat, wird diesen wieder vergessen.

Signatur

Immer schon galt die Kamille als das Kraut der Mutter, bei Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Säuglings- und Kinderkrankheiten. Ihr Name verrät es, denn matricaria leitet sich ab vom lateinischen mater und bedeutet Mutter, darin steckt auch matrix, die Gebärmutter. Genau diesem Organ bietet die Kamille ihre Hilfe an und zeigt ihren hohlen Blütenboden, der ebenso hohl ist wie die Gebärmutter. Da verwundert es nicht mehr, dass beide den gleichen Namen tragen. Auch der Duft der Kamille ist einmalig, sanft, berührend, wohlwollend und entspannend. Und er lässt ahnen, wie heilsam diese Pflanze ist. Auch das azurblaue Öl, das beim Destillieren entsteht, führt Gefühle, Gedanken und Körper in weite und entspannende und damit heilsame Gefilde. Die zarten, grazilen grünen Blättchen verraten eine große Sensibilität, ein großes Aufnahmevermögen für feine Schwingungen. Damit künden sie einen Einfluss auf das Nervensystem an – und auf ihre beruhigende und auch angstlösende Wirkung. Die Blüten sehen aus wie kleine Sonnen und haben die heilende Wärme und Energie der großen Sonne gespeichert.

Chamomilla kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus Chamai = niedrig und melon = Apfel. Damit ist der Duft gemeint, der den nah dem Erdboden wachsenden Blüten entströmt, der manche Menschen an junge Äpfel erinnert.

Arzneilich verwendet werden die Blüten (Matricariae flos). Das ätherische Öl ist in Drüsenschuppen auf der Oberfläche der Blüten enthalten und wird frei, wenn man beim Zerreiben diese Drüsen verletzt. Es wird ebenfalls arzneilich verwendet (Matricariae aetheroleum).

Abbildung 2. Blüten der Kamille.
Abbildung 2. Blüten der Kamille.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Kamille hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 0,4–1,5% ätherisches Öl mit den Sesqiuiterpenen vom Bisabololtyp – es ist eine ulkusprotektive und -heilende Wirkung nachgewiesen – und Chamazulen. Das Kamillenöl wird durch Wasserdampfdestillation gewonnen und ist wirklich azurblau – daher sein Name Azulen. Während der Wasserdampfdestillation entsteht es aus dem nicht flüchtigen Matrizin.
  • 4% Flavonoide, v.a. Apigenin, Luteolin, Quercetin
  • 2.5% Phenolcarbonsäuren, u.a. Zimtsäurederivate
  • 0,08% Cumarine (z.B. Umbelliferon)
  • 3–10% Schleimstoffe wirken entzündungshemmend an den Schleimhäuten und haben immunstimulierende Eigenschaften

Wieder ist es die Komposition aller Inhaltsstoffe, die für die Gesamtwirkung der Kamille verantwortlich ist. Kamille hat folgende Wirkungen:

  • entzündungshemmend durch Bildung und Freisetzung von Entzündungsmediatoren, z.B. Histamin aus Mastzellen. Die Wirkung ist vergleichbar mit der von Indometacin (NSAR),
  • ulkusprotektiv – verhindert die Bildung eines Ulkus und beschleunigt die Ulkusheilung
  • antioxidativ, da v.a. Chamazulen als Radikalfänger fungiert
  • antimikrobiell:
    • antibakteriell, (bakteriostatisch oder bakterizid u.a. gegen bestimmte Streptokokkenstämme, Staphylococcus aureus und S. epidermis)
    • hilft gegen Pilze (u.a. gegen Candida albicans, Trichomonas vaginalis)
    • antiviral
  • spasmolytisch
  • karminativ und vertreibt Blähungen durch Apigenin
  • wundheilungsfördernd (antiphlogistisch)
  • beruhigt, nimmt Ängste und stillt Schmerzen

Anwendungsgebiete/Indikationen

Zubereitungen aus Kamille werden innerlich eingesetzt bei folgenden Indikationen:

  • Verdauungstrakt: „Bauchweh“, allen möglichen Magen-Darmstörungen, Ulkusgeschehen, Krämpfe, Reizmagen, Reizdarm, Hämorrhoiden [auch als Sitzbad], Schleimhautentzündungen
  • Atemwege, HNO:
    • Katarrhen und Schleimhautentzündungen der Atemwege, COPD
    • Erkältungskrankheiten (auch als Einlauf)
    • Nebenhöhlenentzündungen (inhalieren)
  • Urogenitaltrakt:
    • Schleimhautentzündungen (Genitalbereich, Analbereich)
    • Menstruationsbeschwerden, Blasenentzündungen, Harnwegsinfekte, Pilzinfektionen
  • Nagelbettentzündungen
  • Zahnkrankheiten und Zahnbeschwerden der Kleinkinder (auch homöopathisch)

 Zubereitungen aus Kamille werden äußerlich eingesetzt bei folgenden Indikationen:

  • Hautkrankheiten und Hautverletzungen, Ulcus cruris und Hämorrhoiden zur Förderung der Wundheilung
  • Rheuma oder Blutergüsse als Umschlag und Auflage mit einem Kamillensäckchen
  • Erschöpfung oder Schlaflosigkeit (Kamillenbad)

Vorsicht

Bei Augenentzündungen keine Kamille anwenden, sie reizt die Bindehaut zu sehr – hier hilft eher der Augentrost.

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat Kamillenblüten und Kamillenöl als traditionelle pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Kamillenblüten und Kamillenöl können innerlich eingesetzt werden. Die Indikationen sind identisch mit denen der ESCOP und der Kommission E:

Innere Anwendung bei folgenden Beschwerden:

  • gastrointestinale Beschwerden wie Blähungen und leichte Bauchkrämpfe
  • entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts (z.B. bei Gastritis und Magengeschwüren)
  • banale Erkältungen

Äußere Anwendung bei folgenden Beschwerden:

  • bakterielle Hauterkrankungen einschließlich der Mundhöhle und des Zahnfleisches
  • oberflächliche Hautverletzungen zur Wundbehandlung, Ulcus cruris, Dekubitus, Verbrennungen, Operationswunden, Bestrahlungsschäden, Sonnenbrand, Frostbeulen
  • Entzündungen im Anal- und Genitalbereich, wenn ärztlicherseits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen wurde (als Bäder und Spülungen, diese Indikation gilt auch für Kamillenöl)
  • Atemwegsinfekte und Reizzustände der Luftwege (Inhalationen)

 Die WHO fügt noch Ruhelosigkeit und nervöse Schlafstörungen hinzu.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde wird die Anwendung der Kamille besonders von den Frauen geschätzt bei folgenden Beschwerden:

  • Menstruationsbeschwerden wie Krämpfe, Kopfschmerzen, Verspannungen: Kamille wirkt spasmolytisch
  • Affektionen im Unterleib, z.B. Blasenentzündungen, Pilzinfektionen der Scheide, auch Hämorrhoiden (Sitzbad)
  • Erschöpfung und Schlaflosigkeit (Kamillenbad)
  • Übelkeit und Brechreiz in der Schwangerschaft (auch bei Chemotherapie), Linderung von Wehenschmerzen, Rückbildung der Gebärmutter nach der Geburt als Unterstützung, Brustpflege in der Stillzeit (Salbe)
  • Zahnkrankheiten und Zahnbeschwerden der Kleinkinder, wunde Babypopos
  • Wechseljahrsbeschwerden
  • Nervosität
  • Ängste (Anxiolytikum)

Wenn Kamille gleichzeitig mit Cortison verabreicht wird, macht sie dessen Wirkung effektiver und hilft, die Dosis – in Absprache mit dem Arzt – zu verringern.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie hat Chamomilla ebenfalls ein großes Einsatzgebiet. Es umfasst Aufregung und Ungeduld, nervöse Störungen, Erkrankungen der Atemwege, des Magen-Darm-Trakts, der weiblichen Geschlechtsorgane und des Stütz- und Bewegungsapparats.

In der Spagyrik zielen die Heilwirkung von Chamomilla auf den Nervenbereich, die Bauchorgane und die Schleimhäute. Die Essenz beruhigt besonders gut Kinder und Frauen. Sie entkrampft, hemmt Entzündungen und senkt die Schmerzempfindlichkeit.

Wirkung auf die Psyche

Als Pflanze des Hochsommers hat Kamille die Sonne eingefangen und bringt diese wärmende Kraft in jede Begegnung. Sie besänftigt und mildert, stimmt sanft und ausgeglichen und vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Sie hilft, das Leben zu „verdauen“, äußere Reize und Einwirkungen einzuordnen und in innere Stabilität zu verwandeln. Mit Herzenswärme nimmt sie die Sorgen, löst Blockaden und Angst und verschafft Geduld angesichts von Schwierigkeiten. Sie macht immun gegen Ansteckung – auch von Ideen und Gefühlen anderer. Und so erhält sie liebevoll stärkend die psychischen Selbstheilungskräfte.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis 12 g Droge.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Teezubereitung

3- bis 4-mal täglich 1 Tasse frisch bereiteten Kamillentee zwischen den Mahlzeiten warm trinken. 1 EL Kamillenblüten (ca. 3 g) mit 250 ml heißem Wasser übergießen, 5–10 Min. zugedeckt ziehen lassen und abseihen. Der Tee kann auch zu Mundspülungen oder zum Gurgeln verwendet werden.


Badezusatz

50 g Kamillenblüten auf 10 l Wasser geben.#


Inhalation

Eine Handvoll Kamillenblüten oder einige Tropfen des Kamillenöls auf heißes Wasser geben.

Dampfbad

1–2 EL Kamillenblüten mit 1 L heißem Wasser überbrühen, Kopf und Schale mit einem großen Handtuch abdecken. So heiß und so lange wie möglich den Dampf einatmen.

Rollkur bei Magengeschwüren und Magenschleimhautentzündung

4 EL Kamillenblüten mit 1 L heißem Wasser überbrühen und 5 Min. zugedeckt ziehen lassen. 2 Tassen davon früh morgens nüchtern noch im Bett trinken und sich jeweils 5 Min. auf den Rücken, die linke Seite, auf den Bauch und schließlich auf die rechte Seite legen, damit die Magenschleimhaut von allen Seiten benetzt wird. Möglichst eine halbe Stunde nachruhen mit einem warmen Leibwickel, damit der zusätzlich beruhigende Effekt zur Geltung kommen kann. Nachmittags und vor dem Schlafengehen den Rest der Teezubereitung trinken. Die Rollkur sollte mindestens 8–10 Tage hintereinander durchgeführt werden. Bei starken Reizbeschwerden kann der Tee auch mit 250 ml Leinsamenschleim angereichert werden.

Behandlungsempfehlung

Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Kamillin Konzentrat Robugen, Kamillosan Konzentrat
  • Kombinationspräparate: Kamillan Lösung (+ Schafgarbe),, Parodontal Mundsalbe (+ Salbeiblätter)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Selten Allergien. Bei bestehenden Allergien gegen Korbblütler (Asteraceae) müssen Kamillenzubereitungen gemieden werden (Kreuzallergie möglich).
  • Interaktionen, Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.