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Pflanzenheilkunde

Weidenrinde (Salix alba)

Salix fragilis (BruchWeide), Salix daphnoides (Reifweide), Salix vitellina (Gelbe Weide, verwendet bei den Bachblüten), Salix alba (Silberweide) – Weidengewächse

Abbildung 1. Weidenrinde
Abbildung 1. Weidenrinde

Geschichte

Die Silberweide und andere Weidenarten sind uralte Heilpflanzen. Auf den Tontafeln der Assyrer und Babylonier finden sich Rezepte aus Weidenblättern. Die Ägypter verwendeten Blätter, blühende Zweige und Rinde der Weide gegen schmerzhafte Wunden, Entzündungen und Schwellungen. Im klassischen Griechenland nutzten die Menschen Rinde und Blätter der Weide gegen Fieber, Magen-Darmkrankheiten, Blutungen und Augenkrankheiten. Die Weide galt als „kalter Baum“. Bekannt war auch ihre Wirkung zur „Dämpfung der Lust auf Liebe.“

Silberweiden können lange im Wasser stehen, ohne Schaden zu nehmen. Die Wurzeln gründeln im Boden, halten das nasse Erdreich zusammen und helfen mit, das Flussvorland nach und nach zu festigen. Als Pionierpflanzen bereiten sie den Boden für andere Pflanzenarten vor.

Dioskurides, Leibarzt römischer Kaiser in 1. Jahrhundert nach Christus, berichtet, dass fein geriebene Weidenblätter zusammen mit Pfeffer und Wein die Empfängnis verhüten sollten. Die adstringierende Wirkung der Weiden wird für Blätter, Rinde und Saft beschrieben. Die Weide sollte gegen das Blutspeien helfen und der Saft von Blättern und Rinde gegen Ohrenleiden. Der zur Blütezeit gewonnene Saft sollte Augenleiden verbessern.

Botanischer Steckbrief

Weiden zählen zu den variabelsten Holzgewächsen. Sie haben verschiedene Wuchsformen: von Zwergsträuchern bis zu hohen Laubbäumen sind alle Übergänge dabei. Es gibt weltweit etwa 300–500 verschiedene Weidenarten, alle lieben feuchte Standorte. Sie sind sehr schnellwüchsig – ein in den Boden gesteckter Zweig schlägt in sehr kurzer Zeit neue Wurzeln.

Im frühen Frühjahr erscheinen die Blüten vor den Blättern. Wir kennen ihren silbernen Haarschopf als „Weidenkätzchen“. Weidensträucher sind zweihäusig. Die männlichen Blüten sind weiß bis silbrig mit gelben Staubgefäßen, die weiblichen haben eine eher grünliche Farbe. Die Blätter der Silberweide sind lanzettlich, fein gesägt, unterseits dicht seidig behaart und silbrig glänzend. Die Blätter der Bruchweide sind kahl, ihre Oberseite ist dunkelgrün und die Zweige brechen leichter.

Alle Weiden enthalten unterschiedliche Mengen an Salicylaten in ihrer Rinde. Entscheidend für die Verwendung der verschiedenen Weidenarten zur Herstellung von Arzneimitteln ist ihr Salicingehalt. Er sollte über 1,5% liegen. In der Silberweide ist nur 1% Salicin enthalten, deswegen wird sie zur Arzneimittelherstellung nicht genutzt.

Als Arzneidroge verwendet wir die Weidenrinde (Salicis cortex). Die Rinde wird im Frühjahr sehr leicht von den 2– bis 3-jährigen Ästen und Zweigen gelöst und getrocknet. Überwiegend werden die Zweige der Purpurweide (S. purpurea L.), der Bruchweide (S. fragilis L.) und der Reifweide (S. daphnoides Vill.) verwendet. Die Silberweide (Salix alba) wird in der Volksheilkunde genutzt.

Signatur

Der Name der Weide lässt sich auf das indogermanische Wort für „biegen, winden, flechten“ zurückführen. Schon in Urzeiten wurden Körbe, Schuhe, Zäune… aus ihren biegsamen Zweigen geflochten. Sal bedeutet nahe, lis das Wasser, die Weiden wachsen nahe am Wasser.

Weiden wachsen dort, wo sie gern „nasse und kalte Füße“ haben – und doch keine „Erkältung“ bekommen – wie unsere Großmütter befürchten würden. Im Gegenteil. Sie zeigen uns, wie mit der Kälte umzugehen ist und bilden Inhaltsstoffe, die unsere menschlichen Erkältungen und ihre Folgeerscheinungen wie Fieber und Kopfschmerzen zum Erliegen bringen. Salicylsäureverbindungen sind es, die dem Körper helfen. Schon unsere Urväter haben deswegen den Tee aus der Weidenrinden gegen Fieber, steife Gelenke und rheumatische Schmerzen getrunken.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Weidenrinde hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 1,5–11% Salicylsäureverbindungen
  • 8–20% Gerbstoffe (Catechine)
  • Flavonoide (z.B. Quercetin)
  • Phenolcarbonsäuren: Chlorogensäure

Merke

Die Wirkung der Weidenrinde beruht darauf, dass im Körper Salicin aus seinen Vorstufen freigesetzt wird. Das geschieht mithilfe der Darmbakterien und durch Abspaltung von Glukose in der Leber. Salicin wird somit als „ProDrug“ bezeichnet. Durch diesen Stoffwechselprozess wirkt es mindestens 8 Stunden.

Weidenrinde hat folgende Wirkungen:

  • fiebersenkend
  • entzündungshemmend, schmerzlindernd: Salicin hemmt die Bildung von entzündungsfördernden Prostaglandinen und auch von Arachidonsäure. Diese beiden Stoffe halten einen Entzündungsprozess aufrecht und können zu Schmerzen führen
  • schweißtreibend
  • entwässernd
  • adstringierend
  • antioxidativ (Flavonoide)

In Laborversuchen wird die Freisetzung von knorpelzerstörenden Botenstoffen gehemmt. Ein knorpelschützender Effekt ist für Menschen mit Arthrose wünschenswert.

Weidenrindenextrakte wirken sehr ähnlich wie Aspirin. Die empfohlene Tagesdosis eines Weidenrindenextraktes von 240 mg Salicin führt zu ähnlichen Salicylatspiegeln, wie sie bei Einnahme von 50–90 mg Acetylsalicylsäure auftreten. Allerdings fehlt der Weidenrinde die „blutverdünnende“, gerinnungshemmende Wirkung der Acetylsalicylsäure (ASS). Weidenrindenextrakte können positiv Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System einwirken, denn Laborversuche haben gezeigt, dass Weidenrindenextrakt als Antioxidans die Startreaktion der Arteriosklerose – die Oxidation von LDL – verhindern kann.

Merke

  • Während Acetylsalicylsäure reizend auf den Magen- und Darm-Trakt wirkt, ist der Weidenrindenextrakt in Tierversuchen und Studien wesentlich verträglicher. Es ist keine Reizung der Magenschleimhaut zu beobachten.
  • Weidenrinde wirkt gegenüber Aspirin zeitlich verzögert, die Wirkung hält aber länger an.

Anwendungsgebiete – Indikationen

Zubereitungen aus Weidenrinde werden eingesetzt bei folgenden Indikationen:

  • fieberhafte Erkrankungen
  • Kopfschmerzen
  • akute und chronische rheumatische Beschwerden
  • Gelenksproblemen aller Art, Arthrose
  • leichte Entzündungen
  • leichte Schmerzzustände
  • Neuralgien

Fallbeispiel

Es ist ein besonderes Erlebnis, die Weidenrinde für den Eigengebrauch selbst zu ernten. Dazu schneidet man im Frühjahr, bevor die Blätter austreiben, 2–3 Jahre junge Weidentriebe und zieht die grüne Rinde ab. Die wird wiederum in 2–3 cm lange Stückchen geschnitten, gut getrocknet und danach in einem dunklen Gefäß lichtgeschützt aufbewahrt. Der daraus zubereitete Tee (s.u.) ist ein sanftes und gut verträgliches Heilmittel bei den oben genannten Anwendungen.

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat quantifizierte Weidenrindentrockenextrakte für die kurzzeitige Behandlung leichter Rückenschmerzen als „medizinisch anerkannt“ („well-established use“) akzeptiert. Weidenrindenpulver und geschnittene Weidenrinde wurden als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft und können bei leichten Gelenkschmerzen, bei Fieber im Zusammenhang mit Erkältungen und bei Kopfschmerzen eingesetzt werden. Die ESCOP, WHO und die Kommission E führen die gleichen Indikationen auf und fügen noch leichte rheumatische Beschwerden hinzu.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde wird Weidenrinde eingesetzt bei Zahnschmerzen, Nervenschmerzen sowie bei Magen- und Darmbeschwerden, insbesondere bei Durchfall. Die äußere Anwendung in Form von Bädern hat sich bewährt bei Fußschweiß und schlecht heilenden Wunden.

Die WHO führt noch an, dass Weidenrindenextrakte volksheilkundlich auch bei Verstopfung und Inkontinenz gebraucht wurden. Die Asche war – äußerlich aufgetragen – ein Heilmittel für Warzen.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Zu den wesentlichen Symptomen von Salix alba im homöopathischen Arzneimittelbild gehören Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Kreislaufstörungen, Fieber, Schmerzen des Bewegungsapparates und eine ausgeprägte Konzentrationsschwäche.

Bei den Bachblüten ist Willow eine Essenz für Menschen, die zu Bitterkeit und Groll neigen und andere für ihr Schicksal verantwortlich machen. Sie führt diese Menschen vom Opferdasein wieder dahin, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und lässt sie zum Schöpfer ihres Daseins werden.

Wirkung auf die Psyche

Die Weide macht weich und geschmeidig. Sie löst die Verhärtungen und Steifheit nicht nur auf der körperlichen Ebene, sie vollbringt das auch auf der psychischen Ebene und beseitigt die Unbeweglichkeit in Gedanken und Gefühlen. Dabei vermittelt sie zwischen den Gegensätzen, denen auch sie ausgesetzt ist. Die Wurzeln der Weide stehen im kalten Wasser, ihre Äste baden im warmen Licht der Sonne, und zwischen diesen Extremen bildet sie das kühlende Salicin. Genau diese Fähigkeit können wir Menschen von ihr lernen – zwischen zwei Polen eine neue Synthese zu finden und ungewöhnliche neue Möglichkeiten zu erschaffen. Dabei hilft die Weide auch noch, flexibel und kreativ zu bleiben. So wie sie selbst aus ihrem alten Holz immer wieder neu austreibt, so bringt sie auch in den Menschen immer neue Lebenskraft. Der kann dann von sich sagen „Ich reagiere flexibel auf die Herausforderungen des Alltags.“

Dosis/Dosierung

Merke

Um die Wirkung zu gewährleisten, ist es sinnvoll, Weidenrinde in Form von Fertigarzneimitteln mit einem definierten Wirkstoffgehalt einzunehmen. Die empfohlene Tagesdosis in Bezug auf die Salicylderivate liegt bei 120–240 mg.

Die mittlere Tagesdosis für Weidenrinde ist für Erwachsene 4–12 g.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Tee aus Weidenrinde ist besser verträglich als Aspirin. Als Erkältungstee lohnt sich eine Kombination von gleichen Anteilen Weidenrinde mit Holunder- und Lindenblüten.

Behandlungsempfehlung

Tee

2–3 g fein geschnittene oder grob pulverisierte Weidenrinde mit 250 ml kaltem Wasser versetzen, den Ansatz zum Kochen bringen, vom Herd nehmen und nach 10 Min. abseihen. 2- bis 4-mal täglich eine Tasse Weidenrindentee (Rheumatee) trinken. Auch ein Kaltansatz, der 8 Stunden steht, bevor er erhitzt wird, ist möglich. (Allerdings schmecken beide nicht besonders lecker.)

Je länger dieser Tee zieht, umso mehr Gerbstoffe enthält er. Dann eignet er sich zum Gurgeln bei Mundschleimhautentzündungen oder Zahnfleischbluten. Bei Schuppen und juckender Kopfhaut lindert das Einmassieren des Tees in den Haarboden die Beschwerden.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel

Monopräparate: Salix alba Urtinktur DHU, Salix purpurea Urtinktur DHU.

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Bei empfindlichen Menschen ist eine Allergie auf Salicylate möglich, aber sehr selten. Gelegentlich kommt es bei Einnahme von Weidenrinde zu Magenbeschwerden (durch die Gerbstoffe). Selten treten Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut auf.
  • Interaktionen: Gesicherte Erkenntnisse liegen nicht vor. Die Wirkung gerinnungshemmender Arzneimittel kann verstärkt werden, die Wirkung von Arzneimitteln zur Steigerung der Harnsäureausscheidung vermindert sein.
  • Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.