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Pflanzenheilkunde

Hafer (Avena sativa)

Süßgräser

Abbildung 1. Hafer
Abbildung 1. Unfreifer, grüner Hafer.

Geschichte

Der Gattungsname Avena wurde schon bei den Römern verwendet, möglicherweise stammt er aus dem Sanskrit und bedeutet Speise. Die Römer nutzten den Hafer lediglich als Viehfutter. Der Anbau des Hafers (lat. ‚sativa’ = angepflanzt) ist in Mitteleuropa seit der Bronzezeit nachweisbar und seitdem als vorzügliches Pferde- und Hühnerfutter genutzt. Ursprünglich kommt der Hafer aus dem Mittelmeergebiet (Südeuropa und Nordafrika bis Äthiopien). Vor der Einführung der Kartoffel war Hafer ein Hauptnahrungsmittel in Europa.

Die indischen Ayurveda-Ärzte nutzten Hafer bei Entwöhnungskuren von Opium. Und wer sich heute das Rauchen abgewöhnen oder andere Abhängigkeiten (Alkohol, Drogen…) loslassen will, der findet ebenfalls im Hafer Unterstützung.

Botanischer Steckbrief

Hafer gehört zu der Pflanzenfamilie der Süßgräser. Er gedeiht auf mäßig sauren, etwas sandigen oder lehmigen Böden selbst in feuchtem und kühlem Klima. Die Wildform ist oft noch an Straßen- und Wegrändern zu finden. Hafer wird bis zu 1,20 m hoch, hat hohle Stängel, an deren Ende die Blüten in lockeren Rispen wachsen – nicht in Ähren, wie bei den verwandten Getreidearten. Die Ährchen bestehen nur aus zwei Blüten und sind bis zu 2 cm lang, 2 Deckspelzen schließen sie vollständig ein. Nach dem Blühen bilden sich die länglichen, tief gefurchten Haferkörner, die von der Rispe herabhängen. (Beim Dreschen der Haferkörner werden lediglich die unverdaulichen Spelzen entfernt, der Haferkern bleibt ungeschält.) Die langen, lanzettlichen Blätter sind zweizeilig angeordnet, ihre Blattscheiden umfassen den Stängel. Hafer ist relativ robust, mit seinem kräftigen Wurzelwerk gut geerdet und nimmt auch unter schlechten Wachstumsbedingungen noch genügend Nährstoffe und Wasser auf.

Abbildung 2. Hafer-Stroh
Abbildung 2. Hafer-Stroh

Hafer liefert gleich drei verschiedene Arzneidrogen: das unreife grüne Haferkraut kurz vor der Vollblüte (Avenae herba), das ausgereifte Haferstroh (Avena stramentum) und die reifen, getrockneten Haferfrüchte (Avenae fructus), die heute als Mehl und Haferflocken zu den Lebensmitteln gehören.

Abbildung 3. Hafer-Früchte
Abbildung 3. Hafer-Früchte

Signatur

Hafer ist eine äußerst bewegliche und elastische Pflanze. Es sieht leicht und tänzerisch aus, wenn der Wind über ein Haferfeld streicht. Die Stängel des Hafers sind elastischer als die von anderen Getreidearten, deswegen tanzt er auch noch in einem Sturm um seine eigene Mitte und richtet sich nach einem Gewitterregen wieder auf. Hafer steckt voller Leichtigkeit. Mit dieser geerdeten Leichtigkeit stärkt der Hafer den Menschen in turbulenten Zeiten. Er verhilft mit dem grünen Kraut, dem Stroh und den Körnern, in die innere Ruhe, die Mitte und die Gelassenheit zu kommen und lässt den Menschen flexibel reagieren auf die Ereignisse des Lebens.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Hafer bietet gleich drei unterschiedliche Heilmittel – Haferkraut, Haferstroh und Haferkörner. Hafer säuert den Körper nicht so sehr wie andere Getreidearten. Ein besonders wichtiger Teil der Ballaststoffe sind die beta-Glucane. Sie wirken positiv auf die Verdauung, binden Gallensäuren und erhöhen so die Ausscheidung von Cholesterin über die Galle. Damit reduzieren sie auch das Risiko für koronare Herzkrankheiten. Außerdem wurde in Studien eine leichte Senkung des Blutdrucks belegt.

Haferkraut

Grünes Haferkraut hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • Kieselsäure in löslicher Form (2%)
  • Kohlenhydrate (u.a. beta-Glucane)
  • Flavonoide, Flavonolignane (entzündungshemmend)
  • Steroidsaponine (immunmodulierend, fungizid)
  • B-Vitamine, Vitamin E, K, Karotinoide
  • Mineralstoffe und Spurenelemente: Eisen, Mangan, Zink, Chrom, Kalium, Kalzium, Phosphor, Magnesium, Cobalt, Aluminium, Bor, Jod
  • essenzielle Aminosäuren (stärken die Nerven)
  • Indolalkaloid (Avenin, beruhigt)

Zink und Chrom verbessern die Zuckerbelastbarkeit des Körpers, darüber hinaus beeinflussen beta-Glucane den Blutzucker.

Haferstroh

Haferstroh hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • lösliche Kieselsäure (2%)
  • Flavonoide (entzündungshemmend)
  • Steroidsaponine (immunmodulierend, fungizid)
  • B-Vitamine, E, K, Karotinoide
  • Mineralstoffe und Spurenelemente, u.a. Kalzium, Phosphor, Eisen, Kalium; Zink, Jod, Bor

Haferkörner

Haferkörner haben folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • Kohlenhydrate in Form von Stärke (50–60%)
  • Ballaststoffe (bis zu 10%), davon 50% beta-Glucane
  • Haferöl (5–7%) mit ungesättigten Fettsäuren, davon etwa 40% hochwertige Linolensäure. Diese befindet sich in kleinen Ölkügelchen in den Randschichten von Korn und Keimling und ist reich an Lezithin.
  • im Keimling Vitamine der B-Gruppe (B1, B2, B5, B6, Nicotinsäure und Nicotinsäureamid, Folsäure, Biotin), Vitamin E, K
  • Proteine, Lipoproteine, Peptide, essenzielle Aminosäuren
  • Steroidsaponine (Avenacine, immunmodulierend)
  • Flavonoide (entzündungshemmend)
  • Avenanthramid (ein Antioxidans)
  • Cumarine

Anwendungsgebiete/Indikationen

Hafer hat sich überall dort bewährt, wo mehr Tatkraft und Energie gebraucht wird. Er enthält leicht verdauliche Kohlenhydrate und steckt voller Schleimstoffe. Diese Schleimstoffe quellen mit Wasser auf, binden Magensäure und legen sich wie ein schützender Film über empfindliche Körperschleimhäute. Deswegen helfen gekochte Haferflockensuppe, Haferschleim und Haferbrei so gut bei Magen-Darm-Beschwerden aller Art, bei Reizmagen, Magenschleimhautentzündung, auch bei Strahlen- oder Chemotherapie und bei Sodbrennen (z.B. in der Schwangerschaft).

Grünes Haferkraut

Die grünen Pflanzenteile werden vor der Blüte geerntet, wenn das Korn noch milchig und nicht hart ist, dann im Halbschatten getrocknet und gehäckselt. Extrakte und Zubereitungen aus grünem Hafer sind meist frei von Proteinen und auch von Gluten und deswegen besonders für Allergiker gut geeignet. Sie sind angezeigt bei folgenden Indikationen:

  • Beschwerden der Haut: trockene und atopische Haut, Altershaut, Psoriasis
  • Durchspülungstherapie, Beschwerden der Niere und Blase:
    • reduzieren Harnsäure im Blut
    • lindern Blasenschwäche (Durchspülungstherapie als Aquaretikum)
    • Nieren- und Steinleiden
  • unterstützen Entgiftungsarbeit der Leber
  • Rheuma, Gicht
  • stressbedingte Symptome: kräftigen bei Stress, nervöser Erschöpfung und Schlaflosigkeit
  • verbessern kognitive Fähigkeiten, Konzentration und Lernfähigkeit

Haferstroh

Haferstroh wirkt entzündungshemmend und zusammenziehend und wird in der äußeren Anwendung als Badezusatz oder Kompresse geschätzt zur Linderung von entzündlichen und seborrhoischen Hauterkrankungen mit Juckreiz, bei nässenden Dermatosen und adjuvant bei Neurodermitis.

Haferkörner

Haferkörner in der täglichen Ernährung helfen bei folgenden Beschwerden:

  • Magen-Darm-Beschwerden (auch Colitis ulcerosa)
  • Schlafstörungen, Müdigkeit, Schwächezuständen
  • Angst-, Spannungs- und Erregungszustände
  • nervöse Appetitlosigkeit, Rekonvaleszenz
  • beginnender Diabetes mellitus
  • senken das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen
  • Alkohol- und Nikotinmissbrauch, bei Entzugserscheinungen
  • Ausleitung von Schwermetallen – Hafermehl wird in Russland bei Bleivergiftungen eingesetzt

Fallbeispiel

Clara P. fühlte sich einfach von dem ganz normalen Alltag als berufstätige Mutter überfordert und war ständig nervös und gereizt. Schlaflosigkeit war eine Folge davon. Ihre trockene und gerötete Haut zeigte an, dass auch die Niere Unterstützung brauchte. Sie machte den Grünen Hafertee zu ihrem Hauptgetränk und trank davon mindestens 1 l pro Tag. Als erstes konnte sie wieder besser schlafen und erholte sich zusehends. Nach und nach klärte sich ihre Haut und war wieder gut durchblutet, sie wurde insgesamt ruhiger und fühlte sich auch den Anforderungen des Alltags wieder gewachsen.

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat Haferkraut als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft und empfiehlt die Anwendung zur Linderung leichter Stresssymptome und als Schlafhilfe. Haferkörner und Hafermehl bekamen vom HMPC die Indikation: äußerlich bei leichten Hautentzündungen (z.B. Sonnenbrand) und kleinen Wunden.

Von der Kommission E erhielt das Haferkraut eine Negativverabschiedung, da sich damals die Wirksamkeit nicht wissenschaftlich belegen ließ. Da von der Droge nach Erkenntnissen der Kommission E keine Risiken zu erwarten sind, wird die Beurteilung sog. „Nullmonografie“ bezeichnet. Das Haferstroh erhielt eine Monografie von der Kommission E für entzündliche und seborrhoische Hauterkrankungen, speziell mit Juckreiz.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Hafer war für viele Generationen ein Aufbau- und Kräftigungsmittel.

  • Grünes Haferkraut wurde in der Volksheilkunde bei altersbezogenen Beschwerden empfohlen. Dazu gehörten akute und chronische Angst-, Spannungs- und Erregungszustände und daraus folgende Schlafstörungen. Blasenschwäche, Bindegewebsschwäche und Hauterkrankungen wurden ebenfalls damit behandelt.
  • Haferstroh wurde bei allen Hautproblemen angewendet, als Bad auch bei Gicht und Rheuma. Hypertoniker sollten in einem Bad Erleichterung erfahren.
  • Tee aus Haferstroh gemischt mit gleichen Teilen von Ackerschachtelhalm dient zur Stärkung von Knochen, Zähnen, Haaren, Nägeln und bei Zahnfleischerkrankungen.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Avena sativa hat in der Homöopathie ähnliche Anwendungen wie in der Phytotherapie und wird bei nervösen und erschöpften Patienten eingesetzt, insbesondere, wenn sie vom Alltag überfordert sind. Auch bei Schlaflosigkeit und Schwächezuständen nach langer Krankheit. Auch bei akutem Fließschnupfen.

Ähnlich ist es in der Spagyrik, Avena sativa ist eine Stütze bei allen seelischen Überforderungen und bei Erschöpfung durch unverarbeitete Erlebnisse. Es ist ein Beruhigungsmittel bei Nervosität, Schlaflosigkeit, Erschöpfung und ein Aufbaumittel für Körper Geist und Seele.

Prävention

Menschen mit Neigung zum Typ-2-Diabetes können vorbeugend einmal pro Woche einen „Hafertag“ zur Entlastung der Bauchspeicheldrüse einlegen. Die Ballaststoffe im Hafer verzögern die Aufnahme der Nährstoffe ins Blut, führen so auch zu einem langsameren Anstieg des Blutzuckerspiegels und damit der entsprechenden Menge von Insulin. Daran ist ebenfalls das beta-Glucan beteiligt. Eine Studie des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin hat ergeben, dass die Insulingabe bei Patienten mit einem hohen Insulinbedarf nach zwei Hafertagen um bis zu 30% gesenkt werden konnte. Der positive Effekt war bis zu 4 Wochen spürbar.

Wirkung auf die Psyche

Hafer steckt voller Beweglichkeit und Elastizität. Er macht, wie das Sprichwort sagt, „froh, wie der Mops im Haferstroh“. Kein Wunder, denn seine Füße (Wurzeln) sind gut geerdet und der Kopf („Ähren“) genießt den frischen Wind. Das alles ist verbunden durch eine flexible Mitte – welche die Erfahrungen von außen im Inneren verdaulich macht. Solche Fähigkeiten vermittelt der Hafer. Er stärkt, kräftigt und nährt die Nerven und das Nervensystem, muntert auf bei Niedergeschlagenheit und zeigt die Freude daran, wie schön es ist, etwas Besonderes zu sein. Er führt in die eigene Kraft zurück.

Dosis/Dosierung

1- bis 3-mal täglich 1 Tasse Haferkrauttee (3 g  pro Tasse, nach Abkühlen auf Zimmertemperatur absieben und trinken). Es existieren keine Angaben zur Tageshöchstdosis.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Grüner Hafer Tee

1 TL grünen Hafer mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, 15 Min. ziehen lassen. 3-mal täglich 1 Tasse. Empfehlenswert ist eine Kur von 4 Wochen.

Teil- und Vollbäder mit Haferstroh

Für ein Vollbad 100 g gehäckseltes Haferstroh mit 3 l kaltem Wasser übergießen, langsam zum Kochen bringen und 1 Stunde sanft köcheln. Diesen Extrakt in das heiße Badewasser sieben.

Dieses Bad bringt Erleichterung bei entzündlichen Hauterkrankungen, Neurodermitis, Akne, Juckreiz, Rheuma und Hexenschuss. Und stärkt die Knochen bei Osteoporose und nach Knochenbrüchen.

Hafertinktur

10 g grünes Haferstroh mit 100 ml Doppelkorn übergießen und 2 Wochen lang ausziehen lassen. Dann durch einen Kaffeefilter abfiltrieren und die Tinktur in dunklen Fläschchen aufbewahren. Bei Bedarf 15 Tr. (in Wasser oder Tee). Hafertinktur hilft bei Nervenschwäche, Erschöpfung und Schlaflosigkeit. Und sie hilft dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen.

Tee zur Senkung des Harnsäurespiegels im Blut

Grüner Hafer, Johanniskraut, Brennnessel und Bergfrauenmantel zu gleichen Teilen mischen. Mindestens 2 Monate lang trinken, 2–3 Tassen täglich zwischen den Mahlzeiten.

Behandlungsempfehlung

Fertigarzneimittel

Monopräparat: Hafersaft Schoenenberger.

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

Es sind keine bekannt.