Hinweis
Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom ist eine sehr häufig vorkommende funktionelle Störung des Dickdarms, die mit intermittierend auftretenden gastrointestinalen Beschwerden und Stuhlveränderungen einhergeht. Für die Symptome kann keine fassbare organische Ursache nachgewiesen werden.
Merke
Leitsymptome bei Reizdarmsyndrom
- diffuse Bauchschmerzen
- Druckgefühl im Unterbauch sowie im rechten oder linken Oberbauch
- Völlegefühl, rumorende Darmgeräusche und Blähbauch
- gehäufte (mehr als drei pro Tag) oder verminderte Stuhlentleerungen (weniger als drei pro Woche)
- veränderte Stuhlbeschaffenheit (vor allem harter Stuhl, kleinere harte Kotsteine, Schleimauflagerungen)
- Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
Pathophysiologie
Bei den betroffenen Patienten sind die Darmflora und die Beweglichkeit des Dickdarms gestört. Die Empfindlichkeit gegen Schmerz- und Dehnungsreize ist deutlich gesteigert.
Die genaue Ursache des Reizdarmsyndroms ist nicht bekannt. Bei ca. ¼ der Reizdarmpatienten geht den Beschwerden eine gastrointestinale Infektion voraus. Psychosozialer Stress kann die Symptome verstärken. Die Erkrankung ist sehr häufig; Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Symptome
Patienten mit Reizdarmsyndrom klagen über Bauschmerzen (häufig krampfartig, stechend), die sich typischerweise nach dem Stuhlgang bessern. Darüber hinaus bestehen Druck- und Völlegefühl im Unterbauch sowie Blähungen. Weitere Symptome sind Verstopfung und Durchfall. Die Durchfälle können schleimige Beimengungen (jedoch kein Blut) enthalten; sie treten – im Gegensatz zu vielen organischen Erkrankungen – nicht im Schlaf auf.
Viele Patienten leiden zusätzlich an depressiven Symptomen, Angstzuständen, vermehrter Müdigkeit und unspezifischen Oberbauchbeschwerden.
Diagnostik
Die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ ergibt sich aus der typischen klinischen Symptomatik. Die körperliche Untersuchung ist i. d. R. unauffällig. Bei einigen Patienten ist eine druckschmerzhafte (kontrahierte) Darmwalze im linken Unterbauch tastbar.
Merke
Bevor die Erkrankung diagnostiziert wird, müssen organische Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden!
Hierzu zählen u. a. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten – wie Laktoseintoleranz oder Zöliakie –, Divertikulose, Darminfektionen und Tumorerkrankungen; aber auch Erkrankungen anderer Organe (z. B. Milz, Pankreas).
Zu deren Ausschluss werden Laboruntersuchungen (Blutbild, Entzündungsparameter, Leberwerte, Pankreasenzyme) und eine Stuhldiagnostik (Nachweis von Blut oder pathogenen Keimen?) durchgeführt. Auch bildgebende Verfahren (Abdomensonografie, ÖGD, Koloskopie) und Dünndarm-Funktionstests sollten für die Diagnose eines Reizdarmsyndroms unauffällig sein.
Schulmedizinische Therapie
Psychotherapeutische Maßnahmen können hilfreich sein; dies umfasst das Erlernen von Entspannungsverfahren (z. B. autogenes Training) sowie Maßnahmen zum Umgang mit Stress.
Wärmeanwendungen (z. B. Wärmflasche) können beschwerdelindernd wirken. Gegen Blähungen helfen Fencheltee und bestimmte Zusätze wie Kümmel oder Anis. Die Patienten sollten stark blähende Nahrungsmittel wie Bohnen, Kohl und Zwiebeln meiden. Patienten mit Verstopfung sollten sich möglichst viel bewegen, ausreichend trinken und sich ballaststoffreich ernähren; ggf. helfen Quellmittel wie indische Flohsamenschalen.
Die Wirksamkeit krampflösender Medikamente wie Butylscopolamin (Buscopan®) ist nicht belegt; im Einzelfall können sie aber hilfreich sein. Aufgrund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen können sie jedoch nicht auf Dauer eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit, die bei vielen Betroffenen allerdings keine Wirkung zeigt, ist die Einnahme entblähender Medikamente, wie z. B. Simeticon (SAB simplex®, Lefax®). Starke Abführmittel sollten wegen der Gewöhnungsgefahr grundsätzlich nicht eingesetzt werden und stopfende Medikamente, z. B. Loperamid (Imodium®) nur für kurze Dauer. Der aktuellste Forschungsstand legt zudem nahe, dass Reizdarmpatienten von einer Behandlung mit Antihistaminika profitieren.
Merke
Umgang mit Patienten
Es ist wichtig, die Patienten darüber aufzuklären, dass ihre Beschwerden ungefährlich sind. Trotzdem sollten die geäußerten Symptome ernst genommen werden – die Erkrankung kann einen erheblichen Leidensdruck verursachen.
Naturheilkundliche Therapie
Akupunktur: Aus Sicht der TCM können dem Reizdarmsyndrom Fülle-Syndrome (Leber-Qi-Stagnation, Nässe-Schleim-Akkumulation, Kälte befällt Milz und Därme) oder Leere-Syndrome (Milz-Qi-Mangel, Milz-Yang-Mangel) zugrunde liegen. Es liegt eine Reihe von Erfahrungsberichten vor, nach denen ein Reizdarm mithilfe der Akupunktur gelindert werden konnte; erste Studien scheinen dies zu bestätigen.
Biochemie nach Schüßler. Nr. 5 Kalium phos. D 6 ist das Hauptmittel bei nervös und psychisch bedingten Beschwerden. Es kann auch als Salbe im Uhrzeigersinn auf den Bauch aufgetragen werden. Nr. 7 Magnesium phos. D 6, ist das Mittel der Wahl bei krampfartigen, wandernden Leibschmerzen, Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung.
Homöopathie: Die Homöopathie empfiehlt eine individuell abgestimmte Konstitutionstherapie. Angezeigt sind insbesondere Arsenicum album, Chamomilla, Colocynthis, Lycopodium, Magnesium carbonicum, Natrium carbonicum, Natrium sulfuricum, Nux vomica, Phosphoricum acidum, Phosphorus, Pulsatilla, Sulfur.
Phytotherapie: Zur symptomatischen Therapie sind stuhlregulierend wirksame Muzilaginosa wie Flohsamen und Leinsamen geeignet. Bei krampfartigen Schmerzen und Blähungen haben sich Kümmelöl oder Pfefferminzöl bewährt. Die Wirkung von Pfefferminzöl und indischen Flohsamen gegen diese Beschwerden ist in einer klinischen Studie belegt. Flohsamen sind leichte pflanzliche Abführmittel, die auch Schmerzen lindern. Zusätzlich können Sedativa wie Baldrian und Melisse verwendet werden sowie verdauungsfördernde Gallemittel wie Artischocke, Gelbwurz oder Erdrauch. Bei akuten Bauchschmerzen empfiehlt sich eine Heublumenauflage, das „Morphium der Naturheilkunde“.