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Pflanzenheilkunde

Wermut (Artemisia absinthium)

Korbblütler

Abbildung 1. Wermut mit Stängeln, Blättern und Blüten
Abbildung 1. Wermut mit Stängeln, Blättern und Blüten

Geschichte

Das Bittere war den Menschen noch nie angenehm. Im Gegensatz zum Beifuß, der als Symbol der Hoffnung galt, war der Wermut von jeher das Symbol tiefsten Schmerzes. Trotzdem galt ein Wermutwein auch in alten Zeiten als ein gutes Verdauungsmittel - das mit seinem bitteren Geschmack auch die Traurigkeit vertrieb.

Wegen dieser Fähigkeiten findet sich Wermut auch in den Kräuterbüscheln, die zu Maria Himmelfahrt am 15. August gesammelt und geweiht werden. Sie sind der Kräutervorrat für ein Jahr voller Gesundheit und Schutz für die ganze Familie. Zum Ausräuchern von Haus und Hof in den Raunächten der Jahreswende durfte der Wermut nicht fehlen. Die frische Pflanze wurde zu Wettermachen benutzt: Nach einer langen Trockenperiode erflehten 2316 Jungfrauen auf dem Dorfplatz von Erfurt den ersehnten Regen mit Wermutbüscheln herbei - laut Überlieferung erfolgreich.

Artemisia absinthium ist der botanische Name des Wermuts. Im Paris des 19. Jahrhunderts war der Absinth ein Modegetränk, das später auch das „Gift der Grünen Stunde“ genannt wurde. Es war ein Destillat aus Wermut, Anis und anderen grünen Kräutern. Berühmte Musiker und Maler haben diese Rauschdroge getrunken und sich davon inspirieren lassen. Die Impressionisten Manet und Gauguin gehörten dazu, ebenso Oscar Wilde, Hemingway und Victor Hugo – sie alle haben dafür wohl einen grässlichen Kater in Kauf genommen. Das charakteristische Gelb in den Gemälden von Vincent van Gogh soll die Wahrnehmungsveränderungen durch Thujon gut wiedergeben. Picasso verdankt dem Getränk angeblich seine als „blaue Periode“ bezeichnete Schaffensphase. Doch viele Intellektuelle und Künstler wurden abhängig von diesem Getränk und gingen daran zu Grunde (z.B. Baudelaire), bevor es zwischen 1910 und 1923 verboten wurde. Das ätherische Öl enthält einen giftigen Stoff – das Thujon – das bei regelmäßiger und zu hoher Dosierung langsam aber sicher das Nervensystem zerstört. Bei Dauergebrauch kommt es zu Lähmungen, Krämpfen, Bewusstseinsstörungen und schließlich zur „Verblödung“, zu irreversiblen Gehirnschäden – dem „Absinthismus“.

In den heutigen Wermutgetränken (z.B. Martini, Cinzano) ist kaum mehr die Wermutpflanze und schon gar kein Thujon enthalten. Die „grüne Fee“ und ähnliche Getränke allerdings avancierten nach einer Gesetzesänderung im Jahre 1998 wieder zum Modegetränk. Der erlaubte Thujongehalt ist auf 10 mg pro Liter beschränkt. In dieser Konzentration soll es nicht schädlich sein.

Botanischer Steckbrief

Wermut wächst als Staude gerne auf kalkreichen, trockenen Böden. Er wächst genüsslich und genügsam an einem sonnigen Plätzchen. Die Wermutpflanze ist mehrjährig, wird manchmal bis zu 2 m hoch, hat grau-filzig behaarte Stängel und ist stark verästelt. Die vielen dreifach fiederteiligen Blätter sind auf der Unterseite silbergrün, auf der Oberseite silbergrau behaart, die oberen sitzen direkt am Stängel. Sie enthalten viele Öldrüsen, duften stark und schmecken unverkennbar bitter. Die gelben Blüten sind klein und kugelig, hängen in reich verzweigten Rispen und blühen von Juni bis September.

Als Arzneidroge verwendet werden die oberen Abschnitte der Triebe geerntet zur Zeit der Blüte (Absinthii herba).

Signatur

So eine Wermutstaude macht einen sehr leichten, luftigen Eindruck. Doch das täuscht, denn darin steckt sehr viel Power. Wermut vereint höchste Bitterkeit mit einem intensiven, durchdringenden Aroma. Die Bitterstoffe regen die Stoffwechselfunktionen an, der Duft berührt die Gefühle. Beides zusammen vertreibt die „Dämonen“ der Krankheit und gemahnt gleichzeitig zur vorsichtigen Dosierung. Beides zusammen rüttelt den abgeschlafften, antriebslosen Menschen wach und weckt seine Lebensgeister. Und lindert auch die Verbitterung, die vielleicht als Ursache dahinter steckt. Die gelben Blüten zeigen die Wirkung auf Leber und Galle an. Verwendet werden die blühenden oberen Zweigspitzen mit ihrem charakteristischen, sehr aromatischen Geruch (Absinthii herba). Je intensiver die Pflanze blüht, umso mehr Bitterstoffe enthält sie.

In dem Gattungsnamen Artemisia klingt der Name der geliebten griechischen Muttergöttin Artemis mit. Absinthium setzt sich zusammen aus a = ohne und psinthos = Vergnügen und erzählt wohl von dem bitteren Geschmack der Blätter. Unser Wort Wermut könnte sich aus warm gebildet haben – oder auch aus Wurm. Zutreffen würde beides, denn Wermut wärmt von innen heraus und vertreibt auch die Würmer aus dem Darm, was auch im englischen Namen wormwood zu hören ist.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Wermut hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 0,15–9,4% Bitterstoffe mit einem Bitterwert von 15.000 (u.a. Absinthin, schmeckt noch in einer Verdünnung von 1:13.000.000 bitter): Die Bitterstoffe regen die Produktion aller Verdauungssäfte an – von Magen, Bauchspeicheldrüse und Leber.
  • 0,2–1,5% ätherisches Öl (bis zu 40% beta-Thujon und andere Mono- und Sesquiterpene)
  • Flavonoide (durchblutungsfördernd, u.a. Kämpferol, Artemisin)
  • Ascorbinsäure
  • Cumarine
  • Kaffeesäurederivate (u.a. Chlorogensäure, Quercetin-Derivate, wirken antioxidativ und leberschützend)

Wermut hat folgende Wirkungen:

  • Verdauungstrakt:
    • appetitanregend und verdauungsfördernd
    • steigert die Magensaftsekretion und die Produktion des Gallensafts (choleretisch)
    • steigert die exokrine Pankreassekretion um das 400-fache
    • löst Krämpfe (karminativ)
    • tonisiert den gesamten Magen-Darm-Trakt
  • entzündungshemmend (Thujon hemmt TNF-alpha u.a. Interleukine)
  • antiviral (Thujon in vitro)
  • Immunsystem:
    • stärkt die Abwehrkräfte auch gegen Viren
    • regt die Lymphe an
    • steigert die Abwehrkraft
  • Nervensystem: stärkt die Nerven und tonisiert das ZNS

Anwendungsgebiete/Indikationen

Wermut weckt die Lebensgeister und bringt die Selbstregulationsfähigkeit wieder in Gang. Als Amarum aromaticum wird es bei folgenden Indikationen eingesetzt:

  • Verdauungstrakt:
    • Verdauungsstörungen aller Art, Blähungen
    • Appetitanregung
    • Magen- und Galleerkrankungen, Nachbehandlung von Gallenkoliken
    • Leber- und Gallestörungen, damit einhergehende Antriebslosigkeit und Melancholie
  • Schwächezustände, Erschöpfung nach Grippe, Operationen, Infektionen
  • unterstützend bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, eine virale Ursache wird diskutiert. (Wässrige Auszüge von Wermut hemmen TNF-alpha und wirken anitviral, u.a. gegen Herpes-Viren.)

Fallbeispiel

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Es sind insbesondere die älteren Herren, die den bitteren Geschmack von Wermut nicht scheuen. Deswegen musste auch Herr T., 78 Jahre alt, den Wermuttee trinken, als er über mangelnden Appetit, mangelnde Verdauung und Blähungen klagte. Außerdem war ihm die Lebensfreude abhandengekommen. Über den bitteren Geschmack beklagte er sich zunächst, reduzierte dann aber die Dosierung so lange, bis ihm der Tee schmeckte und wurde dann zu einem echten „Wermut-Fan“. Seine Beschwerden besserten sich alle in der Folgezeit und auch sein Humor kehrte zurück.

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat Wermutkraut als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Wermutkraut zur Behandlung vorübergehender Appetitlosigkeit und zur Behandlung dyspeptischer und gastrointestinaler Beschwerden eingesetzt werden, außerdem zur Unterstützung der Magenfunktion. Der ESCOP und Kommission E zufolge ist Wermutkraut indiziert bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden (Verdauungsbeschwerden mit leichten Krämpfen im Magen-Darm-Bereich).

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Volksheilkunde wird Wermut sehr geschätzt. Er wurde auch immer als Mittel zur Erhaltung der Geisteskraft angesehen. Hippokrates, Arzt in Griechenland vor 2500 Jahren, verordnete den Wermut bei nachlassendem Gedächtnis. Aktuelle Forschungen haben bestätigt, dass ein Extrakt aus Wermut die Acetylcholinrezeptoren im Gehirn aktiviert und deswegen das Nachlassen der Gedächtnisfunktion bei Alzheimerpatienten aufhalten kann. Ein Versuch mit dem Tee lohnt sich auf jeden Fall.

Zusätzlich zu den oben genannten Indikationen wird Wermut verwendet bei folgenden Beschwerden:

  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten
  • Blutarmut (verbessert die Eisenresorption)
  • Menstruationsstörungen
  • Anorexie
  • Parasiten
  • Symbioselenkung im Darm

Wermut ist für alles gut lautet ein altes Sprichwort.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie wird Absinthium mit seiner Wirkung auf das Zentrale Nervensystem angewendet. Nervöse Tics, Zittern, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und Muskelkrämpfe sind u.a. die Indikationen.

Spagyrisch aufgearbeitet wirkt Absinthium verdauungsfördernd, appetitanregend, aufbauend, stärkend, galleanregend und nervenstabilisierend.

Prävention

Die aktuelle Forschung knüpft an die altbekannte Wirkung gegen Würmer an und untersucht den Wermut als natürliches Insektizid gegen die Überträger von Malaria, Denguefieber und Filariose. Wermut wird auch erforscht auf seine Wirkung gegen verschiedene Krebsarten, u.a. Leberkrebs und es zeigt sich, dass die Phenolcarbonsäuren zur Apoptose von Krebszellen führen können.

Wirkung auf die Psyche

Wermut schenkt deprimierten, trägen, lethargischen Menschen neue Lebenskraft und Lebensfreude. Er klärt die Augen, die Sichtweise und die Wahrnehmung. Und verleiht Tapferkeit, Wagemut, Unerschrockenheit und Durchsetzungsvermögen. Alles zusammen bringt ein neues Lebensgefühl. So wie in der Pflanze das Zarte und das Bittere gepaart sind, verbindet sie Himmel und Erde in sich und macht Appetit auf Leben. Immer wieder neu.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis maximal 3 g getrocknetes Wermutkraut pro Tag. (1 TL = etwa 1,5 g). Bei der inneren Anwendung von Zubereitungen aus Wermutblättern (Tee oder Tinktur) wird die toxische Dosis an Thujon nicht erreicht; trotzdem sollen Wermutzubereitungen nicht länger als 2 Wochen eingenommen werden. Eine Aufnahme von maximal 3 mg Thujon pro Tag ist vertretbar.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Tee

Wer den Wermuttee so stark zubereitet, wie es allgemein empfohlen wird, wird ihn kaum ein 2. Mal gerne trinken. Es empfiehl sich stattdessen nur die kleine Menge Wermut zu verwenden, die zwischen 3 Finger passt. Diese mit Wasser übergießen und auch nur kurz (1–2 Min.) ziehen lassen, so kann er seinen apart-bitteren Geschmack voll entfalten.

2-mal täglich eine Tasse frisch bereiteten, warmen Wermuttee trinken, zur Appetitanregung jeweils eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten. Zur Anregung der Galletätigkeit trinkt man ihn – etwas stärker – nach dem Essen.

Luftdesinfektionsspray

Bei Ansteckungsgefahr und zur Stärkung des Immunsystems sorgt folgender Ansatz für reine Luft: Je 1 TL voll von Thymian, Rosmarin, Lavendel und Wermut zusammen mit 2–3 Gewürznelken in ½ l Apfelessig 3–4 Wochen ziehen lassen, abseihen und im Raum vernebeln.

Merke

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Im Wermuttee sind die zentralnervös wirkenden Bestandteile nur in sehr geringen Mengen enthalten – sie steigern die Konzentration mindestens genauso gut wie Kaffee.

Behandlungsempfehlung

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Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Absinthium Urtinktur Ceres
  • Kombinationspräparate: Amara Pascoe Tropfen (+ Chinarinde, Enzianwurzel, Pomeranzenschale, Zimtrinde), Bitter-Elixier Wala (+ Enzian, Ingwer, Kalmus, Pfeffer), Pascopankreat Tbl. (+ Condurango)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen:
    • Schwangere sollten Wermuttee meiden.
    • Schwindel und krampfartige Anfälle nach übermäßigem Gebrauch. Bei kurmäßiger Anwendung über 3–4 Wochen, zumal in der oben angegebenen Verdünnung, besteht keine Gefahr.
  • Interaktionen, Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.