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Pflanzenheilkunde

Hirtentäschelkraut (Capsella bursa pastoris)

Kreuzblütler

Abbildung 1. Hirtentäschelkraut, Pflanze mit Stängel, Blüten und Blättern.
Abbildung 1. Hirtentäschelkraut, Pflanze mit Stängel, Blüten und Blättern.

Geschichte

Selbst Hippokrates, der berühmte griechische Arzt vor ca. 2500 Jahren, kannte schon das Hirtentäschelkraut und führte es als Arznei für die Gebärmutter auf. Auch Paracelsus kannte – 2000 Jahre später – seine blutstillende Wirkung. Matthiolus, der italienische Arzt und Botaniker, schrieb im 16. Jahrhundert: „So man das Kraut nur in der Hand halte – in der rechten oder in der linken – nachdem das Blut aus dem rechten oder linken Nasenloch fleußt – es helfe“. Und eine etwas ungewöhnliche Maßnahme: „Teschelkraut reinige und benehme die Geelsucht – so mans mit Blättern, Tescheln und Blümlein in die Schuh legt – und mit bloßen Füßen darauf gehet.“ Es könnte auch eine frühe Form der Fußreflexzonentherapie gewesen sein.

Im Mittelalter bekamen angeblich die ganz jungen Frauen das Hirtentäschelkraut verabreicht, um die Lust auf zu frühe sexuelle Erfahrungen zu dämpfen.

In der Türkei ist das Hirtentäschelkraut auch heute noch ein geschätztes Wildgemüse und wird Vogelkraut genannt. Vögel lieben den Geschmack der Samen, die auch dem Vogelfutter beigemischt werden.

Botanischer Steckbrief

Abbildung 2. Hirtentäschelkraut, Blätter
Abbildung 2. Hirtentäschelkraut, Blätter

Das Hirtentäschelkraut wächst einfach überall und stellt keine Ansprüche an den Boden, es ist ein sogenanntes „Hungergewächs“. Es scheint, als bräuchte es zum Wachsen nur Licht und Sonne. Es wächst sogar zwischen Pflastersteinen, an Wegrändern, auf Schuttplätzen und auf sonnigen Schornsteinen. Direkt auf dem Boden bildet es eine grundständige Blattrosette, deren Blätter buchtig gezähnt sind, sodass sie manchmal an Löwenzahn erinnern. Aus ihrer Mitte wächst der bis zu 40 cm hohe, kräftige Stängel, der sich manchmal verzweigt. Die Stängelblätter sind kleiner als die Grundblätter, lanzettlich und ganzrandig und umfassen mit ihrem Blattgrund den Stängel. Die weißen, kleinen Blüten stehen in lockerer Traube, sie sind 2–3 mm kurz. Die Früchte sind herzförmige Schötchen, ganz flach, 0,4–0,7 mm lang und breit, ihre Stiele stehen fast waagerecht ab. Bis zu 60.000 Samen bringt eine einzelne Pflanze hervor. Sie blüht und fruchtet das ganze Jahr über. An einer Pflanze finden sich zur gleichen Zeit Blütenknospen, geöffnete weiße Blüten und die charakteristischen Kapselfrüchte.

Arzneilich verwendet werden die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten oberirdischen Teile, bestehend aus Blättern, Blüten, Stängeln und Früchten (Bursae pastoris herba).

Abbildung 3. Hirtentäschelkraut, ganze Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.
Abbildung 3. Hirtentäschelkraut, ganze Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.

Signatur

Die herzförmigen Früchte lassen den Betrachter sofort daran denken, dass diese Pflanze das Herz stärken könnte. Erst in den letzten Jahrzehnten konnten die Naturwissenschaften eine kräftigende Wirkung auf die Blutgefäße und das Herz bestätigen.

Die vielen Samen deuten darauf hin, dass diese Pflanze die Fruchtbarkeit steigern könne. Und ihre Fähigkeit, das ganz Jahr hindurch zu blühen und zu fruchten, lässt darauf schließen, dass das Hirtentäschel gut mit seinen Kräften haushalten und ein immenses Durchhaltevermögen haben kann. Da sie überall an den Wegrändern wächst und auch gerne bis an den Gartenzaun kommt, zeigt sie an, dass sie auch bei Zivilisationskrankheiten helfen möchte.

Sowohl der deutsche als auch der botanische Name erinnern an die Form der Lederbeutel, die früher Hirten an ihren Stab gebunden und auf der Schulter getragen hatten. Capsella ist die Kapsel(frucht), bursa das Leder oder Fell und pastor der Hirte. Der Beuteldieb spricht von den Beuteln, in denen umherziehende Diebe ihre Beute versteckten.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Hirtentäschelkraut enthält folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • Flavonoide, u.a. Rutin, Luteolin, Diosmin
  • Kaffeesäurederivate (u.a. Chlorogensäure, Fumarsäure)
  • Sterole (u.a. beta-Sitosterol)
  • Glucosinolate (mit Sinapin)
  • viel Kalium, Kalzium
  • Peptid mit oxytocinähnlicher Wirkung. Oxytocin ist das „Kuschelhormon“, das Bindungshormon, ist beim Orgasmus aktiv, bei der Geburt und fördert auch die Rückbildung der Gebärmutter
  • Alkaloide (u.a. das Nortropanalkaloid Calystegine 0,015%)

 Die Komposition dieser Inhaltsstoffe hat folgende Wirkungen:

  • Wundheilung: blutstillend
  • Gefäße, Kreislauf, Herz:
    • gefäßabdichtend
    • gefäßverengend
    • blutdrucksenkend (in geringer Dosis)
    • blutdrucksteigernd (in hoher Dosis)
    • positiv inotrop und chronotrop am Herzen
  • tonisierend: steigert den Tonus und die Kontraktion am Uterus
  • diuretisch
  • antimikrobiell

Anwendungsgebiete/Indikationen

Hirtentäschelkraut hilft bei folgenden Indikationen:

  • weibliche Geschlechtsorgane:
    • zu starke, zu häufige und zu lange Menstruationsblutungen (1 Woche vorher 4-mal 1 Tasse täglich)
    • zu heftige Blutungen in den Wechseljahren
    • Endometriose als Unterstützung
    • Rückbildung der Gebärmutter nach Geburten
    • vaginale Pilzerkrankungen
  • Haut- und Wundheilung:
    • Nasenbluten zur Unterstützung (etwas Watte in einen starken Tee tauchen und in das blutende Nasenloch stopfen)
    • oberflächlich blutende Hautverletzungen (Breiumschlag oder Kompressen mit starkem Tee)

Fallbeispiel

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Die Wechseljahre sind eine Zeit der Umstellung für den Körper mit einem neuen Hormonhaushalt. Oft genug sind nicht nur die ausbleibenden und dann zu starken Menstruationsblutungen kraftraubend, sondern eine allgemeine Erschöpfung macht sich im Alltag breit. So ging es auch Charlotte B. Sie hatte das Gefühl, auch seelisch „auszubluten“. Es fiel ihr schwer, in dieser Zeit nicht nur für die anderen, sondern auch für sich selbst Zeit und Raum aufzuwenden. Mithilfe der Urtinktur lernte sie, ihre Kräfte bei sich zu halten, auch für sich einzusetzen und in ein neues Gleichgewicht zu gelangen. Auch die Blutungen sind schwächer geworden.

Merke

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Die blutstillende Wirkung wird durch Zugabe von Ackerschachtelhalm verstärkt.

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat Hirtentäschelkraut als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Es kann bei starken Menstruationsblutungen bei Frauen mit normalem Menstruationszyklus eingesetzt werden, wenn ärztlicherseits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen wurde.

Die Kommission E nennt als Indikationen innerlich die symptomatische Behandlung leichterer Menorrhagien und Metrorrhagien und äußerlich Nasenbluten sowie oberflächliche blutende Hautverletzungen.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde ist das Hirtentäschelkraut besonders bei Hebammen als erste Hilfe bei Geburtsblutungen sehr beliebt und gilt als „Blutgefäßmittel“ für Frauen. Es wird angewendet bei folgenden Beschwerden:

  • Dysmenorrhö
  • Hämorrhoiden
  • Muskelschwund (mit der Tinktur die Muskeln mehrmals täglich einreiben, zusätzlich Frauenmanteltee trinken, 4-mal 1 Tasse)
  • Blutreinigungstee, hat eine leicht harntreibende Wirkung (auch das frische Kraut als Tee)
  • Herz- und Kreislauf:
    • stärkt bei Älteren das geschwächte Herz (positiv chronotrop und dromotrop)
    • gleicht Blutdruckschwankungen aus, senkt bei niedriger Dosierung den leicht erhöhten, bei hoher Dosierung den leicht niedrigen Blutdruck aus (2 Tassen Tee pro Tag)

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Die Homöopathie verwendet Capsella bursa pastoris bei Blutungen der Gebärmutter, Schleimhautblutungen und Steinleiden.

Auch in der Spagyrik ist das Hirtentäschelkraut ein sicheres und anerkanntes Hämostyptikum und wird bei anormalen gynäkologischen Blutungen, bei Krampfadern, speziell bei Hämorrhoidalblutungen, aber auch im HNO-Bereich erfolgreich eingesetzt. In der modernen Medizin, speziell in der Kardiologie werden häufig blutgerinnungshemmende Präparate eingesetzt. Hier leistet das spagyrisch aufbereitete Hirtentäschelkraut wertvolle Dienste, wenn es spontan oder durch Unfall zu unstillbaren Blutungen kommt.

Wirkung auf die Psyche

Das Hirtentäschelkraut verhindert das „Ausbluten“, den Verlust von Lebensenergie auch auf der seelischen Ebene. Es räumt mit unklaren Gedanken auf und bringt Klarheit in den Kopf. Mit dieser Klarheit hilft das Hirtentäschel, Grenzen zu setzen und sich selbst zu behaupten. Es unterstützt das Recht auf eigene Meinung, eigene Freiräume, eigene Zeit, stabilisiert und macht selbstsicher. Es macht vor, wie man mit den eigenen Kräften haushaltet und aus dem nimmer endenden TUN zum einfachen SEIN kommt.

Dosis/Dosierung

Mittlere Tagesdosis 10–15 g.

Wichtig ist, die Pflanze möglichst frisch zu verwenden. Je frischer auch die getrocknete Pflanze bei der Verwendung ist, umso besser ist die Wirkung. Die getrocknete Droge sollte nicht länger als 3 Monate gelagert sein, weil sich dann die oxytocinhaltigen Eiweiße zersetzen und unwirksam werden.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Tee aus Hirtentäschelkraut

2 TL Hirtentäschelkraut mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und 10 Min. ziehen lassen. 3–4 Tassen täglich.

Tinktur aus Hirtentäschelkraut

100 g frisches, klein geschnittenes Hirtentäschelkraut mit 500 ml Doppelkorn ansetzen und 10 Tage bei Zimmertemperatur extrahieren. Tagesdosis 3-mal täglich 25 Tr.

Sitzbäder und Waschungen

2–3 EL fein geschnittenes Hirtentäschelkraut mit 100 ml kochendem Wasser übergießen, 15 Min. ziehen lassen, abseihen und dem Badewasser direkt zugeben oder für Waschungen verwenden. Für Umschläge 1 Kompresse mit dem Aufguss tränken, abkühlen lassen und dann auflegen.

Behandlungsempfehlung

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Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Capsella bursa pastoris Urtinktur DHU und Ceres
  • Kombinationspräparate: Styptysat plus Bürger Drg. (+ Vitamin K), Menodoron Tr. Weleda (+ Majoran, Eichenrinde, Schafgarbe, Brennnessel), Infitramex Tr. (homöopathische Mischung).

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen, Interaktionen: Es sind keine bekannt.
  • Kontraindikationen: Nicht in der Schwangerschaft anwenden