Hinweis
Rheumatologie
Die Rheumatologie als medizinisches Teilgebiet befasst sich mit der Diagnostik und Therapie von rheumatischen Erkrankungen. Die Rheumatologie ist eine Spezialisierung im Fachgebiet der Inneren Medizin.
Definition/Synonym Stopp
Merke
Leitsymptome der rheumatischen Erkrankungen
- Schmerzen zunächst bei Bewegung und bei fortgeschrittener Erkrankung auch in Ruhe, Bewegungseinschränkungen
- Deformierungen (Verformungen, Fehlstellungen) von Gelenken
- Kontrakturen (Verkürzungen
Der griech. Begriff „Rheuma“ bedeutet ziehender, reißender Schmerz. Die meisten Menschen denken bei Rheuma an eine Gelenkerkrankung älterer Menschen, das ist aber nur ein Aspekt. „Rheuma“ ist eigentlich nur ein Symptom, keine eigenständige Erkrankung. Korrekterweise muss man von rheumatischen Erkrankungen sprechen. Diese sind durch rheumatische Beschwerden charakterisiert. Es gibt über 100 verschiedene rheumatische Erkrankungen mit unterschiedlichen Ursachen, die nicht nur Gelenke, sondern auch Muskeln, Sehnen, Nerven, Gefäße und innere Organe befallen. Viele Erkrankungen können auch schon bei Kindern auftreten.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die das Bewegungssystem betreffen.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen.
hauptsächlich betroffen sind | Erkrankungen |
Gelenke |
|
Bindegewebe (Kollagenosen) |
|
Gefäße (primäre Vaskulitiden) |
|
Pathophysiologie
Allgemein
Bei rheumatischen Erkrankungen sind unterschiedliche Strukturen des Binde- und Stützgewebes erkrankt. Da nahezu überall im Körper Binde- oder Stützgewebe vorkommt, können auch fast alle Bereiche oder Organe betroffen sein.
Warum genau es zu diesen rheumatischen Entzündungen kommt, ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass die genetische Veranlagung des Patienten und Infektionen mit bestimmten Bakterien oder Viren eine Rolle spielen. Viele der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind autoimmun bedingte Erkrankungen, das heißt, das Immunsystem richtet sich ohne Grund gegen körpereigene Gewebe und greift diese an.
Bei Gelenkbeteiligung
Unbekannte Faktoren lösen eine Immunreaktion des Körpers aus. Diese führt zu einer überschießenden Entzündung der Gelenkschleimhaut (Synovialitis). Dadurch kommt es zu einer gesteigerten Bildung von Bindegewebe (Pannus). Das Bindegewebe überwuchert die Gelenkflächen und zerstört Knorpel und Knochen. Ist nur ein Gelenk entzündlich befallen, spricht man von einer Monarthritis, bei mehreren Gelenken von einer Polyarthritis.
Symptome
Die Beschwerden reichen von symptomlosen Ruhephasen bis hin zu lebensbedrohlichen Akutphasen. Meist bleibt die Erkrankung für den Rest des Lebens bestehen. Typische Symptome rheumatischer Erkrankungen sind:
- chronische Schmerzen zunächst bei Bewegung und bei fortgeschrittener Erkrankung auch in Ruhe
- Bewegungseinschränkungen, die schmerzbedingt sind oder durch Deformierungen oder Kontrakturen entstehen
- Deformierungen (Verformungen, Fehlstellungen) von Gelenken
- Kontrakturen (Verkürzungen) von Sehnen und Muskeln
Mit fortschreitender Erkrankung fallen den Patienten die alltäglichen Dinge schwerer und ihr Berufs- und Privatleben ist zunehmend eingeschränkt. Nahezu die Hälfte der „Rheumatiker“ benötigt dauerhaft Hilfe, insgesamt machen sie etwa 12 % der Pflegebedürftigen aus.
Merke
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zeigen häufig auch Symptome an den Augen (trockene Augen, rote Augen) und an der Haut (bestimmte Verfärbungen).
Diagnostik
Neben der Anamnese, der klinischen Untersuchung und den bildgebenden Verfahren werden zur Rheuma-Diagnostik auch spezielle Blutuntersuchungen eingesetzt. Da bei einigen rheumatischen Erkrankungen auch andere Organe mitbefallen sein können, sollten zusätzlich insbesondere die Augen und die Haut untersucht werden.
Blutuntersuchung
Entzündungswerte
Zusammen mit dem klinischen Bild kann man anhand der Entzündungsparameter (z. B. Blutsenkungsgeschwindigkeit [BSG], C-reaktives Protein [CRP], Leukozytenzahl) die Schwere einer entzündlichen Erkrankung einschätzen.
Autoantikörper
Viele rheumatische Erkrankungen werden autoimmun verursacht . Der Nachweis bestimmter Autoantikörper hilft bei der Differenzialdiagnostik sowie bei der Verlaufsbeobachtung.
- Rheuma-Faktor (RF): ist bei mehreren rheumatischen Erkrankungen nachweisbar, bei einigen Erkrankungen hilft die Abwesenheit des RF zur Diagnosefindung
- Antikörper gegen citrullinierte Peptide (APCA, Anti-CCP oder CCP-Ak): bei rheumatoider Arthritis
- antinukleäre Antikörper (ANA): bei allen Kollagenosen
- Doppelstrang-DNA-Antikörper und Anti-Sm-Antikörper: spezifisch für SLE
- Anti-Scl-70-Antikörper: bei Sklerodermie
Vorsicht
Nicht alle Rheumakranken, dafür aber einige gesunde Menschen haben Autoantikörper im Blut.
HLA-Antigene
HLA-Antigene (humane Leukozyten-Antigene) befinden sich auf der Oberfläche von kernhaltigen Zellen des Menschen. Sie sind an jeder Immunreaktion beteiligt. Es gibt verschiedene HLA-Antigene und nicht jeder Mensch hat die gleichen HLA-Antigene, was insbesondere bei Organtransplantationen eine Rolle spielt. Für die Rheumatologie ist vor allem das HLA-B27-Antigen interessant. Es ist nachweisbar bei
- 95 % der Patienten mit Morbus Bechterew
- 0 % der Patienten mit reaktiver Arthritis bzw. Morbus Reiter
- 30 – 70 % der Patienten mit Psoriasis-Arthritis
Allerdings kommt das HLA-B27-Antigen auch bei ca. 8 % der gesunden Bevölkerung vor.
Hautuntersuchung
Einige Erkrankungen verursachen Beschwerden im Bewegungssystem und Auffälligkeiten der Haut. Folgende Befunde können Hinweise auf rheumatische Erkrankungen geben:
- subkutane Rheumaknoten (v. a. gelenknah, z. B. am Ellenbogen) sind ein Hinweis auf eine rheumatoide Arthritis
- Die Hautkrankheit Psoriasis (Schuppenflechte) kann zu einer Psoriasis-Arthritis führen.
- Ein Schmetterlingserythem im Gesicht ist typisch für den systemischen Lupus erythematodes (SLE)
- Verhärtungen und Schrumpfung der Haut, v. a. im Gesicht und an den Händen, sind Symptome der Sklerodermie
- Rötlich lilafarbene Erytheme an Oberkörper und Oberarmen treten häufig bei Polymyositis oder Dermatomyositis auf.
Augenuntersuchung
Geben Patienten mit Beschwerden im Bewegungssystem auch Probleme mit den Augen an, sollte eine augenärztliche Untersuchung erfolgen.
- Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Skleritis (Entzündung der Lederhaut) und Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut = Uvea) können auf eine rheumatische Erkrankung hinweisen.
- Konjunktivitis zusammen mit Urethritis und Arthritis spricht für ein Reiter-Syndrom.
- Trockene Augen (Keratoconjunctivitis sicca) können Bestandteil eines Sjögren-Syndroms
- Eine Iridozyklitis (Entzündung der Iris und des Ziliarkörpers) kann in seltenen Fällen bei Morbus Bechterew vorkommen. Hier besteht die Gefahr, dass der Patient erblindet.
- Sehstörungen: Bei Patienten mit Arteriitis temporalis treten plötzlich starke Kopfschmerzen im Bereich der Schläfen, Schmerzen beim Kauen und flüchtige Sehstörungen auf. Die Patienten müssen sofort behandelt werden, sonst besteht Erblindungsgefahr!
Schulmedizinische Therapie
Rheumatische Erkrankungen sind langwierig, daher sind ausführliche Aufklärung, Beratung und Schulung wichtig, um eine gute Mitarbeit des Patienten zu erreichen. Die medikamentöse Therapie sollte so früh wie möglich beginnen, um die Chancen des Organ- und Funktionserhalts zu erhöhen. Geheilt werden können die Erkrankungen mit den Medikamenten nicht. Daher sind regelmäßige Physiotherapie und Bewegung umso wichtiger, damit die Gelenkfunktion so lange wie möglich erhalten und Bewegungseinschränkungen vermieden werden bzw. die Patienten wieder aktiv an ihrem Berufs- und Privatleben teilnehmen können. Damit können auch die jährlichen Behandlungskosten bis auf die Hälfte reduziert werden. Oft sind Selbsthilfegruppen (z.B. Deutsche Rheuma-Liga; www. rheuma-liga.de) hilfreich, hier finden Patienten und auch Angehörige Information und Unterstützung.
Behandlung von akuten Schüben
Im akuten Schub werden Medikamente zur Entzündungshemmung, v. a. nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Glukokortikoide, eingesetzt.
Dauerhafte Behandlung
Neben der Akutbehandlung müssen Rheumapatienten regelmäßig und langfristig Medikamente einnehmen, die in das Immunsystem eingreifen. Hierzu zählen z. B. die Basismedikamente bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, weitere Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Cyclophosphamid und die Biologika.
Die Medikamente können die Erkrankungen zwar nicht heilen, aber die Schäden an Gelenken und Organen verlangsamen oder sogar verhindern. Da sie das Immunsystem beeinflussen, haben sie zum Teil starke Nebenwirkungen (z. B. Erbgutschädigung, Fehlgeburten, Reaktivierung einer Tuberkulose).
Naturheilkundliche Therapie
Aromatherapie: Die wesentlichen Therapieziele sind Schmerzlinderung, Erhaltung der Mobilität und Entzündungshemmung. Neben der leitliniengerecht durchgeführten physikalischen Therapie und Verwendung von Antirheumatika (u. a. Phytotherapeutika) hat sich therapiebegleitend der schmerzlindernde und durchblutungsfördernde Einsatz ätherischer Öle als äußerst wirksam erwiesen. Massagen, Wickel und Auflagen sowie Einreibungen mit ätherischen Ölen können häufig auch die Dosis der oft nebenwirkungsreichen NSRA (nicht steroidale Antirheumatika) verringern. Wenn die Behandlung mit ätherischen Ölen erfolgreich sein soll, muss die Auswahl der Essenzen sorgfältig getroffen werden.
Vertiefung
Rezepturen
Beruhigendes Rheuma-Bad: 2 Tr. Majoran, 5 Tr. Lavendel, 2 Tr. Wacholder, 2 Tr. Sandelholz in 1 EL Salz oder Sahne geben, im Badewasser verrühren
Anregendes Teilbad: 3 Tr. Wacholder, 1 Tr. Rosmarin, 3 Tr. Cajeput in 1 EL Salz oder Sahne geben, im Waschwasser verrühren
Massageöl bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen: 8 Tr. Eucalyptus globulus, 8 Tr. Cajeput, 6 Tr. Speiklavendel, 6 Tr. Rosmarin cineol, 2 Tr. Wintergrün, 2 Tr. Zimtrinde auf 30 ml Johanniskrautöl – mehrmals täglich auf die schmerzenden Gelenke auftragen. Wenn der Patient Kälte bevorzugt, können Sie in die Mischung noch 4 Tr. Pfefferminze geben.
Biochemie nach Dr. Schüßler: Bei akuten Beschwerden können folgende biochemischen Mittel je nach Beschwerden eingesetzt werden:
- 3 Ferrum phosphoricum D 12: bei akutem Muskelrheuma alle 15 Min. vom Beginn an, v.a. wenn Schmerz durch Bewegung verschlimmert wird; zusammen mit Nr. 4 Kalium chlor. D 6, wenn sich Muskeln wie geschwollen anfühlen, ½-stündl. 1–2 Tbl.
- 1 Calcium fluoricum D 6: Schmerzen bei Beginn der Bewegung, „läuft sich ein“; bei Muskelkater mit hexenschussartigen Beschwerden und Muskelverhärtungen im stündlichen Wechsel mit Nr. 3 Ferrum phosphoricum D 6 (alles besser durch Bewegung) 6-mal tgl.; gut im Wechsel mit Nr. 11 Silicea D 12
- 5 Kalium phosphoricum D 6: bei lähmenden Schmerzen, die durch Beginn der Bewegung und v.a. bei stärkerer Anstrengung schlechter werden, bei mäßiger Bewegung dagegen besser; auch in chron. Fällen
- 8 Natrium chlor. D 6: bei Verschlimmerung durch Nässe und Kälte; gut im stündlichen Wechsel mit Nr. 10 Natrium sulfuricum D 6
- 7 Magnesium phosphoricum D 6: bei umherwandernden Schmerzen mit reißendem, schießendem Charakter, Druck und Wärme bessern, leichte Berührung verschlimmert
- 6 Kalium sulfuricum D 6: Schmerzen ab., nachts oder in geschlossenen Räumen beginnend oder sich verschlimmernd
Nach dem akuten Stadium empfiehlt sich zur Säureausleitung über mindestens 6–8 Wochen Nr. 10 Natrium sulf. D 6 (morgens 5 Tbl.), Nr. 9 Natrium phos. D 6 (mittags 5 Tbl.) und Nr. 11 Silicea D 12 (abends 5 Tbl.).
Homöopathie: Einzusetzen sind Arzneimittel, die auf die Muskulatur einwirken, z.B. Arnica, Bellis perennis, Bryonia, Rhus toxicodendron, sowie hormonell wirksame Arzneimittel (Cimi, Sep.).
- Arnica: Folgen von Verletzung, Prellung, Quetschung, Blutung, Überanstrengung, nasskaltem Wetter; symmetrisch auftretende Beschwerden; Zerschlagenheitsgefühl, große Empfindlichkeit, Unterlage scheint zu hart; die Beschwerden verschlechtern sich durch Berührung, Druck, Bewegung
- Bryonia: Folgen von Verheben, Überarbeiten, Überanstrengung, Ärger verursachte Rückenbeschwerden; kann nur flach im Bett liegen; Besserung durch Liegen auf der schmerzhaften Seite, Hitze, starker Druck; Verschlechterung durch leichtere Bewegung, Erschütterung, Kälte; jegliche Bewegung verschlechtert die Beschwerden
- Cimicifuga: Folgen von Menses, Klimax, Kälte, Entbindung, bei Wechsel zwischen körperlichen und geistigen Symptomen, Gefühl, als öffne und schließe sich das Gehirn; Wirbelsäule, große Gelenke, und Nacken sind steif und verkrampft → Kopf, Schultern, Muskelbäuche; Steifheit, scharfe Stiche, ziehend; die Beschwerden verschlechtern sich durch Menses; Klimax, Kälte, Nässe, Berührung; traurig, düster, wie in einer schwarzen Wolke
- Rhus toxicodendron: Folgen körperlicher Anstrengung oder Durchnässung; Gelenke; enorme Steifheit; Besserung durch Hitze, heißes Bad, Bewegung; Verschlechterung durch langes Sitzen, erste Bewegung, morgens, nachts, Überanstrengung; große Ruhelosigkeit, Ruhe verschlechtert, fortgesetzte Bewegung bessert alle Beschwerden
- Sepia: Kreuzschmerzen, Schwäche der Lenden; Gefühl von Abwärtsdrängen der Beckenorgane; Besserung durch Gehen; kräftige Bewegung; Verschlechterung durch Sitzen; Stase auf allen Ebenen: geistig, emotional, körperlich; will allein sein