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Pflanzenheilkunde

Stechapfel (Datura stramonium)

Nachtschattengewächse

Abbildung 1. Stechapfel, Pflanze mit Stängel, Blättern und Blüte.
Abbildung 1. Stechapfel, Pflanze mit Stängel, Blättern und Blüte.

Geschichte

Beheimatet in Zentralamerika ist der Stechapfel heute in gemäßigten und subtropischen Gebieten verbreitet. Seit tausenden von Jahren wird er als Medizin und bewusstseinsverändernde Pflanze in vielen Ritualen und Initiationsriten genutzt.

In Indien bereiteten untreue Ehefrauen aus den Samen ein berauschendes Getränk, das sie ihren Männern verabreichten, um sie für ein paar Stunden außer Gefecht zu setzen. Diebe und Kriminelle betäubten damit ihre Opfer. In China vermischten Ärzte die pulverisierte Pflanze mit Hanf und verwendeten sie zur Betäubung bei Operationen. Auch die Inkas in Peru betäubten ihre Patienten mit Stechapfel. Im alten Griechenland setzten die Priester Apolls den Rauch der Datura ein, um sich in einen prophetischen Zustand zu versetzen. Die Zuni-Priester in Neu-Mexico kauten die Wurzel, um mit den Göttern zu kommunizieren, die den Regen brachten.

In den westlichen Industrienationen war die Verwendung vor allem in den 1970er-Jahren bei jugendlichen Konsumenten zeitweise in Mode. Die Wirkung wurde nachträglich oft als „Horrortrip“ bezeichnet. Heute noch auftretende Vergiftungsfälle betreffen weitaus häufiger die verwandten Engelstrompeten (Brugmansia).

Botanischer Steckbrief

Der Stechapfel ist eine Giftpflanze und zählt zu den Nachtschattengewächsen und ist ursprünglich in Zentralamerika beheimatet. In ganz Europa ist der Stechapfel auf Brachland, an Wegrändern und in Gärten zu finden. Weltweit gibt es rund 20 verschieden Arten. Die Pflanze ist einjährig, wird bis zu 1 m hoch mit gabelig verzweigtem Stängel. Die Blätter sind bis zu 20 cm lang, gestielt und buchtig gezähnt. In den Gabeln wachsen die weißen trichterförmigen Blüten mit einem fünfzipfeligen Kelch. Sie blühen im Hochsommer und riechen in frischem Zustand berauschend, beim Verwelken eher unangenehm. Die charakteristischen Früchte werden bis zu 5 cm groß und sind über und über mit Stacheln besetzt. Darin reifen mehrere bis zu 3 cm lange, braunschwarze Samen heran.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Der Stechapfel zählt zu den Giftpflanzen und enthält, ähnlich dem Bilsenkraut (ebenfalls ein Nachtschattengewächs), folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • stark wirksame Tropanalkaloide (0,1–0,65%) wie Hyoscyamin, Scopolamin
  • Atropin (= Spiegelbild [Racemat]) des L-Hyoscyamins, entsteht beim Trocknen). Der Gesamtalkaloidgehalt unterliegt je nach Wachstumsort starken Schwankungen
  • Flavonoide (Quercetin- und Kämpferolderivate), Withanolide und Cumarine

In den Samen sind außer den Tropanalkaloiden Indolalkaloide, Sterole, Lektine, fettes Öl und Eiweiß enthalten.

Der Stechapfel wirkt parasymphatikolytisch und halluzinogen.

Indikationen

Als Arzneidroge verwendet wurden die getrockneten Blätter. Zu den Anwendungsgebieten zählten epileptische Krämpfe, Asthma (in Form von Asthmazigaretten oder Asthmapulver), Keuchhusten, Bronchitis und ähnliche Erkrankungen. Es wurden Vergiftungen mit tödlichem Ausgang beschrieben. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite wird der Stechapfel heute nicht mehr verwendet.

Indikationen nach Kommission E

Phytotherapeutisch darf der Stechapfel aufgrund seiner hohen Giftigkeit nicht eingesetzt werden. Daher wurde er weder vom HMPC noch von der ESCOP bewertet. Die Kommission E hat den Stechapfel aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses mit einer Negativmonografie bewertet. Eine Einstufung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel hat aufgrund der starken Giftigkeit nicht stattgefunden.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Als homöopathisches Präparat werden die Potenzierungen von Datura eingesetzt, um Verkrampfungen zu lösen, auch bei Kopfschmerzen mit vorausgehenden Sehstörungen.

Behandlungsempfehlung

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Fertigarzneimittel

Der aus der Pflanze isolierte Wirkstoff Scopolamin wird als Fertigarzneimittel verwendet. Einerseits findet er in der Augenheilkunde in Form von Scopolaminbromid Anwendung, des Weiteren wird er in Form von Scopolaminpflaster zur Vorbeugung von Reisekrankheit, Seekrankheit, Schwindel und Erbrechen genutzt. Diese Pflaster sind rezeptpflichtig und für Kinder unter 10 Jahren nicht geeignet.

Nebenwirkungen

Vergiftungssymptome und mögliche Folgen: rasender Puls, Hautrötung, Pupillenerweiterung, Muskelzuckungen, trockener Mund, Durst, Unruhe, Rededrang, Schluck- und Sprachstörungen, Schläfrigkeit und/oder Halluzinationen, Verwirrtheit, Seh- und Gleichgewichtsstörungen, Herzrhythmusstörungen und komatöse Zustände, Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung.