Hinweis
Rheumatoide Arthritis
Die rheumatoide Arthritis (RA) oder chronische Polyarthritis (cP) ist eine systemische rheumatische Erkrankung mit chronischem Verlauf. Kennzeichnend ist der entzündliche Befall mehrerer Gelenke (Polyarthritis) mit symmetrischer Verteilung. Im Spätstadium treten auch Entzündungen mit Schädigungen an inneren Organen auf.
Merke
Leitsymptome der rheumatoiden Arthritis
Krankheitsbeginn
- vorübergehende Gelenkschmerzen und -schwellungen v.a. der Fingergrundgelenke, fast immer symmetrisch
- Morgensteifigkeit der Gelenke
- allgemeines Krankheitsgefühl: Müdigkeit, Gewichtsverlust, leichtes Fieber
- Druckschmerz aller Fingergrundgelenke beim Händedruck (Begrüßungsschmerz)
- diffuse Schmerzen der Sehnenscheiden
In den folgenden Wochen/Monaten zusätzlich
- Morgensteifigkeit über 1 Stunde anhaltend
- Kraftlosigkeit der Hände
- andauernde Schmerzen und Schwellungen in den Fingergrund- und den Fingermittelgelenken
- ausgeprägter Begrüßungsschmerz
Im Spätstadium
- Handdeformitäten durch Gelenkzerstörungen
- Knoten an den Streckseiten der Gelenke (selten)
- Kurzatmigkeit durch Rippenfellentzündung und Herzbeutelentzündung
- Hautdefekte vor allem an Unterschenkeln und Fußrücken
- Augenschmerzen durch Lederhautentzündung
- Trockenheit von Mund und Augen (Sicca-Symptome)
Merke
Wann zum Arzt?
Wenn bei einem Patienten ein oder mehrere Gelenke ohne bekannte Ursache geschwollen sind, muss unverzüglich eine eitrige Arthritis ausgeschlossen werden. Unbehandelt kann diese schwere Schäden an Gelenken und Knochen verursachen und zu einer Sepsis führen
Pathophysiologie
In ¾ der Fälle erkranken Frauen, am häufigsten um das 40. Lebensjahr. Aus unbekannter Ursache kommt es zu einer Autoimmunreaktion, die zur Zerstörung der Gelenke führt.
Symptome
Besonders häufig sind Hände, Füße und Knie betroffen, gefolgt von Schulter, Ellenbogen, Halswirbelsäule und Hüfte. Typischerweise sind mehrere Gelenke befallen (Polyarthritis). In den meisten Fällen verschlechtert sich die Krankheit nur langsam.
Bei jüngeren Patienten kann die Krankheit auch akut an nur einem großen Gelenk (Monarthritis) beginnen, z. B. am Knie- oder Schultergelenk.
Zu Beginn fallen auf:
- Morgensteifigkeit: steife Gelenke mit Verbesserung der Beweglichkeit durch Gebrauch. Die Besserung tritt erst nach mehr als 60 Minuten Bewegung ein.
- symmetrische Schwellungen, vor allem der Fingergrund und Fingermittelgelenke
- rasche motorische und geistige Ermüdbarkeit
Nach Wochen bisMonaten kommt es zu:
- Ruheschmerzen, Bewegungseinschränkung, Druckempfindlichkeit (z. B. Begrüßungs-Händedruck schmerzt an den Fingergrundgelenken) und beginnender Deformierung der befallenen Gelenke
- systemischen Auswirkungen: Erschöpfung, Fieberschüben und Gewichtsverlust
Im Spätstadium finden sich:
- zerstörte Gelenke: Die Gelenke sind eingesteift und deformiert. Die Deformitäten entstehen auch durch Kontrakturen der Sehnen.
- begleitende Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) oder Schleimbeutelentzündung (Bursitis). Subkutane Rheumaknoten bilden sich in der Nähe von Gelenken (v. a. am Ellenbogen)
- Befall von inneren Organen:
- Lunge: Pneumonie, Pleuritis und Lungenfibrose
- Herz: Myokarditis, Perikarditis
- Augen: Keratokonjunktivitis, Skleritis und Uveitis
Diagnostik
Die Betroffenen schildern oft schon in der Anamnese die genannten Symptome. Die klinische Untersuchung zeigt Gelenkveränderungen, symmetrischen Gelenkbefall und Rheumaknoten in Gelenknähe. An Laborwerten werden bestimmt: Antikörper gegen zyklisches Citrullin-Peptid (CCP-Ak oder ACPA) und Rheumafaktor (RF).
Vorsicht
Der Rheumafaktor ist zum Teil erst nach 3 – 6 Monaten positiv und kommt in seltenen Fällen auch bei Gesunden vor.
Im Röntgenbild zeigt sich im Frühstadium eine gelenknahe Osteoporose, im Spätstadium Gelenkzerstörung. Bei entsprechenden Auffälligkeiten in Anamnese oder klinischer Untersuchung ist eine zusätzliche internistische und augenärztliche Untersuchung sinnvoll, um einen Befall von inneren Organen (v. a. Lunge, Herz) und Augen zu erkennen.
Schulmedizinische Therapie
Die rheumatoide Arthritis ist nicht heilbar. Ziel der Therapie ist es, die Schmerzen zu lindern und die Gelenkzerstörung aufzuhalten. Die Akuttherapie umfasst schmerz- und entzündungshemmende Medikamente (NSAR, Glukokortikoide), zusätzlich erfolgt die Langzeittherapie.
Medikamentöse Langzeittherapie
Zur Langzeittherapie nehmen die Patienten sog. Basismedikamente (Basistherapeutika oder abgekürzt DMARD für disease modifying antirheumatic drugs) ein. Hierzu zählen Gold, Sulfasalazin, Chloroquin, D-Penicillamin, Leflunomid und Methotrexat. Ihre Wirkung setzt erst nach mehreren Wochen oder sogar Monaten ein.
Zusätzlich zu den Basistherapeutika oder wenn diese nicht wirken, werden sog. Biologika gegeben. Biologika sind gentechnisch hergestellte Proteine, die auf unterschiedliche Weise die Entzündungsbotenstoffe herabsetzen. Zu den Biologika – sie können das Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis am Gelenk stoppen – werden Wirkstoffe gegen Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α-Blocker), Anakinra, Rituximab und Abatacept gezählt.
Vorsicht Start
Die Therapie muss möglichst frühzeitig begonnen werden, um Folgeschäden zu verhindern.
Vorsicht Stopp
Weitere Therapieoptionen
Begleitend ist eine konsequente Bewegungstherapie notwendig, um bestehende Einschränkungen zu verbessern oder drohende zu vermeiden. In einigen Fällen kann in der Frühphase eine Operation helfen. Dabei wird die entzündete Gelenkschleimhaut entfernt (Synovialektomie) in der Hoffnung, dass dadurch die Erkrankung gestoppt wird. Ist ein Gelenk bereits zerstört, stehen eine gelenkversteifende Operation oder eine Gelenkendoprothese zur Wahl.
Allgemeinmaßnahmen
Während eines akuten Entzündungsschubs empfinden die Patienten meist trockene Kälte als wohltuend. Zu achten ist darauf, dass die Eispackungen nie direkt auf die Haut aufgelegt werden, sondern immer ein dickes Tuch unter die Gelpacks gelegt wird, um Erfrierungen zu vermeiden. Die Anwendung sollte nicht länger als 15 – 20 Minuten dauern.
Patienten mit Sekundärarthrosen empfinden häufig Wärme als angenehmer. Hier muss die Temperatur so gewählt werden, dass keine Verbrennungen entstehen. Verschiedene Spreu- oder Kernkissen können dazu in der Mikrowelle erwärmt werden und z. B. an den Schultern aufgelegt werden.
Naturheilkundliche Therapie
Zerstörte Gelenkstrukturen können auch mit komplementärmedizinischen Maßnahmen nicht mehr geheilt werden. Allerdings beeinflussen einige naturheilkundliche Therapieverfahren die Entzündungsprozesse positiv und wirken zudem schmerzlindernd. Sie sollten nur in Kombination mit der konventionellen Therapie zur Anwendung kommen.
Akupunktur: Aus Sicht der Chinesischen Medizin handelt es sich bei der rheumatoiden Arthritis um ein Bi-Syndrom, zusätzlich sind unterliegende Syndrommuster, z.B. Fülle-Syndrome (Le-Qi-Stagnation/Le-Feuer), Leere-Syndrome (Qi- und Blut-Mangel/Ni-und Le-Yin-Mangel) Grundlage der Akupunkturbehandlung; die Akupunkturtherapie wird kombiniert mit Moxa, Nadelmoxa, Pflaumenblütenhämmerchen, Schröpfen. Bei Überwärmung und Schwellung der Gelenke kann man lokale Punkte bluten lassen.
Aromatherapie: Gelenkschmerzen werden am besten durch Wickel, heiße Rollen und warme Auflagen behandelt. Kühlende Umschläge mit antiinflammatorischen und analgetisch wirkenden Ölen sowie Ruhigstellung sind hier Mittel der Wahl.
Vertiefung
Ölmischung bei rheumatoider Arthritis
8 Tr. Eucalyptus globulus, 8 Tr. Cajeput, 6 Tr. Speiklavendel, 6 Tr. Rosmarin cineo, 2 Tr. Wintergrün, 2 Tr. Zimtrinde auf 30 ml Johanniskrautöl – mehrmals täglich auf die schmerzenden Gelenke auftragen. Wenn der Patient Kälte bevorzugt, können noch 4 Tr. Pfefferminze hinzugefügt werden.
Entspannungsverfahren: Unbestritten ist die positive Wirkung von regelmäßig ausgeübten Entspannungstechniken. Besonders bewährt haben sich Autogenes Training, Yoga oder die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Viele Betroffene berichten von einer größeren Akzeptanz und einem gelasseneren Umgang mit den Schmerzen, zudem scheinen die Übungen einen positiven Einfluss auf die Gelenkfunktion zu haben.
Enzymtherapie: Zur Eindämmung der Entzündung wird das Ananasenzym Bromelain in hoher Dosierung einzeln oder in Kombination mit anderen Enzymen (z. B. mit dem Pankreasenzym) in Tabletten- oder Pulverform eingesetzt.
Biochemie nach Dr. Schüßler: Je nach zugrunde liegender Problematik (Säureüberlastung, Arbeit in kalter Umgebung, degenerative Veränderung der Gewebe) habe sich die Einnahme der Schüßler-Salze Nr. 3 Ferrum posphoricum, Nr. 4 Kalium chloratum, Nr. 9 Natrium posphoricum sowie Nr. 10 Natrium sulfuricum einzeln, kombiniert oder als Kur bewährt.
Homöopathie: Bei der individuell abgestimmten Konstitutionstherapie kommen bevorzugt Calcium carbonicum, Cimicifuga, Lac caninum, Lachesis, Pulsatilla und Thuja eingesetzt. Homöopathika sind z. B. Acidum nitricum, China, Colchicum, Pulsatilla, Sulfur, Thuja und Viscum album.
- Calcium carbonicum: Befall der Fingergrundgelenke. Große Steifigkeit der Gelenke. Rheumatische Iridozyklitis. Folge von unterdrücktem Schnupfen (Antibiotika). Erkältungsneigung, Obstipation. Viel Schweiß am Kopf. Füße und Hände kaltschweißig. Verlangen nach Eiern und Unverdaulichem.
- Cimicifuga: Folgen von Menses, Klimax, Kälte, Entbindung. Betroffen sind v.a. Wirbelsäule und große Gelenke, Nacken, Schultern, Muskelbäuche. Gefühl von Steifheit, scharfe Stiche, ziehende Schmerzen. Beschwerden schlechter durch Kälte, Berührung.
- Lac caninum: wandernde rheumatische Beschwerden, Wechsel von einer Körperseite auf die andere. Verzweifelt, schreit nachts. Verlangen nach Salz und warmen Getränken. < Bewegung, Berührung, Hitze, abends, warmes Bett, > Kälte, kalte Anwendungen.
- Lachesis: Ins Bläuliche gehende Gelenkschwellungen, sehr berührungsempfindlich, wandernd von links nach rechts. Arthritis während oder nach Tonsillitis. Verträgt keine enge Kleidung. Sehr redselig, eifersüchtig, Verschlechterung durch Wärme, warme Anwendungen, Aufstehen vom Sitzen, morgens, geringste Berührung, Kleiderdruck.
- Lycopodium: rechtsseitige Gelenkbeschwerden, oder von rechts nach links wandernd. Sehr steife Gelenke. Befall der Fingergelenke, a. des Mittelgelenks. Schmerzen im Fersenbein. Rheumatische Beschwerden im Wechsel mit Kopfschmerzen, mit rissiger Zunge und großer Müdigkeit. Rheumatische Iridozyklitis. Verdauungsbeschwerden, v. a. Blähungen.
- Pulsatilla: wandernde, sehr wechselhafte rheumatische Beschwerden. Beginnen oft im Hüftgelenk und setzen sich nach unten fort. Gonarthritis, Schwellung eher blass. Taubheitsgefühl. Auslöser oft feuchtes oder kaltes Wetter, auch nasse Füße. Müde, aber schlaflos. Schüchterne, weinerliche Grundstimmung. Fehlender Durst. Abneigung gegen Fett.
- Thuja: Folgen von Impfung, Gonorrhö, Nässe, Kälte; Gefühl, Gelenke und Knochen seien wie aus Holz oder Glas, wie zerbrechlich.
Es können auch folgende Arzneimittel angezeigt sein: Arsenicum album, Dulcamara, Graphites, Ignatia, Kalium carbonicum, Natrium muriaticum.
Phytotherapie: Zur Anwendung kommen bevorzugt standardisierte Pflanzenextrakte aus Teufelskrallenwurzel und Weidenrinde zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Sie können auch langfristig angewendet werden, da sie selten Magen-Darm-Probleme verursachen. Entzündungshemmend wirken ebenfalls Zubereitungen aus Borretschsamen sowie Nachtkerzenöl zur Einnahme, die aufgrund ihres hohen Gehalts an Gamma-Linolensäure traditionell bei Hauterkrankungen wie z. B. Neurodermitis eingesetzt werden. Studien haben gezeigt, dass einige Patienten bei rheumatoider Arthritis bei regelmäßiger Einnahme ihren Verbrauch an nichtsteroidalen Entzündungshemmern reduzieren konnten. Von den verschiedenen standardisierten Heilpflanzenkombinationen schnitt in Vergleichsstudien eine Kombination aus Zitterpappel, Esche und Goldrute am besten ab.
In Salben- oder Pflasterform bzw. als Badezusatz stehen Präparate mit Cayennepfeffer, Beinwell oder mit verschiedenen Aromaölen zur äußerlichen Anwendung zur Verfügung.
Bei reaktiver Arthritis, die sich aufgrund verschleppter Infekte oder durch ein Herdgeschehen entwickelt, sind phytotherapeutische Zubereitungen zur Abwehrsteigerung (Tee aus Rotem Sonnenhut, Kapland-Pelargonie und Wasserdost) Zubereitungen zur Säftereinigung (Tee aus Löwenzahn, Brennnessel) zu empfehlen.