Inhaltsverzeichnis
- Geschichte
- Botanischer Steckbrief
- Signatur
- Inhaltsstoffe und Wirkung
- Anwendungsgebiete/Indikationen
- Indikationen nach Monografien
- Indikationen nach Erfahrungsheilkunde
- Anwendung in anderen Therapiebereichen
- Wirkung auf die Psyche
- Dosis/Dosierung
- Darreichungsformen und Zubereitungen
- Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen
Schlüsselflechten
Geschichte
Isländisch Moos gilt als Delikatesse – jedenfalls unter Rentieren. Ihnen macht das bittere Aroma des Gewächses nichts aus. Auch den Menschen des Nordens diente die getrocknete und zerstoßene Flechte zum einen als Tierfutter, zum anderen als Getreideersatz. Sie entfernten mit einem speziellen Verfahren die Bitterstoffe und kochten daraus einen Brei oder eine Suppe. Sie wurde von den Isländern Fjallagrasasupa = Felsengrassuppe genannt und zur Kräftigung gegessen. Manche Isländer trugen die Flechte in der Hosentasche, wenn sie längere Zeit im Freien verbrachten oder durch kalte Regionen reisten. Das sollte helfen, die Kälte besser zu ertragen.
In den Alpenländern galt Isländisch Moos aufgrund seines eigentümlichen, verdorrten Wuchses als verwunschene Pflanze. Es soll einst ein saftiges Kraut gewesen sein, von dessen Genuss die Kühe übermäßig viel Milch gaben. Daraufhin fluchten die Almbauern und verdammten die Pflanze wegen der vielen Arbeit. Ach! Melken, melken immerfort. Oh! wärt ihr Kräuter längst verdorrt, die ihr so reichlich sprießet, von Milch ihr überfließet. Die Folge war, dass die Flechte verdorrte.
Botanischer Steckbrief
Isländisch Moos ist botanisch gesehen gar kein Moos, sondern eine Flechte. Flechten sind Pflanzen, die aus einem Pilz und einer Alge bestehen und in einer Symbiose zusammenleben. Der Pilz bildet mit seinen Hyphen die Verbindung zur Erde und nimmt von dort Wasser und Nährsalze auf. Die Alge übernimmt die Fotosynthese und verwandelt das Sonnenlicht in Lebensenergie für die Flechte. Beides zusammen macht die Flechten zu wahren Überlebenskünstlern. Sie kommen in der Wüste ebenso vor wie in Mooren und in Permafrostgebieten und können in Trockenstarre Temperaturen von −47 °C bis +80 °C überstehen.
Isländisch Moos wächst wie viele klitzekleine Geweihe (Hirschhornflechte) verzweigt direkt auf dem Erdboden und wird bis zu 6 cm hoch und erinnert in ihrem eigenwilligen Wuchs an Korallen aus dem Meer. Die einzelnen Triebe sind auf der Oberseite oliv- bis braungrün, an der Unterseite heller und sehen aus wie kleine, gebogene Rinnen, ihre Ränder sind borstenartig bewimpert. Im Hochgebirge findet man auch braun pigmentierte Formen, da die Pflanze als Sonnenschutz bestimmte Pigmente einlagert.
Isländisch Moos ist in Deutschland sehr selten geworden, steht unter Naturschutz und darf nicht gesammelt werden.
Arzneilich eingesetzt werden der ganze oder zerkleinerte Thallus (Fruchtkörper) (Islandici lichen = Cetrariae lichen).
Signatur
Isländisch Moos kommt auf der Nordhalbkugel – und natürlich auch in Island (islandica) – in gebirgigen Regionen und in tieferen Lagen auf kalk- und silikathaltigen Böden vor. Der Gattungsnamen Cetraria leitet sich von dem lateinischen Wort caetra ab, was kleiner, leichter Lederschild bedeutet und das bezieht sich auf die kräftigen, braunen und oft ledrig glänzenden Blätter.
Von der Gattung Cetraria werden zwei Arten pharmakologisch genutzt: C. islandica und C. ericetorum. Damit entfernt verwandt sind die Bartflechten (z.B. Usnea barbata), die ebenfalls Verwendung finden.
Inhaltsstoffe und Wirkung
Isländisch Moos hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:
- 50–70% Schleimstoffe – glukuronsäurehaltige Polysaccharide: Lichenin –löst sich in heißem Wasser, Isolichenin –löst sich in kaltem Wasser. Die Schleimstoffe von Isländisch Moos haben eine reizlindernde und schleimlösende Wirkung. Sie legen sich wie ein Schutzfilm über die gereizten Schleimhäute.
- 2–3%, bittere Flechtensäuren, z.B. Fumaroprotocetrarsäure, Cetrarsäure. Bittere Flechtensäuren regen die Magensaftsekretion an und beruhigen die Schleimhäute. Zudem haben die Flechtensäuren eine antimikrobielle Wirkung (u.a. gegen Salmonellen und Mycobacterium tuberculosis, wurde früher auch Blutlungenmoos genannt)
- 1–2% aliphatische Flechtensäuren: Protolichesterinsäure, wirkt antibakteriell gegen Helicobacter pylori, Staphyllococcus aureus, Mycobacterium aurum; wirkt auch antiviral
- Vitamine (A, B1, B12)
Isländisch Moos hat folgende Wirkungen:
- Atemwege: stillt den Hustenreiz, fördert das Abhusten
- Verdauungstrakt: regt den Appetit an und fördert die Verdauung (vorzugsweise als Kaltauszug)
- schwach antimikrobiell durch die Flechtensäuren
- stimuliert das Immunsystem – die Schleimstoffe aktivieren die Phagozytose
- als Radikalfänger antioxidativ
- kann Zellwachstum oder -vermehrung verhindern (antiproliferativ)
Anwendungsgebiete/Indikationen
- HNO-Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege:
- trockener Reizhusten, chronische Bronchialkatarrhe
- Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
- Verdauungstrakt:
- Appetitmangel, Tonikum bei Erschöpfungszuständen (z.T. durch Husten bedingt)
- Blähungen, Durchfall
- Übelkeit und Brechreiz (Schwangerschaftserbrechen und bei Migräne)
- Haut: schlecht heilende Wunden, Akne, Hautunreinheiten
Merke
Neuere Laborversuche mit den Schleimstoffen aus Isländisch Moos (speziell Lichenin und Isolichenin) zeigen antitumorale Wirkungen. Bisher liegen nur wenige Daten vor.
Indikationen nach Monografien
Das HMPC hat Isländisch Moos als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Isländisch Moos kann bei Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und einem damit einhergehenden trockenen Reizhusten eingesetzt werden. Ebenso bei zeitweilig auftretender Appetitlosigkeit und zur Unterstützung zur Schleimlösung im Bereich der Atemwege.
Nach ESCOP ist Isländisch Moos angezeigt bei trockenem Husten sowie bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Die Kommission E empfiehlt die Anwendung bei Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und damit einhergehenden trockenem Reizhusten und gegen Appetitlosigkeit. Auch die WHO verfasste eine Monografie über das Isländisch Moos und kommt zu denselben Ergebnissen wie den vorgenannten.
Indikationen nach Erfahrungsheilkunde
Seit dem 17. Jahrhundert zählt Isländisch Moos zu den beliebtesten Heilpflanzen der Volksheilkunde und wurde zusätzlich zu den oben genannten Anwendungsgebieten beifolgenden Indikationen eingesetzt:
- Magenerkrankungen
- Blasen- und Nierenentzündungen
- Gallenleiden
- Migräne
- Milchbildung bei Schwangeren
- Schutz der Stimmbänder bei Sängern und Rednern
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird es von Goethes berühmten Leibarzt Hufeland zur Behandlung der Lungentuberkulose empfohlen.
Anwendung in anderen Therapiebereichen
In der Homöopathie werden eher niedrige Potenzen ebenfalls zur Behandlung von Erkrankungen der oberen Atemwege verwendet.
Wirkung auf die Psyche
Dieser Pionier unter den Pflanzen bringt uns mit der Ur-Kraft und der Ursprünglichkeit in Verbindung. Unbedingter Überlebenswille und dazu passende unendliche Zähigkeit hat er verinnerlicht. Beim Überleben hilft ihm nicht nur seine große Genügsamkeit sondern auch eine immer bereite Anpassungsfähigkeit, denn bei Feuchtigkeit werden seine Blätterlappen elastisch, bei Trockenheit total starr. Immer hat er genügend Reserven und bleibt innerlich lebendig. All das hat er in Hunderten von Millionen Jahren gelernt – und kann uns etwas über Zeitlosigkeit lehren.
Dosis/Dosierung
Tagesdosis 4–6 g.
Darreichungsformen und Zubereitungen
Behandlungsempfehlung
Tee bei Schleimhautreizungen in Mund und Rachen und dem oft damit verbundenen Husten
2–4 g fein geschnittenes Isländisch Moos mit 250 ml siedendem Wasser übergießen und nach 10 Min. abseihen. Wer die Bitterstoffe nicht mag, kann das erste Wasser sofort wieder abgießen (der Bitterstoff löst sich sofort in Wasser), die Flechten erneut mit 250 ml heißem Wasser übergießen und 10 Min. ziehen lassen. Mit den bitteren Flechtensäuren geht allerdings auch die keimtötende Wirkung verloren.
Tee aus Kaltauszug
Will man die Droge zur Anregung des Appetits anwenden, stellt man einen Kaltauszug her. Dafür 3 TL der Droge mit 500 ml kaltem Wasser übergießen und 1–2 Stunden stehenlassen, absieben und wenn nötig, auf Trinktemperatur erwärmen. 1 Tasse ½ Stunde vor den Mahlzeiten trinken.
Behandlungsempfehlung
Fertigarzneimittel
- Monopräparate: Isla® Moos Pastillen, Aspecton Halstabletten, Cerivikehl Tropfen
- Kombinationspräparate: Isla-Mint (+ Pfefferminze)
Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen
Es sind keine bekannt.
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