Inhaltsverzeichnis
Geißblattgewächse, Kardengewächse
Geschichte
Eine Karde ist nicht nur eine Pflanze, sondern auch das daraus gefertigte Werkzeug, das die Weber zum Aufrauen der Schafwolle verwendeten, bevor sie gesponnen wurde. Vor Jahrhunderten züchteten sie aus der Wilden Karde (Dipsacus sylvestris) die Weberkarde (Dipsacus sativus). Deren abgeblühten Walzenköpfe hatten noch härtere, hakigere und strapazierfähigere Stacheln als die der Wilden Karde. Manchmal zierten diese Kardenköpfe auch die Wappen von Orten, die von der Weberei lebten.
Hildegard von Bingen kannte und nutzte die Wilde Karde. Bei „Gift“ im Körper empfahl sie, die Spitze der Pflanze, Wurzeln und Blätter zu pulverisieren und dieses Pulver über die Speisen zu streuen. Bei Hautausschlägen riet sie, Kardenpulver mit Fett zu mischen und sich damit einzureiben.
Auch in der Volksheilkunde in China, Korea und Japan werden die dort heimischen Arten in der Traditionellen Heilkunde genutzt. Dipsacus asper wird wegen des antibakteriellen und antientzündlichen Nutzens geschätzt. Auch über eine antivirale Wirkung gegen das Hepatitis-B-Virus und HIV wird berichtet. In China wird die Karde traditionell eingesetzt bei Rückenschmerzen, Knochenbrüchen und Osteoporose, denn sie stimuliert das Knochenwachstum. Und die enthaltenen Saponine von Dipsacus asper sollen in Laborversuchen sogar vor Alzheimer schützen. Mit all diesen Wirkungen wird diese Karde als Tonikum und Anti-Aging-Mittel eingesetzt.
Botanischer Steckbrief
Die Karde wächst gerne an Straßenböschungen, Dämmen, Brachen, Schuttplätzen und sonnigen Hängen am liebsten auf Lehmböden. Sie ist zweijährig. Am Ende des ersten Jahres bildet sie eine bodenständige Blattrosette mit stark gezähnten Blättern, aus der im nächsten Sommer der bis zu zwei Meter hohe Blütenstängel wächst. Dieser Stängel ist kantig und an den Kanten mit spitzen Stacheln übersät, so wie auch die Blätter und Blattadern. Die Blätter am Stängel sind schmaler, stehen sich gegenüber und sind am Grunde zusammengewachsen, so dass sie dort ein kleines Becken bilden, in dem sich Regenwasser und Tau sammeln (Venusbecken). Es soll flügellose Insekten von den Blüten fernhalten. Von diesem Becken kommt auch der Name Dipsacus – von dem griechischen Wort dipsa für Durst. Menschen und Vögel konnten daraus ihren Durst stillen. Sylvestris bedeutet wild, im Walde wachsend. Die Karde bringt von Juli bis August zahlreiche Blüten hervor. Der Blütenstand sieht aus wie ein dicker, eiförmiger Zapfen. Genau in der Mitte dieses Zapfens beginnt die Karde zu blühen. Viele kleine rosa bis lila Blütchen bilden einen Ring um den „Zapfen“, der sich langsam teilt. Ein Teil wandert als neuer blühender Ring nach oben und der andere Teil wandert blühend nach unten. Jede einzelne dieser Blüten hat lange Tragblätter, die zur Reifezeit trocken und hart werden. Wenn die Samen reif sind und Tiere daran vorbei streifen, löst die Berührung einen Schleudermechanismus aus und die Samen fliegen in hohem Bogen davon.
Als Arzneidroge verwendet wird die Wurzel (Dipsaci sylvestris radix), die am Ende des ersten Wachstumsjahres geerntet wird.
Signatur
Die Wilde Karde gehört zwar botanisch nicht zu den Disteln, aber sie ist genauso stachelig. Unsere Vorfahren sahen darin die Fähigkeit, das Böse abzuwehren und wollten sich auch mit diesem Schutz ausstatten. Nach Melie Uyldert, einer holländischen Kräuterfrau, sind Disteln Tonika, die das „Ich“ stärken. Mit ihren Bitterstoffen stärken die Verdauung, Leber und Galle und helfen gegen das „innere Stechen“. Das führt letzten Endes zu stärkerer Selbstbehauptung, Vitalität und Gesundheit.
An der Wilden Karde ist alles wehrhaft und stachelig. Selbst die Blattrippe ist auf ihrer Unterseite wie mit Haifischzähnen besetzt. Stacheln und Dornen sind (u.a. nach Rudolf Steiner) Äußerungen gestauter, nach außen strahlender ätherischer Kräfte. Mit anderen Worten: Stacheln und Dornen sind voller Energien, die nicht mehr in das Blatt hineinpassten – so voller Energie ist diese „wilde“ Pflanze. Besonders pieksige Spreublätter schützen auch die zarten rosa Blüten. Sie beginnen in der Mitte ihres walzenförmigen Blütenstandes zu blühen und wandern von dort aus in 2 getrennten Ringen gleichzeitig blühend nach oben und nach unten. Aus dieser Art wandernder Blütenkreise schloss man auf die Fähigkeit, bei wandernden und kreisförmigen Hauterscheinungen zu helfen, so auch bei dem Erythema migrans, der Wanderröte, wie sie bei der Lyme-Borreliose vorkommen kann.
Inhaltsstoffe und Wirkung
Die Wilde Karde hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:
- Bitterstoffe, Iridoide: Iridoide sind immer sehr bitter und fördern mit dieser Eigenschaft die Verdauung. Die Iridoide in der Wilden Karde (u.a. Swerosid und Lognain) zeigten im Laborversuch eine leberschützende und antitumorale Wirkung, außerdem wirkten sie gegen einige Bakterien und Pilze. Loganin schützte obendrein noch die Nerven.
- Saponine (hier antibakteriell)
- Kaffeesäurederivate, Chlorogensäure
- Kaliumsalze
- Glykosid Skabiosid
Zwar liegen bisher keine aussagekräftigen Beweise für die Wirksamkeit zur Karde vor, auf Grund der Inhaltsstoffe lässt sich aber ableiten, dass die Wurzel der Karde gewisse antibiotische und antientzündliche sowie zellschützende Aktivitäten vereinen dürfte.
Die Wilde Karde hat folgende Wirkungen:
- harn-, galle und schweißtreibend (blutreinigend)
- verdauungsfördernd (und damit auch das Immunsystem stärkend)
- antibakteriell, antiviral, antimykotisch (Iridoide)
- entzündungshemmend
- antioxidativ (Iridoide, beugen Arteriosklerose vor)
- schmerzlindernd (Kaffeesäurederivate)
- wundheilungsfördernd (Iridoide)
Die Anti-Borreliose-Wirkung der Wilden Karde ist bisher lediglich in Laborversuchen getestet worden. Im Jahre 2011 stellte eine Arbeitsgruppe an der Universität Leipzig fest, dass in einem Wurzelextrakt mit Ethylacetat eine Substanz enthalten ist, die das Wachstum von Borrelienkulturen hemmt.
Anwendung nach Monografien
Die Wilde Karde gehört zu den Heilpflanzen, die sich in der Erfahrungsheilkunde entwickelt haben und wissenschaftlich noch wenig erforscht sind. Aus diesem Grund gibt es bislang keine Monografien der offiziellen Gremien. Heute gelten die Karden als wirksam bei Borreliose und viralen Infektionen.
Anwendungsgebiete/Indikationen
Aus Sicht der Erfahrungsheilkunde regt die Wilde Karde die Reinigung des Körpers über Schweiß, Urin und Galle an und wurde traditionell bei Rheuma und Hautkrankheiten eingesetzt.
- Infektionen wie Borreliose, Wunden, Hautkrankheiten, Durchfall
- Herpes-Infektionen
- Gicht, Gelbsucht, Leberstörungen, Ödeme
- Magen-, Gallen-, Verdauungsschwäche
- Kopfschmerzen, Rheuma, Arthritis, Gicht, entzündliche Hautkrankheiten
Merke
Heute gilt sie als eines der wirksamsten Mittel bei Borreliose. Insbesondere bei chronischer Borreliose ist sie ein wichtiger Baustein in einem naturheilkundlichen Gesamtkonzept. Erstaunlich gut hat sie sich auch bei viralen Infektionen wie z.B. Herpeserkrankungen sehr bewährt.
Fallbeispiel
Alexander B., Elektrotechniker, 45 Jahre alt war mit seiner Familie im März zum Skifahren in den Alpen. Nach einem sonnigen Wochenende im Schnee bekamen er und seine zwei Kinder pochenden Herpes-Ausschlag an der Lippe. Sie alle nahmen die Tinktur der Wilden Karde einerseits innerlich (3–5 Tr.) ein und tropften die verdünnte Tinktur parallel auf eine kleine Kompresse, die sie auf die betroffenen Stellen auf den Lippen legten. Die Effloreszenzen heilten sehr schnell ab. Wenn sie einen erneuten Ausbruch fürchteten, nahmen sie gleich die Tinktur ein und es bildeten sich keine Bläschen. Im folgenden Jahr nahmen sie die Tinktur vorbeugend ein und haben seitdem keinen Herpes mehr bekommen.
Anwendung in anderen Therapiebereichen
Auch die Homöopathie setzt die Karde gegen verschiedene Hautleiden (Akne, Warzen, kleine Wunden, Risse an den Lippen (Rhagaden), Furunkel oder Schuppenflechte) und Tuberkulose ein.
Wirkung auf die Psyche
Borrelien fordern uns heraus in unserem Leben Ordnung zu schaffen – und die Wilde Karde hilft dabei. Solch eine stachelige Pflanze ist immer auch eine Schutzpflanze. Sie schützt vor einer Welt, die keine Grenzen achtet. Und sie hilft, eigene Grenzen zu setzen und zu festigen und sie ebenso bei anderen zu respektieren. Sie ist gut für Menschen, die Klarheit brauchen, die ihren eigenen Willen finden müssen, damit sie leben können, wonach sie sich sehnen.
Dosis/Dosierung
Dosis: 3-mal täglich 3 Tr. der Tinktur, je nach Konstitution auch bis zu 3-mal täglich 1 EL. Die Kur 3–4 Wochen durchführen.
Darreichungsformen und Zubereitungen
Behandlungsempfehlung
Tee
2 TL zerkleinerte Kardenwurzel mit 250 ml kaltem Wasser übergießen, aufkochen und 10 Min. ziehen lassen. 2 Tassen täglich.
Tinktur aus den Wurzeln
Die jungen Wurzeln der einjährigen, grundständigen Blattrosette mitsamt den Herzblättern graben, waschen, in Scheiben schneiden und in einem Schraubdeckelglas mit 70%igem Alkohol übergießen. Den Ansatz 4 Wochen lang warm stehen lassen, regelmäßig umschütteln, abfiltrieren und in kleine Tropffläschchen füllen.
Behandlungsempfehlung
Bewährte Fertigarzneimittel
Monopräparate: Dipsacus svlvester Urtinktur Ceres.
Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen
Es sind keine bekannt.
Merke
Gründliche Untersuchungen zur Toxizität und Pharmakologie der Tinktur gibt es leider nicht. Der alkoholische Extrakt ist meist gut verträglich.
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