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Pflanzenheilkunde

Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger)

Nachtschattengewächse

Abbildung 1. Blüte des Schwarzen Bilsenkrauts.
Abbildung 1. Blüte des Schwarzen Bilsenkrauts.

Geschichte

Hys, hyos bedeutet im Altgriechischen Schwein und kyamos heißt Bohne. War es die Schweinebohne, mit der die Zauberin Kirke die Männer des Odysseus´ in Schweine verwandelte? Niger ist das lateinische Wort für schwarz und bezieht sich auf die dunkle Aderung in der Blüte. Bilsen geht auf eine keltische Wurzel zurück und erzählt, dass dieses Kraut dem Sonnengott Belenos zugeordnet war.

Dieses Kraut ist in allen seinen Teilen sehr giftig. Es wurde schon früh als Schmerzmittel genutzt und war auch wichtiger Bestandteil von religiösen Zeremonien. Die älteste Quelle für die Wirkung als betäubendes und schmerzstillendes Heilmittel stammt aus Babylon aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. Auf einem Tontäfelchen steht die Anweisung, kariöse Zähne mit einer zementartigen Masse zu füllen, die mit zerriebenen Bilsenkrautsamen und Mastix vermischt wurde. Im ägyptischen Papyrus Ebers aus der Zeit um 1550 v. Chr. ist die Verwendung von Bilsenkraut und Schlafmohn bei Operationen zur Schmerzbekämpfung aufgeführt. Die Inder nutzen frühzeitig eine Mischung von Stechapfel, Mohn und Bilsenkraut für narkotische Zwecke. Und bei Celsus im 1. Jahrhundert v. Chr. findet sich ein Rezept für schmerzstillende Pillen mit Alraune, Bilsenkraut, Mohn und Schierling. Später wurde Bilsenkraut als Schlafmittel eingesetzt, die frischen Blätter auch zu schmerzstillenden Umschlägen. Die Ärzte im Mittelalter verwendeten es wie Chloroform zur Betäubung.

Im Orakelkult vieler Völker spielte das Bilsenkraut eine wichtige Rolle, da es die Augen für eine Welt jenseits aller Vorstellung öffnete. In Griechenland wurde es auch „Wahrsager“ genannt und an den Orakelstätten für Apoll zu prophetischen zukunftsweisenden Aussagen genutzt. Apoll war der Gott der der Sonne, der Heilung und der Wahrsagung. Die Römer nannten das Bilsenkraut „apollinaris = Pflanze des Apoll“.

Im Mittelalter war das Bilsenkraut zusammen mit Tollkirsche und Stechapfel ein wichtiger Bestandteil der berüchtigten Hexensalben. Die auftretenden Rauschzustände ließen die Benutzer glauben, dass sie fähig wären, durch die Luft zu fliegen. Andererseits dienten Getränke mit Bilsenkraut im Jahre 1529 in Bologna als schmerzstillende Mittel bei Folter und Hexenverbrennungen.

In Badestuben wurden Bilsenkrautsamen auf glühende Kohlen gestreut und die Besucher freuten sich über die aphrodisierende Wirkung. Bier wurde ebenfalls Bilsenkraut zugesetzt, um seine berauschende Wirkung zu verstärken. Das geschah damals besonders häufig in der Nähe der Stadt Pilsen. Der Name des Pils-Bieres erinnert heute nur noch daran.

Botanischer Steckbrief

Bilsenkraut ist ein- bis zweijährig, wird bis zu 80 cm hoch, wächst auf Brachen, Mauern, Schuttstellen und in Gebüschen und ist von charakteristischer grau-grüner Farbe. Es ist selten geworden und steht unter Naturschutz. Die Pflanze ist klebrig-zottig behaart und riecht muffig. Die Blätter sind länglich eiförmig, grob buchtig gezähnt und bis zu 20 cm lang. Die krugförmigen Blüten sind von einem trüben Gelb, meist mit violetten Adern, die in einen dunklen violetten Schlund führen. Aufrecht sitzen sie einzeln in den Blattachseln, getragen von einem fünfzipfeligen zottig behaarten Kelch. Die Frucht ist eine bauchige, bis 1,5 cm lange Deckelkapsel mit bis zu 200 nierenförmigen, graubraunen Samen. Blütezeit ist von Juni bis September. Je nach Standort ist das Bilsenkraut unterschiedlich giftig. Es gibt Fälle, bei denen bereits das Einatmen der Ausdünstungen der Pflanze zu Benommenheit geführt hat.

Abbildung 2. Schwarzes Bilsenkraut, ganze Pflanze mit Stängel und Blättern.
Abbildung 2. Schwarzes Bilsenkraut, ganze Pflanzen mit Stängeln und Blättern.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Bilsenkraut enthält folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 0,03–0,28% giftige Tropanalkaloide Scopolamin und Hyoscyamin (0,03–0,28%); Hyoscyamin ist genauso aufgebaut wie Atropin, nur sieht es aus wie sein Spiegelbild (Racemat) und ist stärker wirksam als dieses.
  • Flavonoide (v.a. Rutin) und in Spuren Cumarinderivate

Bilsenkraut hat folgende Wirkungen: Es wirkt parasympatikolytisch, weshalb es an der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes, der Bronchien und der Harnwege zur Spasmolyse und an den Drüsen zu einer verminderten Sekretion kommt. Höher dosiert wirkt es zentral dämpfend.

Vorsicht

Vergiftungssymptome zeigen sich in Unruhe, Verwirrtheit, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung. Da einige Inhaltsstoffe die Nerven irreversibel schädigen, bleiben nach einer Vergiftung oft Verhaltensstörungen und Gedächtnisverlust zurück.

Indikationen

Anwendungsgebiete für das Bilsenkraut waren Krampfzustände im Bereich des Magen-Darm-Traktes, besonders Koliken. Äußerlich wurde Bildsenkraut als Schmerzmittel zu Einreibungen verwendet. Das Deutsche Arzneibuch 6 (Ausgabe 1926) enthält noch eine Vorschrift für Bilsenkrautöl: Aus den getrockneten Blättern wird ein 10-prozentiger Ölauszug hergestellt, der bei Narben und zur Stillung von rheumatischen oder Nerven-Schmerzen eingesetzt wird.

Indikationen nach Monografien

Wegen der geringen therapeutischen Breite (starke Giftwirkung der Tropanalkaloide) wird Bilsenkraut heute nicht mehr verwendet. Die Alkaloide (Hyoscyamin, Scopolamin) sind in reiner Form stark wirksame Arzneimittel. Für eine phytotherapeutische Verwendung von Bilsenkraut gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, weshalb das HMPC die Ausarbeitung einer Monografie bereits im Jahre 2011 eingestellt hat. Auch die ESCOP hat keine Monografie erstellt. In der Monografie der Kommission E von 1988 lautet das Anwendungsgebiet: Krampfzustände im Bereich des Gastrointestinaltraktes. Nach heutigen Erkenntnissen soll Bilsenkraut phytotherapeutisch jedoch nicht mehr zur Anwendung kommen.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Hyoscyamus wird nur noch in der Homöopathie eingesetzt bei Unruhe, Erregungszuständen, Schlafstörungen und krampfartigen Zuständen von Lunge, Herz und Verdauungstrakt.

Behandlungsempfehlung

Fertigarzneimittel

Monopräparat: Buscopan®, ist verschreibungspflichtig.                  

Nebenwirkungen

Die toxische Dosis liegt bei 5 mg Scopolamin, es kommt bereits nach 10 Min. zu Verwirrung und Unruhe. Das Verhalten ist das eines Betrunkenen. Nach ½ Stunde tritt Schlaf ein. Noch größere Dosen rufen in wenigen Minuten völlige Bewusstlosigkeit hervor, nach mehreren Stunden tritt dann allmählich Erholung ein. Bei zu hoher Dosis tritt der Tod durch Atemlähmung ein.