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Pflanzenheilkunde

Echter Lein (Linum usitatissimum)

Abbildung 1. Echter Lein, Pflanze mit Blüte und zahlreichen Samenkapseln.
Abbildung 1. Echter Lein, Pflanze mit Blüte und zahlreichen Samenkapseln.

Leingewächse

Geschichte

Linum bedeutet Faser, usitatissimum das Allergebräuchlichste. Alles von dieser Pflanze wird gebraucht: die Faser, um Stoffe, Segel, Tücher, Kleider, Leinwände zu machen; der Samen, um Öl daraus zu gewinnen und Farben und Bodenbeläge (Linoleum) herzustellen. Und gleichzeitig ist sie Nahrungsmittel und Heilpflanze.

Bis vor 150 Jahren waren die großen Segel der Überseeschiffe aus Flachsfasern hergestellt. Die dicht verwebten, sturmfesten Leinwände mussten viel aushalten. Leinwand war ein begehrter Handelsartikel. In Augsburg gründeten die Fugger ihren Reichtum auf dem Leinenhandel. Leinen war der Stoff, aus dem alle Kleider gewebt wurden. Auf den Bauwerken Ägyptens aus dem 14. Jahrhundert vor Christi Geburt sind Flachsdarstellungen zu finden. Flachs wird die Bastfaser der zähen Lein-Stängel genannt. Erst viel später, im 19. Jahrhundert, verdrängte die billigere Baumwolle den Flachs aus der Bekleidungsindustrie. Noch heute dienen die Fasern zur Herstellung von chirurgischem Nahtmaterial.

Das Öl aus den Leinsamen, das Leinöl, trocknet schnell und findet deshalb noch heute verbreitete Anwendung zur Herstellung von Farben und Fußbodenbelägen, dem Linoleum. Aus starkem Leinen, in Leinöl getränkt und an der Luft gehärtet wurden in alten Zeiten sogar Gefäße, als Ersatz für Glas, hergestellt.

Den Schlesiern wurde nachgesagt, sie hätten ihre gute, abgehärtete Konstitution durch Leinsamen bekommen. Den Kindern, die nicht so recht gediehen, wurde Leinsamen mit Butter aufs Brot gegeben, damit sie zu Kräften kamen. Aus eben dieser Gegend kommt die Empfehlung, ihn auch bei Rheuma und Gicht zu verzehren.

Botanischer Steckbrief

Lein wird als Faser- und Ölpflanze kultiviert und verwildert gelegentlich. Seine Stängel sind stets einzeln, fühlen sich glatt und rundlich an, stehen aufrecht mit wechselständigen Blättern und werden 30–80 cm hoch. Die kleinen Blätter sind bis zu 4 cm lang und lineal lanzettlich. Die fünfzähligen himmelblauen Blüten blühen von Juni bis August. Sie sind unübertroffen in Farbe und Zartheit. Sie blühen jeden Morgen neu auf und wiegen sich im Wind wie die Wellen des Wassers. Die Kronblätter sind bis zu 15 mm lang, die grünen Kelchblätter lang zugespitzt, vorn fein bewimpert. 8–10 Leinsamen reifen in einer kugeligen Kapselfrucht heran.

Abbildung 2. Samen des Echten Leins.
Abbildung 2. Samen des Echten Leins.

Als Arzneidroge verwendet werden die Samen (Lini semen). Sie werden durch Dreschen geerntet und sind Kraftnahrung, Öllieferant und Gesunderhalter zugleich.

Signatur

Die blau blühenden Felder waren ein Kennzeichen der Landschaften in Schlesien und Thüringen. Um sie zu sehen, nahm man sich frei und fuhr „ins Blaue“. In dieser Pflanze sind Sanftheit und Zähigkeit gepaart und so ist es kein Wunder, dass sie mit ihrer Sanftheit (dem Schleim) harte oder verhärtete Strukturen (innerlich und äußerlich) zu erweichen vermag.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Leinsamen enthalten folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • bis zu 20% Schleimstoffe in der Samenschale
  • mehr als 40% fettes Öl mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren – davon sind bis zu 78% ungesättigte Fettsäuren, Linolensäure, Linolsäure und Ölsäure, es kommen auch Omega-3-Fettsäuren vor
  • 20% Eiweiße, die antioxidativ und entzündungshemmend wirken
  • Lignane, als pflanzliche Vorstufen von Hormonen mir östrogenartiger Wirkung (Phytoöstrogene). Ihre Stoffwechselprodukte, die im Darm gebildet werden, schützen möglicherweise vor Krebserkrankungen (Rektumkarzinom)
  • Linamarin, ein Blausäureglykosid, das für den Geschmack sorgt
  • 5% verschiedene Mineralstoffe

 Leinsamen haben folgende Wirkungen:

  • abführend durch das hohe Quellvermögen, das die Darmperistaltik anregt, den Stuhl weicher und voluminöser macht und die Darmschleimhaut mit einer Gleitschicht auskleidet
  • durchfallhemmend, indem die Schleimstoffe überschüssiges Wasser und Bakterientoxine binden und damit die Konsistenz des Stuhls steigern und die Darmpassage verlangsamen
  • ungesättigte Fettsäuren:
    • beugen Krebs vor, senken Cholesterin, hemmen die Prostaglandinsynthese und damit Entzündungen und lindern Schmerzen
    • Alpha-Linolensäure verbessert die Fließeigenschaften des Blutes und senkt das Thromboserisiko. Außerdem verbessert sie die Kalziumverwertung und dient zur Osteoporoseprophylaxe.

Anwendungsgebiete/Indikationen

Die braunen, glänzenden Leinsamen werden innerlich bei folgenden Indikationen eingesetzt:

  • chronische Obstipation
  • Diarrhö und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)
  • Gastritis, Sodbrennen (Leinsamenschleim beruhigt bei Magenschleimhautentzündungen, auch bei Sodbrennen)
  • lokale Entzündungen im Mund- und Rachenbereich

Leinsamensäckchen – erwärmt im strömenden Wasserdampf – kommen zur äußeren Anwendung bei folgenden Indikationen:

  • erweichen Verhärtungen und lösen den Schmerz
  • Drüsenschwellungen, Furunkeln oder Geschwüren
  • Krämpfe im Magen und Unterleib, Koliken
  • Zahnschmerzen
  • Gicht- oder Rheumaschmerzen - auf die betroffenen Gelenke gelegt

Behandlungsempfehlung

Kalt gepresstes Leinöl

Leinöl muss kalt und dunkel gelagert werden, da es sonst ranzig wird und an Wirkung verliert. Lieber nur kleine Fläschchen kaufen, kühl aufbewahren und schnell aufbrauchen.

  • 1 Schluck morgens auf nüchternen Magen hilft bei Hämorrhoiden und Entzündungen im Magen-Darm-Trakt
  • bei trockenen Ekzemen, Psoriasis (bei Restherden), auch bei Gürtelrose direkt auf die Haut auftragen (das machte schon Hildegard von Bingen)
  • 1:1 mit Kalkwasser (Apotheke) vermischt ist es ein schmerzlinderndes Mittel bei Verbrennungen (Linimentum calcariae)

Indikationen nach Monografien

Das HMPC hat die innere Anwendung von Leinsamen bei chronischer Verstopfung als „medizinisch anerkannt“ („well-established use“) akzeptiert. Aus Leinsamen hergestellte Schleimzubereitungen wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Leinsamenschleim für die Linderung leichter Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden sowie zur Vorbeugung gegen Darmträgheit.

Die ESCOP empfiehlt Leinsamen bei chronischer Verstopfung oder wenn eine leichte Darmentleerung mit weichem Stuhl erwünscht ist; außerdem unterstützend bei Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämie) und Bluthochdruck. Als Schleimzubereitung innerlich kurzfristig bei Gastritis (Magenschleimhautentzündung) und Enteritis (Darmentzündung) und zur Linderung der Symptome des Reizdarmsyndroms (Colon irritabile); außerdem unterstützend bei Symptomen einer Divertikulitis. Als Schleimzubereitung äußerlich unterstützend bei schmerzhaften Entzündungen der Haut.

Die Kommission E empfiehlt die Verwendung bei habitueller Obstipation, bei einem durch Abführmittelmissbrauch geschädigten Darm, außerdem bei Reizdarm (Colon irritabile) und Divertikulitis. Ferner als Schleimzubereitung bei Gastritis (Magenschleimhautentzündung) und Enteritis (Darmentzündung). Zur äußeren Anwendung als heißer Breiumschlag (Kataplasma) bei Hautentzündungen.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

  • Leinsamenschleim als reizlinderndes Hustenmittel (Paracelsus)
  • Auflagen mit Leinsamenschrot bei Blasenentzündungen, funktionellen Oberbauchbeschwerden
  • unterstützend bei Diabetes mellitus (mildert die postprandiale Hyperglykämie)
  • Lignane (Phytoöstrogene) zur Steigerung des Lebensgefühls in den Wechseljahren (2 EL pro Tag genügen)

Anwendung in anderen Therapiebereichen

Homöopathische Zubereitungen werden aus der frisch blühenden Pflanze hergestellt. Sie kommen zur Anwendung bei Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Bettnässen und chronischem Durchfall, auch bei Zungenlähmung.

Prävention

Kalt gepresstes Leinöl regelmäßig eingenommen (1 EL zum Frühstück) schützt mit seinen ungesättigten und Omega-3-Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen , indem es die Blutfettwerte, den Blutdruck und Blutzucker verbessert. Zudem schmiert es die Gelenke, regt die Verdauung an, verbessert die Leistungen des Gehirns (Sehkraft, Konzentration) und hält gesund.

Wirkung auf die Psyche

Leinsamen helfen uns, durch den Alltag zu gleiten. Sie bringen Leichtigkeit in die Ereignisse und zeigen, dass auch kleine Dinge eine große Wirkung haben können. Sie helfen, die Kraft zu entdecken, die in kleinen Veränderungen liegt und führen zu Behaglichkeit und Harmonie.

Dosis / Dosierung

Tagesdosis 2- bis 3-mal täglich 1 EL einnehmen (45 g). Auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr achten, etwa die 10-fache Menge Wasser dazu trinken.

Bei Verstopfung 2- bis 3-mal täglich 1 EL (10–15 g) unzerkleinerten oder angestoßenen Leinsamen mit reichlich Flüssigkeit (!) einnehmen.

Hinweis

Leinsamen kann auch in Wasser vorgequollen eingenommen, er kann auch über das Müsli oder auf das Butterbrot gestreut werden. Nicht mit Milch einnehmen, da er dort nicht aufquillt. Während der Therapie mit Leinsamen muss eine reichliche Flüssigkeitszufuhr (mindestens die 10-fache Menge Wasser) gewährleistet sein

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

Leinsamenschleim

  • Anwendungsgebiete: lindert die Reizung bei Schleimhautentzündungen. Für eine Kamillenrollkur mit Leinsamenschleim wird der Leinsamen mit Kamillentee statt mit Wasser angesetzt.
  • Zubereitung: 1–2 EL angestoßenen Leinsamen mit 250 ml kaltem Wasser übergießen, ½ Std. stehen lassen, danach die gelartige Flüssigkeit abgießen und trinken. Bei Obstipation den Leinsamenrückstand mit einnehmen, er quillt im Darm noch weiter. Dazu genügend trinken, mindestens die 10-fache Menge Wasser.

Leinsamensäckchen

  • Anwendungsgebiete: Für die äußere Anwendung bei Nebenhöhlenentzündungen, bei einem Furunkel, einem Karbunkel, Drüsenschwellungen. Durch ihre anhaltende Wärme lösen Leinsamen den Schleim in den Nebenhöhlen und bekämpfen die Viren und Bakterien von außen.
  • Zubereitung: 5 EL zerstoßenen Leinsamen in 2 Tassen Wasser aufkochen, ausquellen lassen und den Brei noch heiß in ein Leinensäckchen füllen. Danach so heiß wie möglich und angenehm auf Nase, Stirn und Wangen oder andere betroffene Stellen legen. Mehrmals täglich mit jeweils frischem Leinsamen wiederholen.

Basentrunk

  • Anwendungsgebiete: bei Sodbrennen (übersäuertem Magen) auch in der Schwangerschaft
  • Zubereitung: 1 EL geschroteter Leinsamen, 1 TL einer Mischung aus Fenchel, Anis, Kümmel und Koriander (leicht angemörsert), 1 kleine Kartoffel in 1 l Wasser 20 Min. leicht kochen lassen. Abseihen und über den Tag verteilt trinken.

Behandlungsempfehlung

Bewährte Fertigarzneimittel

Monopräparat: Linusit Gold

Hinweis

  Nur ungeschroteten Leinsamen kaufen, damit der Vorrat nicht ranzig wird.

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: keine bekannt
  • Interaktionen: Leinsamen soll ½–1 Std. vor oder nach der Einnahme von anderen Arzneimitteln eingenommen werden, da sich ansonsten die Aufnahme anderer Arzneimittel aus dem Magen-Darm-Trakt verzögern kann.
  • Kontraindikationen: nicht bei Darmverschluss anwenden