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Pflanzenheilkunde

Lavendel (Lavandula angustifolia, syn. officinalis)

Lippenblütler

Abbildung 1. Lavendel, Pflanze mit Stängel und Blüten.
Abbildung 1. Lavendel, Pflanze mit Stängel und Blüten.

Geschichte

Hildegard von Bingen kochte Lavendelblüten in Wein und ließ ihre Patienten 6–8 Wochen schluckweise davon trinken. Sie sagte, dass dadurch Lungenschmerzen gelindert würden und fügte hinzu, dass dieser Duft dem Menschen auch „reines Wissen und klares Verstehen schenkt.“ Sie kennt auch seine Fähigkeit, Läuse und andere Insekten zu vertreiben.

Schon früh wurde Lavendel in Bädern verwendet. Und auch die Umgebung reinigte er, denn es hieß, er verscheuche die bösen Geister. Weil sein Duft den Pesthauch bekämpfen konnte, wurde er gegen die Pest zur Desinfektion eingesetzt. Nicht nur in den Alpenländern glaubte man, der Duft helfe gegen den Teufel. Sogar Hexen, die vom Teufel gejagt wurden, brauchten sich nur auf einen Lavendelstrauch zu setzen und waren vor ihrem Verfolger sicher. War es der Duft nach Sauberkeit, der den Teufel vertrieb?

In den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts wird immer wieder davon berichtet, dass Lavendel Hypochondrie, Melancholie und nervöse Aufregung vertreibt, besonders wenn diese mit Herzklopfen, Angst und Schlaflosigkeit einhergehen.

In Wien zogen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts „Lavendelweiber“ singend von Haus zu Haus und boten den „Balsam für die Nerven“ an.

Botanischer Steckbrief

Die Heimat des Lavendels der Mittelmeerraum. Dort, genauso wie bei uns, wird er häufig kultiviert. Er wächst als mehrjähriger, niedriger, duftender Halbstrauch und wird 30–60 cm hoch. Die Blätter sind ungefähr 5 cm lang, schmal, blaugrün, die Unterseite ist heller als die Oberseite, ihr Rand ist mehr oder weniger eingerollt. Die unteren Blätter sind weißfilzig behaart. Die blauvioletten Blüten sitzen in dichten Quirlen am Ende eines langen Stängels. Die Botaniker sagen, sie stehen in Scheinähren, eingehüllt von 2 Hochblättern. Die Blütenkronen bestehen aus einer zweilappigen Oberlippe und einer etwas kleineren dreilappigen Unterlippe. Damit schauen sie aus dem röhrenförmigen, ovalen, blaugrauen Kelch heraus. Beim Trocknen fällt die Blütenkrone leicht ab oder schrumpft stark ein, sodass nur noch die Kelche zu erkennen sind. Die Lavendelfelder blühen von Ende Juli bis in den August hinein.

Arzneilich verwendet werden die kurz vor der Blüte geernteten Lavendelblüten, denn dann ist der Wirkstoffgehalt am höchsten und all das ätherische Öl noch nicht „verduftet,“ sondern gut bewahrt in Blüte und Kelch (Lavandula flos).

Abbildung 2. Lavendel-Blüten
Abbildung 2. Lavendel-Blüten

Signatur

Der Name leitet sich ab von dem lateinischen Wort lavare und bedeutet waschen. Gemeint ist nicht nur die Wäsche von Kleidung oder Haut (oder der Mumien im alten Ägypten), sondern Lavendel reinigt alles – die gesamte Atmosphäre, er reinigt die Umgebung von Ungeziefer, die Luft von Krankheitserregern und das Gemüt von melancholischen und ängstlichen Gedanken. Der Duft und die lila Farbe der Blüten verbreiten Reinheit und Klarheit. Die geraden, zähen Stängel strecken ihre Blütenstände mit all den einzelnen Blütenquirlen aufrecht in das sonnige Blau – wie ein Geschenk der Erde an den Himmel.

Angustifolia bezieht sich auf die schmalen Blätter (lat. angustus = schmal, folium = Blatt).

Inhaltsstoffe und Wirkung

Es sind mehr als 2000 Inhaltsstoffe in den verschiedenen Lavendelarten enthalten. 300–400 davon sind von medizinischer Bedeutung, erst ein Bruchteil davon ist erforscht. Wieder ist die Gesamtkomposition aller Inhaltsstoffe für die Wirkung verantwortlich.

Die wichtigsten wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe sind:

  • mindestens 1,5% ätherisches Öl, mit Linalylacetat, Linalool, Kampfer, 1,8-Cineol
  • 12% Labiaten-Gerbstoffe, v.a. Rosmarinsäure, Chlorogensäure
  • Flavonoide (0,35%)
  • Phytosterole
  • Hydroxycumarine

 Lavendel hat bei innerer Anwendung folgende Wirkungen:

  • sedierend auf das Zentralnervensystem – Verkürzung der Einschlafzeit, Zunahme der Schlafdauer
  • krampfstillend
  • antimikrobiell, entzündungshemmend
  • fördert Bildung von Gallenflüssigkeit

 Bei äußerer Anwendung wirkt es durchblutungsfördernd (hyperämisierend).

Anwendungsgebiete/Indikationen

Lavendel ist ein echtes Multitalent. Er ist ein Heilmittel sowohl für das Nervensystem als auch für innere und äußere Schönheit, Gesundheit und Wohlbefinden. Seine Bedeutung in der heutigen Zeit liegt vor allem im Abbau von Stress und ist damit eine echte Alternative zu synthetischen Beruhigungsmitteln. Als Heilmittel für das Nervensystem stärkt er obendrein das Immunsystem, damit es nicht durch zu viel Hektik in Mitleidenschaft gezogen wird.

Innere Anwendung

  • Entspannend und beruhigend: Lavendel blockiert die Ausschüttung von Noradrenalin, die bei Stress erhöht ist und regt die Serotoninausschüttung im Gehirn an, das ist hilfreich bei:
    • Nervosität, vegetativer Dystonie
    • Unruhe, die mit Herzklopfen und Angst einhergeht
    • Einschlafstörungen, (3–4 Stunden vorm Schlafengehen einige Tropfen Lavendelöl auf das Kissen oder ein speziell hierfür reserviertes Tuch träufeln. Der Schlaf ist erquickender und häufig unterbleibt das Schnarchen. Die Schlafdauer alter Menschen verlängert sich)
    • Angststörungen, Alpträumen, auch posttraumatische Belastungsreaktionen
    • dementiell bedingte Unruhe und Agitiertheit (das ätherische Öl in der Duftlampe oder zu 0,5% im Massageöl), die Alltagsaktivität und Lebensqualität nimmt zu
    • Stress
    • milde Depressionen
  • Förderung der Bildung von Galleflüssigkeit, dadurch hilfreich bei folgenden Beschwerden des Verdauungstrakts:
    • Verdauungsstörungen, Blähungen, Appetitlosigkeit, Roemheld-Syndrom und nervösen Magen-Darm-Beschwerden
    • nervöser Appetitlosigkeit, er bringt die nötige Ruhe und Freude am Essen
    • den Koliken der Säuglinge (Bauchmassage mit Lavendelöl)
  • spasmolytisch:
    • erleichtert Erkältungskrankheiten, Schnupfen und Husten mit Neigung zur Verkrampfung (als Tee, Bad, Umschläge oder Inhalation)
    • entspannt bei Asthma
  • Schmerzlindernd und entzündungshemmend:
    • Ohrenschmerzen (vermischt mit etwas Johanniskrautöl warm ins Ohr träufeln),
    • Spannungskopfschmerz und Migräne (1 Tr. ätherisches Öl) auf die Schläfen oder auch auf die Oberlippe auftragen und 10–15 Min. lang einatmen.

Fallbeispiel

Trotz aller möglichen Präparate, die Lavendel enthalten, zeigt doch manchmal das einfache mit Lavendelblüten gefüllte Kräutersäckchen – vielleicht sogar aus dem eigenen Blumentopf oder Garten – seinen Wert. Clara M. 68, liebte es, sich einen ganzen Vorrat selbst genähter Kräutersäckchen anzulegen, sodass die Blüten sie den Winter hindurch begleiten konnten. Eines davon legte sie neben ihr Kopfkissen, und sie war überzeugt davon, dass das für ihren guten und erholsamen Schlaf und ihre ausgeglichene Stimmung sorgte.

Behandlungsempfehlung

Inhalationen mit heißem Lavendeltee

  • steigern die Abwehrkräfte besonders in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr, bei Grippe und Erkältungen
  • erleichtern bei Problemen mit den Nebenhöhlen
  • beruhigen Säuglinge und kleine Kinder

Äußere Anwendung

Äußerlich als Lavendelspiritus oder Lavendelöl (10-prozentig in Olivenöl) eingesetzt, hilft Lavendel bei folgenden Beschwerden:

  • Neuralgien
  • muskuläre Verspannungen und rheumatische Erkrankungen (auch als Bad)
  • funktionelle Kreislaufstörungen (als Bad)
  • Halsschmerzen (Gurgeln)
  • Hautkrankheiten und zur Wundbehandlung, bei Akne, Dermatomykosen

Bei Verbrennungen oder Verbrühungen darf ätherisches Lavendelöl direkt und unverdünnt auf die Haut aufgetragen werden. Es nimmt den Schmerz und sorgt für eine narbenfreie Wundheilung. Oft entstehen keine Brandblasen. Hier wirken die Flavonoide und die Labiaten-Gerbstoffe. Möglich ist auch die Anwendung in Kombination mit rotem Johanniskrautöl. Bei kleinen Wunden, Abschürfungen oder Insektenstichen sorgt das Öl für einen schnellen Wundverschluss und eine gute Heilung.

Indikationen nach Monografien

Lavendel erhielt Positivmonografien von der HMPC, ESCOP, WHO und Kommission E. Das HMPC hat Lavendelblüten und Lavendelöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft. Durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete für Lavendelöl sind die Behandlung von Unruheständen bei ängstlicher Verstimmung.

Nach der ESCOP ist Lavendel indiziert bei Stimmungsschwankungen wie Unruhe, Erregungszuständen oder Schlafstörungen; außerdem bei funktionellen Bauchbeschwerden. Lavendelblüten und Lavendelöl können zur Behandlung leichter Stress- und Erschöpfungszustände sowie als Schlafhilfe verwendet werden. Sie sind äußerlich auch als Badezusatz anwendbar.

Die Kommission E lässt Lavendel zur inneren Anwendung zu bei Unruhezuständen, Einschlafstörungen und funktionellen Oberbauchbeschwerden (nervöser Reizmagen, Roemheld-Syndrom, Blähungen, nervöse Darmbeschwerden). Und äußerlich in Form von Bädern bei Kreislaufbeschwerden.

Die Monografie der WHO stimmt mit den vorgenannten Monografien überein. 

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Aromatherapie findet das ätherische Lavendelöl ein ebenso großes Anwendungsfeld. Hebammen nutzen es bei der Geburtshilfe gerne zur Beruhigung. Es ist auch ein gutes Repellent (Mücken/Schnaken abweisendes Mittel). Dazu unverdünnt oder mit Alkohol 1:1 gemischt auf die Haut auftragen.

Bäder in einem Lavendel-Absud sind sehr beliebt und nahezu „wellness“. Sie entspannen bei funktionellen Kreislaufstörungen und bei hohem Blutdruck. Oder auch bei Prellungen, schlecht heilenden Wunden, Abszessen oder Furunkeln. Hilfreich sind sie immer bei Migräne, Krämpfen und Asthma. Und natürlich schafft ein Bad im Lavendelduft eine Atempause zwischendurch.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Die Indikationen in Homöopathie und Spagyrik sind die gleichen wie in der Phytotherapie.

Wirkung auf die Psyche

Lavendel entführt uns in Gefilde, in denen die Entspannung zu Hause ist. „In der Ruhe liegt die Kraft“ ist das Motto des Lavendels. In dieser Ruhe spüren wir unsere innere Stimme und zugleich die Sicherheit, die davon ausgeht. Je mehr das Vertrauen in die eigene Intuition wächst, umso leichter lösen sich die Sorgen auf. Wenn das erreicht ist, regt Lavendel sogar die Sinne an und bringt erfrischende Entschlossenheit. Handlungen, die Herz und Verstand verbinden, lassen die Talente harmonisch zusammen wirken. Dann wird der Alltag wie ein kleiner Urlaub. Ein Kranz aus Lavendelblüten sorgt für Gesundheit, Freude und Frieden im Haus.

Dosis / Dosierung

Bei innerer Anwendung 1–2 TL Lavendelblüten auf 250 ml Wasser. Als ätherisches Öl 1–4 Tr. z.B. auf einem Stück Würfelzucker.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Tee aus Lavendelblüten

1-2 TL auf 250 ml heißes (nicht kochendes) Wasser geben, 5 Min. zugedeckt ziehen lassen. Abends 1–2 Tassen trinken. Dieser Tee hat ein sehr zartes Aroma, das Kopfschmerzen erleichtert, Übelkeit und schlechten Atem lindert. Durch Zugabe von einigen Tropfen Zitronensaft wird der Tee dunkelviolett.

Teemischung bei Nervosität und Ängsten (nach R. Huber)

Lavendelblüten 20 g, Johanniskraut 40 g, Zitronenmelisse 40g. M. f. spec. D.S. 1 TL der Mischung mit 250 ml Wasser übergießen, 8–10 Min. zugedeckt ziehen lassen, absieben, 1–3 Becher pro Tag.

Lavendelblütenbad

20–100 g Lavendelblüten in 2 l heißem Wasser aufkochen, abgießen, dem Badewasser hinzufügen und 15 Min. darin bei 37 °C baden. Danach ohne Abtrocknen, nur in den Bademantel gewickelt, ins Bett legen und mindestens eine Stunde ruhen oder gleich einschlafen. Beruhigt, hilft bei Prellungen und ist beliebt bei Hypertonikern.

Behandlungsempfehlung

Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Lasea, Weleda Lavendelöl 10%
  • Kombinationspräparate: Leber-Galle Kräutertropfen N (+ Wermut u.v.a.), Dolo-cyl Muskel- und Gelenköl (+ Rosmarin u.v.a.m.)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

Es sind keine bekannt.