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Pflanzenheilkunde

Andorn (Marrubium vulgare)

Lippenblütler

Abbildung 1. Die Blüte des Andorns.
Abbildung 1. Die Blüte des Andorns.

Geschichte

Die Ägypter nutzten schon vor mehr als 3000 Jahren das Andornkraut bei Erkrankungen der Atemwege und bei Geschwüren. Hippokrates, der berühmteste Arzt der Antike, und seine Schüler verwendetet um 400 v. Chr. den Andorn „bei allen geschwürigen Übeln“ und bei Tuberkulose und nannten es Geschwürskraut. Im 1. Jahrhundert n. Chr. nutzte Dioskurides, der Leibarzt römischer Kaiser, den Andorn gegen Asthma, Husten, Ohrenleiden, Vergiftungen, Wunden und schrieb „…führt auch den Schleim aus der Brust…“. Aus dem volkstümlichen „Herbarius“, einem Kräuterbuch aus dem 4. Jahrhundert wird Andorn als erstaunlich heilsam bei Husten beschrieben. Ein byzantinischer Arzt aus dem 6. Jahrhundert (Alexander von Tralleis) empfiehlt den Andorn „zur Entleerung in der Brust befindlichen Massen“ zusammen mit Süßholz und weiteren Kräutern. Im Lorscher Arzneibuch aus dem späten 8. Jahrhundert heißt es: „... gegen chronischen Husten und für solche, die schon die Hoffnung aufgegeben haben.“ Paracelsus, der große Arzt und Naturforscher des 16. Jahrhunderts, bezeichnete den Andorn als „den Arzt der Lunge“.

Damals stand Andorn unter dem Namen Dorant als Zauberkraut in hohem Ansehen. Er schützte seine Träger vor Gespenstern, Erd- und Waldgeistern, die nichts Gutes im Sinn hatten. Im Mittelalter galt der Andorn als hexenvertreibende Pflanze, allerdings nur dann, wenn er um Mitternacht auf einem Friedhof gepflückt wurde.

Heute wird auch die Fähigkeit des Andorns geschätzt, den Erdboden von Schwermetallen zu reinigen. In Almaden in Andalusien wurde er mit Erfolg zur Entgiftung quecksilberhaltiger Böden angepflanzt.

Botanischer Steckbrief

Abbildung 2. Die oberirdischen Teile des Andorns mit Blättern, Blüten und Stängeln.
Abbildung 2. Die oberirdischen Teile des Andorns mit Blättern, Blüten und Stängeln.

 

Die Heimat des Andorn ist der Mittelmeerraum. Die sonnenliebende Staude gedeiht aber auch nördlich der Alpen bis nach Südskandinavien. Sie ist meist in (Kloster-)Gärten zu finden oder daraus verwildert an Wegrändern, Hecken oder Schuttplätzen. Der Stängel ist vierkantig – wie bei allen Lippenblütlern. Stängel und Blätter sind dicht weißfilzig behaart und schmecken sehr bitter. Die runzeligen Blätter wachsen am Stängel gekreuzt gegenständig, sind leicht herzförmig mit einem 2–4cm langen Stiel. Ihr Rand ist unregelmäßig stumpf gezähnt. Die weißen Blüten wachsen von Juni bis September in dichten, quirligen Blütenständen aus den Blattwinkeln hervor. Ihre Krone ist 6–7mm lang, mit enger Röhre, die Oberlippe 2-teilig, nach oben gebogen, die 3-teilige Unterlippe hat einen breiten, welligen Mittellappen. Der Kelch hat 10 hakige Zähne.

Vorsicht

Andorn zählt bei uns zu den gefährdeten Arten und darf nicht gepflückt werden. Er lässt sich aber gut im Garten anbauen.

Signatur

Wahrscheinlich leitet sich der lateinische Pflanzenname von dem hebräischen Wort Mar = bitter ab und rob = viel an. Marrubium könnte übersetzt heißen reichlich bitterer Saft. Der bittere Geschmack spricht bei allen Pflanzen für eine verdauungsfördernde und stoffwechselanregende Wirkung. Damit werden Lebenskräfte geweckt. Die deutliche Zeichnung der Blattnerven auf den Blättern kündigt die Wirkung auf das Lungengewebe und auf das Nervensystem an. Die herzförmigen Blätter lassen eine Wirkung auch auf das Herz vermuten.

Andorn bedeutet wohl ohne Dornen. Denn die Pflanze trägt keine Dornen, obwohl sie durchaus stachelige Eigenschaften hat. Es sind die krallenartig gebogenen Spitzen an den Kelchblättern, die stechen können, aber eben keine Dornen sind. Wenn sie im Herbst ganz getrocknet und die Samen gereift sind, heften sie sich gerne an Kleidung oder an Tierfelle und sichern so ihre weitere Verbreitung.

Arzneilich verwendet werden die zur Blütezeit gesammelten und getrockneten oberirdischen Teile bestehend aus Blättern, Blüten und Stängeln (Marrubii herba).

Inhaltsstoffe und Wirkung

Andorn hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • Diterpen-Bitterstoffe der Labdanreihe mit Marrubiin als Hauptinhaltsstoff, der einen Bitterwert von 3000 aufweist
  • 5–7% Lamiazeen-Gerbstoffe, u.a. Chlorogen-, Kaffeesäure
  • 5% Phenylethanoide (u.a. Acetosid, Forsythosid, Arenariosid)
  • Flavonoide (u.a. Quercetin, Luteolin, Apigenin)
  • familientypisch stickstoffhaltige Verbindungen, Cholin, Stachydrin, Betonicin
  • ätherische Öle (mit 0,05–0,06% Monoterpenen, z.B. Camphen, Cymol, Fenchen, Limonen)
  • Harze

Andorn hat folgende Wirkungen:

  • verdauungsfördernd: Bitterstoffe regen v.a. die Galletätigkeit an
  • schleimlösend: löst den Schleim in den Atemwegen, hilft beim Abhusten
  • antinozeptiv: Marrubiin erniedrigt die Sensitivität gegenüber Schmerzreizen und wirkt deshalb schmerzlindernd, krampflösend und entspannt die Blutgefäße
  • adstringierend: lindert Durchfall aufgrund der Gerbstoffe, die auch entzündungshemmend wirken
  • fiebersenkend
  • stärkt Abwehrkräfte
  • antioxidativ

Anwendungsgebiete/Indikationen

Andorn vereint in sich die stoffwechselanregende Wirkung der Bitterstoffe mit den heilenden Qualitäten einer auf das Lungengewebe wirkenden Pflanze. Deswegen hat er sich vor allem bei schwachen und älteren Menschen mit chronischem Husten als allgemein kräftigendes Mittel bewährt. Er hilft bei folgenden Indikationen:

  • Appetitlosigkeit
  • dyspeptische Beschwerden wie Völlegefühl und Blähungen
  • krampfartige Magen-, Galle- und Darmstörungen
  • Durchfall
  • trockener Husten (akute und chronische Bronchitis)
  • Infekte der Atemwege

Indikationen nach Monografien

Andornkraut gilt nach der HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel und kann als hustenlösendes Mittel (Expektorans) bei erkältungsbedingtem Husten eingesetzt werden. Außerdem ist es indiziert bei leichten dyspeptischen Beschwerden wie Blähungen und Flatulenz sowie bei zeitweilig auftretender Appetitlosigkeit. Als Mono- und als Kombinationspräparat kann es zur Unterstützung der Magen-Darm- bzw. Verdauungsfunktion bzw. zur Schleimlösung im Bereich der Atemwege angewendet werden. Die ESCOP und die Kommission E nennen die gleichen Indikationen.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Die Volksheilkunde kennt eine lange Liste von Anwendungen für den Andorn. Davon sind viele Anwendungsgebiete ist seit Jahrtausenden überliefert.

  • Atemwegserkrankungen: Akute und chronische Bronchitis, Keuchhusten, Asthma bronchiale, tuberkulöser Lungenkatarrh, Erkältungen
  • Verdauungstrakt:
    • Mund- und Halsentzündungen
    • Diarrhö
    • Gelbsucht
    • Fettleibigkeit
  • Anämien
  • Schwächezustände
  • Menstruationsstörungen, Amenorrhö
  • Herzrhythmusstörungen
  • Haut: entzündliche Erkrankungen, chronische Ekzem, Geschwüre, Wunden

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie dient Marrubium vulgare zur Behandlung von Entzündungen der Atemwege.

Wirkung auf die Psyche

„Manchmal ist das Leben bitter,“ dieser Ausruf scheint ein Ruf nach dem Andorn zu sein. Frei nach dem Motto „Bitter muss bitter vertreiben“ ist er da, wenn er gebraucht wird. Bereit, zu reinigen, was den klaren Blick getrübt hat und zu vertreiben, was dem Glück im Weg steht.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis: 4–6 g.

3-mal täglich eine Tasse warmen Andornkrauttee trinken. Pfefferminze kann zur Geschmackverbesserung eingesetzt werden. Zur Appetitanregung den Tee eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten trinken.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Andornkrauttee

1 TL mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, 3–5 Min. ziehen lassen.

Andornhonig

3 EL Andornblätter getrocknet und zerkleinert in 250 ml Honig einrühren, 2 Wochen ausziehen lassen, abfiltrieren. 1TL pur einnehmen oder Hustentee damit süßen. Wird alten Überlieferungen zufolge bei Lungenbeschwerden eingesetzt.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel


Monopräparate: Schoenenberger naturreiner Heilpflanzensaft Andorn, Marrubin Andorn-Bronchialtropfen

Kombinationspräparate: Hustenelixier Weleda

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

Es sind keine bekannt.

Vorsicht

Bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren darf Andornkraut nicht eingenommen werden. Bei Gallensteinen und Gallenbeschwerden soll vor der Anwendung ärztlicher Rat eingeholt werden.