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Pflanzenheilkunde

Echte Engelwurz (Angelica archangelica)

Doldenblütler

Abbildung 1. Engelwurz mit Stängel,. Blättern und Blüten.
Abbildung 1. Engelwurz mit Stängel,. Blättern und Blüten.

 

Geschichte

Alle Kräuterbücher des Mittelalters loben die Angelika, weil sie vor Ansteckungen (Pest) schütze. Der Erzengel Raphael höchstpersönlich habe diese Wirkung einem kranken Eremiten verraten. Seitdem heißt sie ErzEngelwurz. Die Wurzel galt wegen ihres aromatischen Geruchs als „zauberwidrig“. Wer ein Stück Wurzel als Amulett bei sich trug, war vor allem Bösen geschützt.

Räucherungen mit Angelikawurzeln und -samen dienten schon früh zur Desinfektion von Kranken- und Sterbezimmern. Während der Pest im 14. Jahrhundert nahmen die Ärzte die Engelwurz mit zu den Kranken: Nicht nur, um den Kranken zu helfen, sondern auch, um sich selbst zu schützen. Wie riesige schwarze Krähen erschienen sie vermummt bei ihren Patienten und hatten unter ihrer Nase in dem Krähenschnabel verschiedene Pflanzen, deren ätherisches Öl die Atemluft von ansteckenden Krankheitserregern reinigte und desinfizierte. Zugleich kauten sie Angelikawurzel. 1918, als nach dem Ersten Weltkrieg die Spanische Grippe 17 Millionen Menschenleben forderte, behandelte der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle all seine Patienten mit Angelikawurzel (Kraftwurz heißt sie auch) – und alle haben sie überlebt.

Auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist die Engelwurz eines der ältesten und wichtigsten Heilmittel: als Dang Gui – wörtlich übersetzt bedeutet das „Wiederherstellung der Ordnung“ – wird die chinesische Engelwurz in einem 5000 Jahre alten Kräuterbuch erwähnt. Sie harmonisiert den Fluss der Lebensenergie Qi.

In den skandinavischen Ländern wurde die Engelwurz bereits im 12. und 13. Jahrhundert angebaut. Wild wachsende Pflanzen standen unter Naturschutz. In Lappland kam sie so häufig vor, dass Stängel, Blattstiele, Wurzeln und auch die Blütendolden als Magenstärkungsmittel eine gern gegessene Speise waren. Die alten Heldensänger bekränzten sich mit den Blütendolden der Engelwurz und ließen sich von ihrem Duft inspirieren. Die Blüten galten als Symbol der Begeisterung.

Botanischer Steckbrief

Die Echte Erzengelwurz (Angelica archangelica) zählt zu den ältesten Heilpflanzen des Nordens. Sie ist eine kräftige, majestätische, 2- bis 4-jährige Pflanze, die aus einem kräftigen, rübenförmigen Wurzelstock wächst und (selten) 3 m hoch werden kann. Auf feuchtem Boden und bei kälteren Temperaturen fühlt sie sich besonders wohl und wuchert dort geradezu. Der Stängel ist manchmal rot überlaufen, armdick, aber hohl und stabil und verzweigt sich am oberen Ende. Ganz charakteristisch umschließen die Blätter mit großen, bauchigen Scheiden den runden und glatten Stängel und entrollen sich wachsend aus dieser Blattscheide. Die Blätter sind 2- bis 3-fach gefiedert, kahl und an der Unterseite dunkel blau-grün. Die unteren können 60–90 cm lang werden. Von Juni bis August zeigen sich die gelb-grünlichen Blüten der Engelwurz, prächtige große runde Kugeldolden. Sie duften nach Sommer, Sonne und Leichtigkeit, beleben und inspirieren. Die Früchte sind 5–8 mm lang und hellbraun, sie zerfallen nach dem Abspringen in jeweils 2 Teilfrüchte.

Die Erzengelwurz ist eine Verwandte der kleineren Waldengelwurz (Angelica sylvestris), die einen dünneren Wurzelstock und weniger Aroma besitzt. Als Heilpflanzen sind sie gleichwertig.

Als Arzneidroge eingesetzt wird die Angelikawurzel (Angelicae radix). Die Wurzeln werden im Frühjahr oder im Spätherbst gegraben, klein geschnitten und getrocknet.

Signatur

Bereits der Anblick einer majestätischen Engelwurzstaude richtet die Wirbelsäule auf und aus und überträgt Kraft und Energie. Bevor die Dolden aufblühen, sind sie in voluminösen Blattscheiden wie zwischen zwei schützenden Händen aufbewahrt. Aus dieser Obhut schälen sie sich langsam heraus und wachsen ihrem Blühen entgegen. In diesem Prozess ist die Schutzfunktion dieser alten magischen Pflanze zu erkennen.

Mit jeder Blüte und mit jedem Blatt nimmt die Engelwurz die Sonnenstrahlen auf und schickt sie tief in die dunkle Erde zu ihren Wurzeln. Auch diese speichern in jeder Zelle die Sonnenkraft.

Der oft rote Stängel zeigt die Wirkung auf das Blut an und damit auf die Lebenskraft des Menschen. Das Feuerwerk der Blüten spricht für die Lebensfreude und die Wirkung auf Lymphe und Hormone. Die vielen Samen wurden immer als Zeichen für eine große Fortpflanzungskraft interpretiert.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Angelikawurzel hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 0,3–1,3% ätherische Öle (ca. 60 verschiedene), v.a. Monoterpene wie Phellandren, Pinen, Myrcen
  • Bitterstoffe, z.B. Lactone, die u.a. ein wenig nach Moschus riechen
  • Flavone
  • Furanocumarine (über 20 verschiedene)
  • Phenolcarbonsäuren, z.B. Chlorogensäure, Kaffeesäure
  • Zucker (Saccharaose)
  • Amide von Aminosäuren, welche die Leberstärken und die Helicobacter pylori hemmen

 Als aromatisches Bittermittel hat sie folgende Wirkungen:

  • verdauungsfördernd:
    • lockt den Magen- und Pankreassaft
    • appetitanregend, z.B. wenn der Stress auf den Magen schlägt!
    • cholagaog, d.h. sie kurbelt die Galletätigkeit an
    • karminativ
  • tonisierend: fördert die Durchblutung der inneren Organe und unterstützt damit deren Funktionsfähigkeit
  • weitere Wirkungen:
    • stärk und beruhigt Nerven (sedativ)
    • fördert die Entwässerung (diuretisch)
    • krampflösend (spasmolytisch)
    • erleichtert das Abhusten (expektorierend)
    • schmerzstillend (analgetisch)
    • antimikrobiell

Anwendungsgebiete/Indikationen

Engelwurz bringt – auch als Tonikum – neue Energie in Erschöpfte, Senioren und Rekonvaleszente nach Operationen und hilft zudem bei folgenden Beschwerden:

  • Dyspepsien mit mangelhaftem Magensaftsekret
  • Appetitlosigkeit (als Amarum aromaticum vor den Mahlzeiten)
  • Energiemangel mit Schwächezuständen des Magen-Darm-Trakts

Fallbeispiel

Ein alter Kräuterfreund, seines Zeichens Wurzelkenner, schwört auf die Engelwurz. Als sein Schutzengel beseitige sie alle Magenschmerzen, selbst wenn er verspürt, dass eine Erkältung naht, trinkt er den Tee aus seiner Lieblingswurzel und bleibt gesund.

Indikationen nach Monografien

Nach ESCOP ist die Erzengelwurz angezeigt bei dyspeptischen Beschwerden wie leichten Bauchkrämpfen, verzögerter Verdauung, Blähungen und Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Magersucht und Bronchitis. Die Kommission E führt als Indikation Appetitlosigkeit; Verdauungsbeschwerden wie leichte Magen-Darm-Krämpfe, Völlegefühl und Blähungen an.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Traditionell kommt Angelikawurzel zur Unterstützung der Verdauungsfunktion bzw. zur Unterstützung der Magen-Darm-Funktion und zur Anregung des Appetits zur Anwendung. In der Volksheilkunde genießt die Engelwurz großes Ansehen, sie wird mit ihren Heilkräften geschätzt bei folgenden Beschwerden:

  • Bronchien: chronische und zähe Verschleimung der Bronchien – die auch als Brustwurz bezeichnete Angelikawurzel wirkt auch auf die Blutgefäße der Lunge
  • Befindlichkeitsstörungen:
    • Nervosität und Ängstlichkeit – die auch als Angstwurz bezeichnete Angelikawurzel hilft auch bei diesen Befindlichkeitsstörungen, auch auf Reisen
    • als „Stressadaptogen“ nimmt sie den Stress
    • Verkrampfungen in Darm, Bronchien oder Kopf (auch Gedanken können sich verkrampfen)
  • Infekte, Fieber:
    • schützt vor Ansteckung
    • Fieber und Erschöpfung (Kraftwurz)
    • verstopfte Nasen und Nasennebenhöhlen (als Salbe)
  • Entgiftung des Körpers über Lymphe und Niere
  • Beschwerden in den Wechseljahren (regt über die Hypophyse die Östrogenproduktion leicht an)

Behandlungsempfehlung

Das Öl aus der Angelikawurzel dient zum Einreiben bei Gicht, Rheuma, Nervenschmerzen, Durchblutungsstörungen der Beine und Bronchitis

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie wird Angelica archangelica bei allen Arten von Verdauungsbeschwerden eingesetzt, insbesondere, wenn sie einhergehen mit Ängsten, Erschöpfung und Magenschmerzen.

In der Spagyrik wird der Essenz von Angelica archangelica eine stärkender und aufbauender Charakter zu geschrieben, stabilisiert das Nervensystem und reguliert die Tätigkeit der Hormondrüsen, besonders gut bei Frauen.

Prävention

Kann die Engelwurz eine Hilfe bei Demenz sein? Indische Forscher haben entdeckt, dass ein Extrakt der Engelwurz den Gehalt von Acetylcholin im Gehirn durch die Hemmung der Acetylcholinesterase erhöhen kann.

Aktuell wird die entzündungshemmende Wirkung der Engelwurz untersucht, ebenso die antibakteriellen Qualitäten. Polnische Forscher fanden antivirale Eigenschaften der enthaltenen Cumarine. Die Cumarine sind möglicherweise auch verantwortlich für die angstlösende Wirkung. In Brasilien wird die antitumorale Eigenschaft von Angelika an Brustkrebszellen untersucht.

Wirkung auf die Psyche

Die Engelwurz braucht zum Gedeihen „nasse Füße“, sie findet Halt in sumpfigem Untergrund. Der „Sumpf“ zu ihren Füßen ist ihre Lebensgrundlage, die sie zum Wachsen benötigt. Genau diese Erfahrung gibt sie weiter, sie stärkt das Wurzelchakra und verleiht Standfestigkeit. Sie weiß, dass genau diese – manchmal widrigen – Lebensumstände die richtigen sind, um daraus neue Fähigkeiten zu entwickeln. Wie ein Schutzengel gibt sie immerwährende Unterstützung und stärkt bei allen Entscheidungen den Rücken. Und wie von selbst geht die Angst vor Unbekanntem verloren und die eigene Kreativität erwacht. Es breitet sich dann Freude am Ausprobieren, am Leben, am Sein aus. Die Angelikawurzel fördert die Konzentration und bringt Helligkeit in Gedanken und Gefühle und verhilft auch zu einer klaren Kommunikation.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis 4,5 g Arzneidroge. 

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Engelwurztee

Tee aus der Wurzel: 2- bis 3-mal täglich 1 Tasse Tee aus der Angelikawurzel; zur Appetitanregung soll der Tee jeweils eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten getrunken werden.

Tee aus Blättern und Samen: Blätter und/oder Samen mit heißem Wasser aufgießen, Blätter 5 Min., die Samen 10 Min. ziehen lassen. Den Tee aus der Wurzel am besten kalt ansetzen und nach frühestens 1 Stunde (oder mehr) auf Trinktemperatur erwärmen. So bleiben die wertvollen ätherischen Öle besser erhalten. Oder mit kochendem Wasser aufgießen und 10 Min. ziehen lassen. 

Angelikaöl

150 g getrocknete oder 200 g frische, fein geschnittene Wurzel mit 1 l Sonnenblumen- oder Olivenöl ansetzen, vier Wochen an einem warmen Ort unter täglichem Umschütteln stehen lassen und dann abfiltrieren. Das Massageöl entgiftet, entspannt und belebt. Zum Einreiben bei Bronchitis, Nervenschmerzen oder auch Gicht, Rheuma oder Durchblutungsstörungen der Beine.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Archangelica 10% Salbe Weleda
  • Kombinationspräparate: Carvomin Verdauungstropfen (+ Benediktenkraut, Pfefferminz), Gastritol Dr. Klein (+ Benediktenkraut, Gänsefingerkraut, Kamillenblüten, Süßholzwurzel, Wermutkraut), Digesto Hevert Verdauungstropfen (+ Eichornia D1, Okoubaka D2, Quassia Urtinktur, Taraxacum D1)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Die in der Angelikawurzel enthaltenen Furocumarine können die Haut lichtempfindlicher machen und bei UV-Bestrahlung zu phototoxischen Reaktionen führen.
  • Interaktionen, Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.