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Pflanzenheilkunde

Spitzwegerich (Plantago lanceolata)

Wegerichgewächse

Abbildung 1. Spitzwegerich, Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.
Abbildung 1. Spitzwegerich, Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.

 

Geschichte

Der Wegerich wächst dort, wo man ihn braucht. Die Silbe rich bedeutet so viel wie Fürst oder Herrscher – er ist also der Herrscher des Weges. Der medizinische Gebrauch war bereits den Germanen bekannt: Sie gaben ihm den Namen Laekeblad, das bedeutet Heilblatt, und pflegten ihre Wunden damit. Seine Blätter ähneln einer langen, schmalen Lanze, lanceolata genannt.

Sebastian Kneipp schätzte den Spitzwegerich sehr. „Ohne die Gefahr einer Blutvergiftung heraufzubeschwören, könne man den Wegerich zur Wundheilung benutzen. Die Heilung geht rasch vor sich (...) Wie mit Goldfäden näht der Wegerichsaft den klaffenden Riss zu, und wie an Gold sich nie Rost ansetzt, so flieht den Spitzwegerich Fäulnis und faules Fleisch.“

Selbstverständlich war diese Pflanze, die als eine der ersten im Frühjahr aus dem Boden kommt, auch Bestandteil der „Grünen Neune“, jener kraftspendenden Frühlingsspeise, mit der unsere Vorfahren den Winter aus ihren Knochen vertrieben.

Botanischer Steckbrief

Auf Wegen und Wegrändern, Wiesen und Trockenfluren wächst er und fühlt sich auf der ganzen Welt zu Hause. Die Blätter stehen in einer Grundrosette, sind schmal lanzettlich mit parallel verlaufenden Nerven. Der Stiel der Blütenähre ist länger als die Blätter und steht aufrecht zwischen ihnen. Er ist hart und kantig. Die Blüten stehen in walzenförmigen Ähren, deren Staubgefäße wie eine königliche Halskrause daraus hervorstehen. Sie blühen von unten nach oben auf, was an den abstehenden gelblichweißen Staubblättern gut zu erkennen ist. Spitzwegerich blüht von Mai bis Oktober. Die Früchtchen sind klitzekleine Kapseln, die zwei Samen verbergen.

Abbildung 2. Spitzwegerich, Kapseln mit Samen.
Abbildung 2. Spitzwegerich, Blütenstände

 

Als Arzneidroge verwendet werden die ganzen oder zerkleinerten Blätter und Blütenschäfte (Plantaginis folium). Sie müssen möglichst schnell getrocknet werden, damit die Iridoide (Aucubin) sich nicht zersetzen und die antibiotische Wirkung erhalten bleibt.

Signatur

Die Wegerich-Arten wachsen gerne an und auf den Wegen, d.h. sie helfen bei allem, was dem Wanderer unterwegs zustoßen kann, z.B. bei kleinen Verletzungen, Blasen an den Füßen, Insektenstichen. Sie haben auch eine gute Beziehung zu Grenzflächen, so auch zur Haut und zu den Schleimhäuten. Die deutliche Nervatur ihrer Blätter zeigt eine Beziehung zum Nervensystem an. Seine Widerstandskraft und seine Zähigkeit versteckt er hinter einem eher unauffälligen Äußeren – egal, wie sehr man auf ihm herumtritt, er steht immer wieder auf.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Spitzwegerichblätter enthalten folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 2–6% Schleimstoffe (Polysaccharide), die immunstimulierend wirken
  • 2–3% Iridoidglykoside, z.B. Aucubin und Catapol, wirken in frischem Zustand antibakteriell und stimulieren das Immunsystem
    • Aucubin hat verhindert zusätzlich zur antibakteriellen Eigenschaft die Bildung von Botenstoffen in der Entzündungskaskade (Prostaglandine)
    • Catapol werden auch leberschützende Eigenschaften zugesprochen (stärker als Silymarin)
  • 6% Gerbstoffe
  • Flavonoide (Apigenin, Luteolin)
  • > 1 % Kieselsäure
  • 1,5% Phenylethanoide:
    • Acetosid wirkt entzündungshemmend, Radikalfänger, antihistaminisch
    • Chlorogen- und Kaffeesäure wirken als Radikalfänger
  • Bitterstoffe

Vorsicht

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Sowohl der frische Pflanzenpresssaft als auch der wässrige Auszug (Kaltansatz) wirken antibakteriell – gegen verschiedene Mikroorganismen. Darin ist das Aucubin, ein pflanzliches Antibiotikum, aktiv. Seine antibiotischen Eigenschaften werden beim Erhitzen zerstört. Auch wenn die Blätter beim Trocknen braun geworden sind, ist das ein Zeichen dafür, dass das Aucubin sich zersetzt hat.

Spitzwegerichblätter haben folgende Wirkungen:

  • Atemwegserkrankungen:
    • lindern Reizhusten
    • lösen den fest sitzenden Schleim
  • hemmt Entzündungen
  • stimuliert das Immunsystem
  • antimikrobiell: Spitzwegerich wirkt gegen Bakterien und Viren
    • antibakteriell
    • antiviral
  • blutstillend aufgrund der adstringierend wirkenden Gerbstoffe
  • hepatoprotektiv

Anwendungsgebiete/Indikationen

Die entzündungshemmenden Eigenschaften des Spitzwegerichs sind geschätzt bei folgenden Beschwerden:

  • Atemwegserkrankungen:
    • Katarrhe der Atemwege, z.B. Laryngitis, Pharyngitis, Bronchitis und fiebrige Lungen- und Bronchialleiden
    • Husten aller Art, v.a. besonders chronischer Husten
    • Keuchhusten (löst den Hustenkrampf)
    • Reizhusten (Schleimstoffe)
    • Erkältungen und Grippe
    • Sinusitis
    • Entzündungen in Mund- und Rachenschleimhaut (Blätter kauen oder gurgeln)
  • Hauterkrankungen:
    • Akne, Ekzeme, Neurodermitis
    • Wunden, Furunkel

Im Moment wird erforscht, ob Spitzwegerich auch eine antitumorale Wirkung hat.

Fallbeispiel

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Eine Pflanzenfreundin erzählt: „Ich war mit meiner Tochter und meiner Enkelin in einem Streichelzoo. Dort haben wir auch immer gern die Ziegen mit langen Grashalmen gefüttert. Plötzlich läuft meine Enkelin (4 Jahre alt) los und pflückt voller Elan einen Strauß Brennnessel – und will ihn verfüttern. So schnell konnten wir gar nicht schalten und sie stoppen. Das Geschrei war groß und die Tränen flossen auch sofort. So schnell wie möglich haben wir Spitzwegerich gesucht. Die gepflückten Blättern haben wir fleißig gerieben, damit viel Flüssigkeit austritt. Mit dieser Flüssigkeit habe ich die dann ihre Hände eingerieben und es tat gleich weniger weh. Meine Tochter hat mir am nächsten Tag gesagt, dass sie auf meine Empfehlung hin die Hände am Abend vor dem ins Bett gehen nicht gewaschen haben. Am nächsten Morgen war alles wieder gut.“

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat Spitzwegerichblätter als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Spitzwegerichblätter werden zur Stärkung der Atemwege eingesetzt. Außerdem können sie zur Linderung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und dem damit verbundenen trockenen Reizhusten angewendet werden. Nach der ESCOP sind Spitzwegerichblätter innerlich bei Katarrhen der Luftwege indiziert. Außerdem können sie äußeren Anwendung zeitweilig auftretender entzündlicher Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut, bei Insektenstichen und zur Wundheilung hinzugezogen werden. Die Kommission E nennt die gleichen Indikationen.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde wird Spitzwegerichkraut bei folgenden Beschwerden eingesetzt:

  • Insektenstiche, Schürfwunden
  • Erkrankungen der Nieren und ableitenden Harnwege
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • Magenkrämpfen
  • Bindehautentzündungen, Augenlidentzündungen

Merke

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Bei Insektenstichen und kleinen Verletzungen helfen die frischen Blätter. Dazu die frisch gepflückten Blätter zwischen den Händen zerreiben, bis der Pflanzensaft austritt, und diesen auf die betroffenen Hautstellen auftragen. Das verhindert die Schwellung der Einstichstelle und den möglichen Juckreiz. Spitzwegerich wirkt mindestens so gut wie ein Sprühpflaster.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie gilt der Breitwegerich (Plantago major) als ein Mittel für das zentrale Nervensystem und kann helfen bei Ohrenschmerzen, Zahnschmerzen und nächtlichem Harndrang.

In der Spagyrik ist Plantago lanceolata das Mittel für Menschen in Schwächephasen, die körperlich kraftlos sind und deswegen ihre Emotionen und Sehnsüchte nicht leben können.

Wirkung auf die Psyche

Der Spitzwegerich ist ein beständiger Wegbegleiter und heilt alte emotionale Wunden, indem er liebevolles Vertrauen und unendliche Zuversicht verbreitet. Seine Kraft zieht er aus seinen Wurzeln, die ihn mit der Gegenwart, dem Hier und Jetzt verbinden. Sein Motor ist die Liebe zum Leben und die Freude an jedem neuen Tag. Der Spitzwegerich sorgt für Gelassenheit im Leben. Er stellt die Verbindung her zwischen den Ereignissen des Alltags und ihrer Beziehung zum individuellen Sein. Es ist seine nie versiegende Lebenskraft, die den Sinn hinter allen Erfahrungen im Leben zu entschlüsseln weiß und so den Weg frei macht zur Heilung auf allen Ebenen.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis bei Erwachsenen und Jugendlichen 3–6 g Spitzwegerichblätter, Kinder unter 6 Jahren 2–4 g.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Spitzwegerich-Tee

Um Aucubin nicht durch Kochen zu zerstören und den Schleimgehalt der Spitzwegerichblätter zu nutzen, wird der Tee kalt angesetzt. Dazu 2–4 g Spitzwegerichblätter mit 250 ml kaltem Wasser übergießen, 2 Stunden zum Ausziehen stehen lassen, abfiltrieren und trinken. Ein Teeaufguss mit heißem Wasser soll 5–10 Min. ziehen. 3-mal täglich 1 Tasse.

Kaltauszug – zum Schutz der Schleimhäute

1 TL Malvenblätter oder Malvenblüten und 1 TL Spitzwegerichblätter mit 2 Tassen kaltem Wasser übergießen und unter häufigem Umrühren 2 Stunden ziehen lassen. Anschließend durch ein Sieb abgießen.

Umschläge

3–6 g (= 4–8 TL) der getrockneten Blätter (oder doppelt so viel frische Blätter) mit 250 ml kaltem Wasser übergießen und 30 Min. stehen lassen. Ein Mull- oder Leinentuch in die Lösung tauchen und mehrmals täglich als Umschlag auflegen. Es kann auch mit einer Tinktur (1: 5 verdünnen) ein Umschlag gemacht werden.

Frischpflanzenpresssaft

In einem Mörser aus frischen Blättern einen Pflanzenbrei herstellen und äußerlich einsetzen, z.B. auf Insektenstiche legen.

Behandlungsempfehlung

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Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Broncho-Sern Sirup, tetesept Hustensaft, Lindol Sirup
  • Kombinationspräparate: Eucabal Balsam und Bad (+ Thymian), Viburcol Zäfchen N (Breitwegerich, Kamille, Küchenschelle, Tollkirsche homöopathisch)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

Es sind keine bekannt.