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Pflanzenheilkunde

Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Rosengewächse

Abbildung 1. Gänsefingerkraut (Pflanze mit Blüten und Blättern).
Abbildung 1. Gänsefingerkraut, Pflanze mit Blüten und Blättern).

Geschichte

In den Kräuterbüchern des Mittelalters wird über die Anwendung des Gänsefingerkrauts bei Hämorrhoiden und Diarrhöen berichtet. Es bewährte sich in Wundsalben und bei Blutfluss. „Gänserich gesotten in rotem Wein oder altem Bier reiniget und heylet die alten Schäden und zeucht alle Hitz heraus, darüber gelegt wie ein Pflaster.“

Zusätzlich zur Anwendung als Heilpflanze war das Gänsefingerkraut eine beliebte Pflanze für Magie und Pflanzenzauber, die Anwendungen haben alle mit Reinigung, Schutz und Überfluss zu tun. Es sei nützlich als „Hexenpulver", um böse Geister zu bannen. In ein ausgeblasenes Ei gefüllt, beschütze es Haus und Besitz. Es schenke seinem Träger Eloquenz und Sicherheit bei öffentlichen Reden. Wer alle sieben Tage darin badet, den bewahre es vor schlechten Einflüssen. Und wer es fertig bringt, die Wurzel am Johannistag (24.6.) vor Sonnenaufgang auszugraben und als Amulett zu tragen, dem hilft sie, die Liebe der Menschen zu gewinnen (davon berichtet auch schon Leonhard Fuchs). Will man vor Gericht seine Sache gewinnen, muss man Gänsefingerkraut in die Schuhe legen.

Botanischer Steckbrief

Gänsefingerkraut wächst gern auf (früher von Gänsefüßen, anser ist die Gans) getretenen Böden, an Wegen, Gräben und Weiden – und ist überall auf der Welt zu Hause. Es hat einen kriechenden, ausdauernden, holzigen Wurzelstock, aus dem eine Blattrosette und bis zu 80 cm lange Ausläufer wachsen, die wiederum an jedem Knoten neue Wurzeln bilden. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass an dieser Stelle ein Fingerkraut wächst, denn die 6–10 Einzelblättchen entspringen nicht einem gemeinsamen Ursprung (wie bei den anderen Fingerkräutern), sondern reihen sich entlang eines aufstrebenden Stängels paarweise auf und schließen mit einem endständigen einzelnen Blatt ab. Dazwischen wachsen kleine Zwischenblättchen, oft auf einen Zahn reduziert. Ihre Ränder sind gesägt, ihre Oberseite ist dunkelgrün und die Unterseite filzig silbrig, weswegen es auch Silberkraut heißt. Und es wird gemunkelt, dass sich die Feen liebend gern in hellen Mondnächten ihren Rücken an diesem weichen silbrigen Flaum reiben. Allein die langgestielten Blüten mit ihren fünf goldgelben Kronblättern zeigen eindeutig die Zugehörigkeit zur Familie der Rosengewächse. Die Kronblätter sind doppelt so lang wie die Kelchblätter und blühen von Mai bis September.

Als Arzneidroge kommt das Kraut zur Anwendung: Das Kraut wird während der Blüte gesammelt (Anserinae herba).

Signatur

Abbildung 2. Blatt des Gänsefingerkrautes.
Abbildung 2. Blatt des Gänsefingerkrauts.

 

Der gleichmäßige Aufbau der Blätter deutet an, dass die Pflanze Einfluss nehmen kann auf rhythmische Prozesse im Körper, wie z.B. die Menstruationsblutung. Auch die silbrige Behaarung spricht für eine sanfte Wirkung auf den empfindsamen Uterus und die Menstruation. Die gelben Blüten zeigen eine Affinität zur Leber. Und die langen Ausläufer zeigen an, dass sich auch in weiterer Ferne einen Platz sucht, auf dem sie wachsen kann. In den fünf Blütenblättern sah man in alten Zeiten die Form einer Hand, in der sich die Kraft = potentia des Menschen vereint. Daraus leitet sich der Name dieser Pflanzenfamilie Potentilla ab.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Das Gänsefingerkraut enthält folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 6–10% Gerbstoffe (Ellagtannine)
  • Triterpen Tormentosid, das die Leber schützt
  • Flavonoide (u.a. Quercitrin, Quercetin, Kämpferol)
  • Phenolcarbonsäuren (u.a. Cumarsäure, Ferulasäure)
  • Phytosterole
  • Cumarine
  • unbekannte spasmolytisch wirksame Verbindungen

 Gänsefingerkraut hat folgende Wirkungen:

  • adstringierend
  • spasmolytisch, löst besonders an Uterus und Darm Krämpfe
  • stillt Blutungen
  • hemmt Entzündungen
  • zeigt antivirale Wirkungen (bei Hepatitis B)

Anwendungsgebiete/Indikationen

Gänsefingerkraut findet Anwendung bei folgenden Beschwerden:

  • Durchfallerkrankungen mit Krämpfen
  • Entzündungen der Schleimhaut im Mund- und Rachenbereich (Gurgeln)
  • Dysmenorrhö

Fallbeispiel

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Seit einigen Monaten plagten Johanna L. Kopfschmerzen, die regelmäßig auftraten. Die Wechseljahre kündigten sich an und jedes Mal, wenn die Periode hätte kommen sollen, sind stattdessen diese krampfartigen Kopfschmerzen aufgetreten. Ihr half das blühende frische Gänsefingerkraut, das sie auch selbst in der Wiese sammelte, am besten. Im Winter half die Tinktur. Rechtzeitig bei den ersten Anzeichen eingenommen, verhinderte die Tinktur die Schmerzen.

Indikationen nach Monografien

Die Kommission E nennt die innere Anwendung bei leichten dysmenorrhoischen Beschwerden und zur Therapie leichter, unspezifischer, akuter Durchfallerkrankungen und äußerlich bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Erfahrungsheilkunde wurde Gänsefingerkraut außerdem angewendet bei folgenden Indikationen:

  • Krämpfe der glatten Muskulatur: z.B. Kopfschmerzen und Migräne, Husten und Asthma, Gallenkoliken und Blähungen, Muskel- und Wadenkrämpfen, Krämpfe von Darm, Harn- und Gallenblase
  • Lebererkrankungen (in der traditionellen Medizin Tibets und Chinas)
  • Mundfäule und wackelige Zähne sollen wieder fest werden (Gurgeln)
  • Entzündungen und Blutungen
  • schwaches Bindegewebe, z.B. Rückbildung der Gebärmutter nach der Geburt, Gebärmuttersenkung, als Sitzbad und Tee
  • rheumatische Beschwerden und Gicht

Hinweis

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Sebastian Kneipp empfahl, den Wurzelstock in heißer Milch auf zu brühen und insbesondere Frauen sollten bei den ersten Anzeichen von Krämpfen dieses Krampfkraut trinken.

Der Tee aus frischen blühenden Pflanzen ist erfahrungsgemäß am wirksamsten.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Homöopathie wird Potentilla anserina angewendet bei Krämpfen im Magen-Darm-Trakt, bei Dysmenorrhö und bei Wadenkrämpfen.

Wirkung auf die Psyche

Das Gänsefingerkraut entspannt und führt zu Gelassenheit. Es entspannt nicht nur auf der körperlichen Ebene, es löst auch seelische Verkrampfungen und hilft dabei, alte Schocks und Ängste zu überwinden. Es öffnet die inneren Ohren, damit man besser auf seine eigene innere Stimme als auf Erwartungen von außen hören kann. Und es bringt das Denken und Fühlen ins Gleichgewicht. Mit dem neuen Gleichgewicht kann die Freude an der Gestaltung des Lebens langsam wachsen und nie versagende Kräfte bringen. Vielleicht erfüllt es auch bisher unausgesprochene Wünsche.

Dosis/Dosierung

Die Tagesdosis für Erwachsene beträgt 4–6 g.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Tee aus Gänsefingerkraut

2 TL (1 TL = 0,7g) 2 g fein geschnittenes Gänsefingerkraut mit ca. 250 ml siedendem Wasser übergießen und nach 10 Min. abseihen. 2–3 Tassen täglich. Bei Regelbeschwerden sollte der Tee schon einige Tage vor Einsetzen der Menstruation getrunken werden. Bei beginnenden Schmerzen haben sich Dampfkompressen mit einem Tee von Gänsefingerkraut auf dem Unterbauch bewährt.

Auszug aus Gänsefingerkraut in Milch

1–2 EL Gänsefingerkraut und -wurzeln 10 Min. in 250 ml Milch köcheln – so empfahl es schon Sebastian Kneipp. Die Wirkung ist besser als bei einem wässrigen Auszug, weil die krampflösenden Stoffe fettlöslich sind.

Tinktur aus Gänsefingerkraut

20 g frisches, blühendes Gänsefingerkraut mit 100 ml 40%igem Alkohol übergießen, 2 Wochen stehen lassen, abfiltrieren. 2- bis 3-mal täglich 10–20 Tr.

Behandlungsempfehlung

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Bewährte Fertigarzneimittel

  • Monopräparate: Potentilla anserina Urtinktur DHU
  • Kombinationspräparate: Solidagoren Liquid (+ Goldrute, Ackerschachtelhalm), Gastritol Liquid (+ Kamille, Süßholz, Angelikawurzel, Benediktenkraut, Wermutwurzel)

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Beschwerden bei Reizmagen können verstärkt werden.
  • Interaktionen, Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.