Hinweis
Morbus Bechterew
Der Morbus Bechterew ist eine chronische, in Schüben verlaufende, entzündliche Systemerkrankung, die vorwiegend die Wirbelsäule und die Iliosakralgelenke betrifft. Eine Entzündung der Wirbelgelenke (Spondylarthritis) führt im Endstadium zu einer Versteifung der gesamten Wirbelsäule, durch die die Betroffenen zur gebeugten Körperhaltung gezwungen werden. Die gebeugte Haltung des Patienten spiegelt sich in dem Namenszusatz „ankylopoetica/ankylosans“ (lat. für „gebogen“) wider.
Merke
Leitsymptome des Morbus Bechterew
- Schmerzen beim Niesen oder Husten über dem Brustbein, Beschwerden beim Einatmen
- über Wochen zunehmende, tiefsitzende Rückenschmerzen, die in die Oberschenkel ausstrahlen, zunehmende Steifigkeit in der Lendenwirbelsäule
- Steifigkeit und Schmerzen vor allem in den frühen Morgenstunden
- Besserung bei Bewegung und Verschlimmerung bei Ruhe, sodass es den Patienten aus dem Bett treibt
- wechselnde Schmerzen und Schwellungen einzelner großer Gelenke (Knie, Hüften, Schultern, Ellbogen), an der Ferse oder an anderen Sehnenansätzen
- Augenschmerzen, erhöhte Lichtempfindlichkeit
Merke
Wann zum Arzt?
In den nächsten Tagen oder Wochen, wenn Rückenschmerzen in Ruhe auftreten und über Wochen anhalten und wenn große Gelenke schmerzhaft geschwollen sind.
Pathophysiologie
Die Erkrankung beginnt meist schon im Alter zwischen 15 und 35 Jahren. Männer sind 4-mal häufiger betroffen als Frauen. Die Erkrankung verschlechtert sich über einen langen Zeitraum. Bis das Endstadium erreicht ist, dauert es in der Regel 15 – 25 Jahre.
Aus unbekanntem Grund kommt es zu einer rheumatischen Entzündung der Wirbelgelenke, vor allem an der Lendenwirbelsäule, und auch zur Entzündung der Iliosakralgelenke (Kreuz-Darmbein-Gelenke). Seltener sind die stammnahen großen Gelenke betroffen, wie z. B. das Hüftgelenk. Die chronische Entzündung führt langsam, aber fortschreitend zu einer Verkalkung der Wirbelsäule. Die Verkalkung verläuft von unten nach oben, d. h., die Halswirbelsäule ist als Letztes betroffen. Im Endstadium der Erkrankung besteht eine knöcherne Versteifung der gesamten Wirbelsäule (sog. Bambusstabwirbelsäule).
Symptome
Die Erkrankung verläuft in Schüben, d. h., Ruhephasen wechseln sich mit Phasen der Verschlechterung ab. Frühsymptome sind tiefsitzende Rückenschmerzen und Gesäßschmerzen. Oft stehen die Patienten nachts auf und laufen umher, da Bewegung die Beschwerden lindert. ⅕ der Patienten geben auch Fersenschmerzen an. Bei etwa ⅓ der Patienten sind Hüft-, Knie- oder Schultergelenke rheumatisch entzündet, dort treten Schmerzen und Schwellung auf. Gelegentlich sind auch die Augen entzündet (Iridozyklitis).
Mit fortschreitender Erkrankung kommt es zu einem Rundrücken (Kyphose) und Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule. Im Endstadium kann die nach vorne gebeugte Wirbelsäule nicht mehr bewegt werden. In ausgeprägten Fällen ist die Halswirbelsäule so weit gebeugt, dass der Patient nur noch auf den Boden und nicht mehr geradeaus schauen kann. Sind auch die Rippengelenke betroffen, wird der Brustkorb in seiner Bewegung eingeschränkt und die Atmung behindert. In seltenen Fällen kommt es durch die chronische Entzündung zu Schäden am Auge (Iridozyklitis, Gefahr der Erblindung), an der Aorta, am Herzen und an den Nieren.
Diagnostik
Da die Symptome zu Beginn der Erkrankung eher unspezifisch sind, wird die Erkrankung oft erst nach mehreren Jahren erkannt. In der Anamnese und der klinischen Untersuchung finden sich die genannten Symptome. Das Röntgenbild zeigt bei fortgeschrittener Erkrankung die Verknöcherung der Wirbelsäule, die sog. Bambusstabwirbelsäule, sowie die Verknöcherung des Iliosakralgelenks. Eine Frühdiagnose ist mit MRT oder Szintigrafie möglich. Bei der Blutuntersuchung findet sich fast immer ein positiver HLA-B27-Wert als Ausdruck der genetischen Veranlagung. Die Entzündungszeichen können erhöht oder im Normbereich liegen. Der Rheumafaktor ist negativ.
Schulmedizinische Therapie
Die Erkrankung ist nicht heilbar. Das wichtigste sind tägliche Bewegungsübungen und physikalische Therapie (z. B. Wärme/Kälte, Ultraschall), damit Haltungsschäden verbessert oder ihr Fortschreiten verlangsamt werden.
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) lindern die Schmerzen und hemmen die Entzündung. In akuten Schüben werden Kortikosteroide ins Gelenk injiziert. Bestehen im Endstadium extreme Wirbelsäulenfehlstellungen, wird die Wirbelsäule operativ aufgerichtet (sog. Aufrichtungsosteotomie).
Allgemeinmaßnahmen
Durch den Morbus Bechterew krümmt sich die Wirbelsäule tendenziell nach vorne. Folgende Maßnahmen helfen, um langfristig eine aufrechte Haltung zu bewahren.
- Die Diagnose Morbus Bechterew bedeutet kein Sportverbot. Besonders geeignet sind Sportarten, bei denen sich die Patienten strecken müssen und keine großen Erschütterungen auftreten, aber dennoch alle Muskeln und Gelenke beansprucht werden. Empfehlenswert sind Schwimmen (um den Hals nicht zu überstrecken, Rückenschwimmen bevorzugen), Skilanglauf, Wandern (mit Teleskopstöcken) und Radfahren (mit hohem Lenker und nach vorn gekipptem, weich gefedertem Sattel) sowie Volleyball. In Selbsthilfegruppen (z. B. www.bechterew.de) können sich Patienten z. B. über spezielle Bechterew-Gymnastik-Programme informieren
- Auf einer festen Matratze schlafen, die nicht durchhängen darf. Ein kleines Kopfkissen benutzen, sodass der Kopf gerade liegt und nicht in den Nacken kippt. Schlafen in der Bauchlage ist günstig, in der Seitenlage mit gekrümmtem Rücken dagegen eher ungünstig.
- Ideal ist eine berufliche Tätigkeit, die abwechselnd Sitzen, Stehen und Gehen ermöglicht und es erlaubt, sich mittags 10–20 Minuten lang ganz flach hinzulegen, damit sich die Wirbelsäule wieder gerade richtet.
Naturheilkundliche Therapie
Morbus Bechterew gilt als Chamäleon der Orthopädie und Inneren Medizin, da die Patienten nicht selten vor der endgültigen Diagnosestellung zahlreiche Verdachtsdiagnosen, wie z.B. HWS-, LWS- bzw. Iliosakralgelenk-Beschwerden, Reizdarm-Syndrom erhalten haben und entsprechend behandelt wurden.
Chinesische Medizin: Aus Sicht der Chinesischen Medizin handelt es sich um eine Feuchte-Kälte-Krankheit. Deswegen sollten kalte und kühle Lebensmittel wie Zitrusfrüchte und Schweinefleisch gemieden und bevorzugt Nahrungsmittel mit thermisch neutralen oder warmen Eigenschaften eingesetzt werden. Auch bei der Zubereitung sollten wärmende Verfahren gewählt werden (z. B. Backofenzubereitung, in Rotwein kochen). Bei Schmerzen sind folgende Akupunkturpunkte zu nadeln: Bl 11, Bl 17, Bl 18, Bl 20, Bl 23, Du 14, GB 39. Für die Moxibustion sind die Akupunkturpunkte Du 4, Ren 4, Du 12, Du 14 geeignet.
Enzymtherapie und orthomolekulare Therapie: Pflanzliche Enzyme wie Papain, Bromelain mit Quercetin, sowie Trypsin oder Bioflavonoide erreichen ebenfalls eine deutlich entzündungshemmende Wirkung, mit einer klinisch nachgewiesenen Veränderung des Zytokinmusters. Da bei entzündlichen Prozessen auch vermehrt freie Radikale anfallen, ist die Gabe von Antioxidanzien (z.B. Vitamin C und A, Lycopin, Coenzym Q10, Selen, Curcuma, sowie Omega 3-Fettsäuren) sinnvoll.
Mikrobiologische Therapie: Bei Rheumapatienten zeigt sich häufig eine Fehlbesiedelung des Darms mit erhöhter Toxinbelastung sowie einem erhöhten Alpha-1-Antitrypsin Wert; dies spricht für ein Leaky-Gut-Syndrom mit überschießenden Reaktionen des Immunsystems. Bei einem Leaky-Gut-Syndrom sollte üblicherweise ein Nahrungsmittelunverträglichkeitstest (IgG und IgG 4) vorgenommen werden, die entsprechenden Lebensmittel sind dann für etwa 12 Monate zu meiden. Ab dem 4. Monat nach dem Meiden des jeweiligen Lebensmittels kann der Patient mit einer Symbioselenkung beginnen, um die Darmflora zu normalisieren.
Neural- und Serumtherapie: Die entzündeten Bereiche (z. B. Facettengelenke) lassen sich neural- und serumtherapeutisch mit Eigenserum des Patienten behandeln, das mithilfe einer Zentrifuge aus Eigenblut gewonnen wird. Mit dem Eigenserum werden die entzündeten Bereiche i. c. gequaddelt, z. B. Facettengelenke, Achillessehne, Iliosakralgelenke oder um die Ligamente und Kapseln. Durch dessen Wirkung auf die Interleukin-1-Rezeptorantagonisten kommt es zu einer deutlichen Reduzierung der chronischen Entzündungsreaktion.