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Pflanzenheilkunde

Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)

Zeitlosengewächse (Liliengewächse)

Abbildung 1. Blüte der Herbstzeitlosen.
Abbildung 1. Blüte der Herbstzeitlosen.

Geschichte

Der botanische Name Colchicum leitet sich von Colchis ab. Die Heimat der Giftmischerinnen Medea und Circe lag an der Ostküste des Schwarzen Meeres. In ihrem Garten wuchsen die Giftpflanzen, auch die Herbstzeitlose. Ihr Gift, das Colchicin, wirkt langsam, aber zuverlässig. Die alten Griechen nannten die Herbstzeitlose „Ephemeron“, das bedeutet etwa „ein Kraut, das an einem Tag den Tod herbeiführt“. Autumnale verweist auf die Blütezeit im Herbst (= autumnus).

Samen und Knollen wurden auch in der Antike bereits bei akutem Gichtanfall, Rheuma und Asthma eingesetzt. Sie mussten sehr gekonnt dosiert werden, um keine Vergiftungen und Todesfälle auszulösen. Ungefährlicher war die äußere Anwendung der Herbstzeitlose bei Kopfläusen. Dabei wurden die Blüten einfach auf dem Kopf verrieben. Manche Bewohner der Alpen bestrichen sich im Herbst die Augenlider mit der ersten Blüte, damit die Augen den ganzen Winter über gesund und klar blieben.

Botanischer Steckbrief

Abbildung 2. Blätter der Herbstzeitlosen.
Abbildung 2. Blätter der Herbstzeitlosen.

Die Herbstzeitlose hält sich nicht an die Zeit. Sie ist zeitlos und wächst gegen den Jahresrhythmus. Mitten in feuchten, fetten oder Obstwiesen und in Auwäldern blüht sie wie ein Krokus im Herbst und kündigt damit die kurzen und kalten Tage an. Die zarten blasslila Blütensterne der Winterkünderin kommen „nackt“, d.h. ohne Blätter aus dem Boden. Zu dieser Zeit, in der alle anderen Pflanzen ihre Blätter verlieren, leuchtet sie mit ihren 6 blasslila Blütenblättern, die unten zu einer Röhre verwachsen, aus dem Gras heraus. Erst im nächsten Frühling, wenn die anderen Pflanzen blühen, treibt sie ihre dunkelgrünen, festen Blätter aus dem kalten Boden. In deren Mitte reifen dann die äußerst giftigen Samen in einer dreifächerigen Kapsel heran. Weil diese Blätter im Mai genauso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind, vermutete man früher, dass in der Walpurgisnacht die Hexen diese Hexenzwiebeln als Salat gegessen hätten.

Bauern nutzten die Herbstzeitlose zur Wettervorhersage. Im späten Herbst, wenn die Pflanze verblüht war, gruben sie nach den Zwiebelknollen. Lagen sie tiefer als 18 cm unter der Erde, wussten sie, dass es einen klirrend kalten Winter geben würde. Lagen sie nur 8–10 cm tief, würde der Winter eher mild werden.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Die Herbstzeitlose hat als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe zu 0,5–1,2% etwa 20 verschiedene stark wirksame Alkaloide. Der Hauptwirkstoff darunter ist das Alkaloid Colchicin. Im Samen ist Colchicin zu etwa 0,3–0,5% enthalten, außerdem fettes Öl. In der Knolle sind vermutlich nur kurz vor der Samenreife 0,1–0,6% Alkaloide zu finden.

Abbildung 3. Samen der Herbstzeitlosen.
Abbildung 3. Samen der Herbstzeitlosen.

Die Herbstzeitlose wirkt entzündungshemmend. Colchicin blockiert die Zellteilung und wurde früher als Zytostatikum bei Leukämie eingesetzt. Im akuten Gichtanfall unterbricht es die Schmerzkaskade.

Merke

Bei der Pflanzenzüchtung wird Colchicin heute zur Mutationsauslösung in Zellkulturen herangezogen. Das führt z.B. bei vielen Blütenpflanzen zur Ausbildung größerer Blüten und sorgt bei Obstgehölzen und Getreide für robustere und ertragreichere Sorten.

Indikationen

Hauptindikationsgebiet für die Herbstzeitlose ist noch immer der akute Gichtanfall. Außerdem wird das familiäre Mittelmeerfieber, das innerhalb der Familie vererbt wird und sich besonders im östlichen Mittelmeerraum in schubweisen Fieberschüben zeigt, damit behandelt. (hier sind laufende Kontrollen des Blutbildes und der Leber- und Nierenfunktion erforderlich).

Indikationen nach Monografien

Die Samen der Herbstzeitlose (Colchici semen), ihre Knollen (Colchici tuber) und die Blüten (Colchici flos) bekamen eine Positivmonografie der Kommission E für die Indikationen akuter Gichtanfall und familiäres Mittelmeerfieber.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Obwohl sie so giftig ist, wurde die Herbstzeitlose in den frühen Zeiten der Volksheilkunde verwendet, um die Schäden des Winters zu beseitigen. Männer und Frauen rieben sich mit den Blüten Hände und Füße gegen die „Winterstarre“ ein. Kräuterfrauen bereiteten aus den Blüten eine Salbe gegen Frostschäden an Zehen und Fingern. Zubereitungen wurden auch eingesetzt bei Gicht, rheumatischen Erkrankungen, Wassersucht, Hauttumoren und Harnleiden. Dabei ist es zu so mancher Vergiftung gekommen. Diese Anwendungen sind obsolet.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Heute wird Colchicum nur noch in der Homöopathie eingesetzt. Die Urtinktur wird aus den frischen, im Herbst gesammelten Knollen hergestellt. Homöopathische Potenzierungen daraus sind bis zur D3 verschreibungspflichtig. In der Homöopathie hilft Colchicum bei Gichtanfällen, Magenstörungen und Herzproblemen. Salbenspezialitäten, die Colchicum ab einer Potenzierung D4 enthalten, haben sich unter anderem bewährt bei der Begleitbehandlung von Lymphknotenschwellungen.

Behandlungsempfehlung

Fertigarzneimittel

Alle Präparate sind verschreibungspflichtig. Homöopathische Zubereitungen ab D4 sind frei.

Nebenwirkungen

Vergiftungen zeigen sich in heftigem Erbrechen, das auch nach der Magenentleerung nicht aufhört, großem Durst und übel riechenden Durchfällen, hohem Puls, Lähmungserscheinungen bis Tod durch Atemlähmung. Nach längerer Anwendung treten Hautveränderungen, Agranulozytose, Anämie, Myopathie und Alopezie auf. Die Vergiftungserscheinungen setzen erst langsam ein.

Nicht verwechseln

Vorsicht ist für alle geboten, die im Frühjahr Bärlauch sammeln wollen. Sie müssen diese Blätter gut von denen der Herbstzeitlose unterscheiden können. Eine Verwechslung kann fatal sein und tödlich enden.

Die Blätter der Herbstzeitlose erscheinen im Frühjahr an den gleichen Standorten wie der Bärlauch. Aus dem riesigen grünen Teppich, den die Bärlauchblätter im Frühjahr bilden können, sticht die Herbstzeitlose mit ihren Blättern ein wenig heraus. Ihre Blätter sind zwar fast gleich groß, aber von dunklerem Grün, von festerer Struktur und wachsen (meist) zu dritt ineinander gedreht wie aus einer Röhre aus dem gemeinsamen Ursprung, der Zwiebel. Ihre Blattspitzen sind nach oben gerichtet, während sich die weicheren Bärlauchblätter zum Erdboden neigen. Bärlauch wächst in Büscheln, der Stängel ist dreikantig. Jedes Bärlauchblatt hat einen eigenen Stiel und entspringt einzeln einer kleinen Zwiebel. Es ist weicher als ein Blatt der Herbstzeitlose und an seinem Geruch zu erkennen. Sich aber allein auf den knoblauchartigen Geruch der Bärlauchblätter zu verlassen, ist deshalb schwierig, weil die Finger nach einer einzigen Berührung mit Bärlauch noch lange danach riechen, auch dann, wenn man gerade an einem eigentlich geruchlosen Blatt der Herbstzeitlose schnuppert.

Solange diese weichen, einzeln wachsenden Bärlauchblätter umsichtig gepflückt und nicht großflächig mit einer Sense oder Sichel geschnitten werden, sind die giftigen Pflanzen gut zu unterscheiden. 1–2 Wochen später kommen auch die Blätter der Maiglöckchen aus dem Boden, die auch mit dem Bärlauch verwechselt werden könnten. Sie sind leicht daran zu erkennen, dass sie sich zu zweit um einen gemeinsamen Stängel drehen, gerade nach oben wachsen und nicht aus einer Zwiebel, sondern aus einem Rhizom kommen.