Hinweis
Hyperurikämie und Gicht
Eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut (> 7,0 mg/dl) nennt man Hyperurikämie. Kommt es deshalb zur Ablagerung von Harnsäurekristallen im Körper und zu Beschwerden, spricht man von Gicht.
Merke
Leitsymptome bei akutem Gichtanfall
- Schwellung, Überwärmung und Rötung des Großzehengrundgelenks, seltener auch des Kniegelenks und anderer Gelenke, sowie unerträgliche Schmerzen, die bevorzugt nachts auftreten
- starke Berührungsempfindlichkeit (Bettdecke ist zu schwer)
- Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl (erhöhter Puls, Kopfschmerzen und Erbrechen)
Leitsymptome der chronischen Gicht
- ständige Gelenkschmerzen an Großzehengrund-, Mittelfuß-, Ellenbogen-, Finger- und Kniegelenken, aber auch an Schulter und Wirbelsäule
- sichtbare oder tastbare kleine Knötchen an der Haut (Gichtknoten, z. B. an der Ohrmuschel), aber auch an Sehnenansätzen, Sehnenscheiden und Schleimbeuteln
Merke
Wann zum Arzt?
Ein akuter Gichtanfall erfordert die Einnahme von Schmerzmitteln, die mitunter verschreibungspflichtig sind. Bei Verdacht auf einen akuten Gichtanfall sollte der Patient deshalb an einen Arzt überweisen werden.
Pathophysiologie
Die Harnsäurekonzentration im Blut kann aus 2 Gründen erhöht sein. Entweder wird zu viel Harnsäure produziert oder es wird zu wenig Harnsäure ausgeschieden. Ist dafür ein genetischer Defekt im Harnsäurestoffwechsel verantwortlich, spricht man von der primären Hyperurikämie; ist eine andere Grunderkrankung ursächlich, handelt es sich um eine sekundäre Hyperurikämie.
- primäre Hyperurikämie: Hier ist der Harnsäurestoffwechsel direkt gestört. Harnsäure ist ein Abbauprodukt von Purinen; je mehr Purine im Körper sind, desto mehr Harnsäure entsteht. In ca. 99 % der Fälle funktioniert die Harnsäureausscheidung über die Nieren nicht richtig. Symptome treten erst auf, wenn sich die Patienten purinreich ernähren (z. B. viel Fleisch, v. a. Innereien) und Alkohol trinken. Ganz selten liegt eine genetisch bedingte Überproduktion von Harnsäure vor, die durch ein defektes Enzym im Harnsäurestoffwechsel verursacht wird.
- sekundäre Hyperurikämie: Auch hier ist der Harnsäurespiegel im Blut erhöht, die allerdings durch eine andere Grunderkrankung verursacht wird. So fällt z.B. mehr Harnsäure im Körper an, wenn Zellen zugrunde gehen (z. B. Tumorzellen nach Bestrahlung, Chemotherapie oder Leukämie, hämolytische Anämie) oder weniger Harnsäure über die Nieren ausgeschieden wird (z. B. als Folge einer Nierenerkrankung oder Behandlung mit Diuretika).
Symptome
Anfangs ist die Erkrankung symptomlos. Die Harnsäure im Serum ist erhöht, der Betroffene hat aber keinerlei Beschwerden. Irgendwann kann es zu einem akuten Gichtanfall kommen in Form einer akuten Gelenkentzündung.
Vorsicht
Auslöser für den akuten Gichtanfall ist v. a. ein übermäßiger Genuss von Fleisch und Alkohol. Innereien gehen an die Nieren.
Typischerweise ist das Grundgelenk der Großzehe betroffen. Man spricht von Podagra. Die Haut über dem Gelenk ist geschwollen, gerötet und überwärmt. Es bestehen sehr starke Schmerzen, die das Auftreten auf dem betroffenen Fuß unmöglich machen. Seltener kann es auch zu einer Entzündung der Finger- und Handgelenke (Chiragra) kommen. Der akute Gichtanfall ist nach ca.1 Woche auch ohne Therapie beendet, wiederholt sich aber meist. Dazwischen ist der Betroffene beschwerdefrei.
Besteht die Hyperurikämie jahrelang und hat sie zu dauerhaften Gelenkveränderungen und Schmerzhaftigkeit geführt, spricht man von chronischer Gicht. Hier finden sich Harnsäureablagerungen (sog. „Gichttophi“) in den Weichteilen oder im Knochen. Die „Tophi“ bilden sich häufig an Ohrmuscheln, Händen, Füße und Ellenbogen. Auch in der Niere lagern sich Harnsäurekristalle ab. Es kann dann zur abakteriellen Nierenentzündung oder zu Nierensteinen kommen.
Diagnostik
Einen akuten Gichtanfall kann man anhand seiner Symptome diagnostizieren. Neben den typischen Symptomen ist meistens auch eine Hyperurikämie nachzuweisen.
Vorsicht
Eine nicht erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut schließt einen akuten Gichtanfall keinesfalls aus!
Schulmedizinische Therapie
Den akuten Gichtanfall behandelt man mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Colchicin kann auch helfen, sollte aufgrund seiner Nebenwirkungen aber nur vorsichtig eingesetzt werden. Eine symptomlose Hyperurikämie muss in der Regel nicht behandelt werden. Zur Dauertherapie sollte, wenn sich die Harnsäurewerte mit den diätetischen Maßnahmen nicht ≤ 9 mg/dl senken lassen, ein sog. Urikostatikum eingenommen werden. Allopurinol ist das Mittel der Wahl. Im akuten Anfall darf man Allopurinol aber nicht geben, da es den Anfall verstärken könnte! Alternativ zu Allopurinol können auch Urikosurika eingesetzt werden.
Allgemeinmaßnahmen
Auch bei der Gicht steht eine Änderung des Lebensstils im Vordergrund. Man sollte auf fleischreiche Ernährung und Alkohol verzichten. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wirken im subakuten Stadium Kälteanwendungen schmerzlindernd und entzündungshemmend, z. B. kalte Bäder, Güsse, Cold-Packs oder Eisbeutel, die in ein Leintuch gewickelt und auf die betroffene Stelle gelegt werden. Bei chronischer Gicht werden meist warme Anwendungen, warme Packungen, Sauna und Bäder als angenehm empfunden.
Naturheilkundliche Therapie
Ab- und Ausleitungsverfahren: Bei rezidivierenden Gichtanfällen können Ab- und Ausleitungsverfahren umstimmend wirken, z.B. ist eine Blutegelbehandlung sinnvoll, da der Blutegelwirkstoff Hirudin entzündungshemmend und schmerzlindernd wirkt. Die Blutegel sind auf den Schmerzbezirk bzw. in die Nähe des Gelenks zu setzen. Auch beim akuten Gichtanfall können 3–5 Egel, die um das Gelenk aufgebracht werden, Linderung bringen.
Ernährungstherapie: Die richtige Ernährung spielt bei der Behandlung der Gicht eine große Rolle. Um weitere Gichtanfälle zu verhindern, sollte auf purinarme Nahrungsmittel (s.u.) zurückgegriffen werden. Stark fruktosehaltige Nahrungsmittel, wie Obst- und Fruchtsäfte sowie industriell gefertigte Nahrungsmittel (u.a. Limonade), sowie stark fruktosehaltige Früchte wie Apfel, Kirsche, Traube, Mango, Melone Papaya, Birne, Dattel, Blaubeeren und Himbeeren, sollten nur in Maßen zugeführt werden. Gewichtsreduktion und eine strikte Einschränkung des Alkoholkonsums können die Harnsäurekonzentration im Blut normalisieren und erneuten Anfällen vorbeugen.
Vertiefung
Purinreiche und purinarme Nahrungsmittel
Folgende purinreiche Nahrungsmittel sind auf jeden Fall zu meiden:
- Pilze (ca. 800 mg Harnsäure/100 g)
- Innereien (400–500 mg/100 g)
- Hülsenfrüchte (400–600 mg/100 g)
- Fisch (300–500 mg/100 g)
- Schweinefleisch (300–600 mg/100 g)
Purinarme Lebensmittel sind: Milch, Eier, Fenchel, Möhren, Paprika, Rote Bete, Zucchini, Tomaten, Salate, Kartoffeln, Teigwaren, Mehl und Brot sowie Magermilchprodukte.
Homöopathie: Bei manchen Gichtpatienten hat sich die Einnahme von homöopathischen Arzneimitteln bewährt, z. B.:
- Bryonia: bei heißen, geschwollenen Gelenken und ärgerlich-reizbarer Stimmung
- Belladonna: bei akuter, starker Entzündung mit klopfenden Schmerzen
- Apis mellifica: bei ödematöser Gelenkentzündung und große Berührungsempfindlichkeit
Eine konstitutionelle Behandlung mit Einzelmitteln ist aufgrund der chronischen Stoffwechselstörung besonders zu empfehlen. Es können zusätzlich folgende Arzneimittel angezeigt sein: Calcium carbonicum, Causticum, Hepar sulfuris, Ledum, Lycopodium, Pulsatilla, Silicea, Sulfur, Staphisagria, Thuja.
Neuraltherapie: Die Neuraltherapie kann im akuten Anfall Schmerzen und Entzündungen lindern. Verabfolgt werden können in die Nähe des entzündeten Gelenks i.c.-Quaddeln mit 1-prozentigem Procain. Es können auch andere Injektionspräparate als i.c.-, s.c.- oder i.m-Injektion verabreicht werden. Besonders gut hat sich die Kombination mit etwas Eigenblut bewährt. Als Mischinjektion wird 0,5 ml venöses Blut mit einem der naturheilkundlichen Präparate gemischt und 1-mal wöchentlich i.m. injiziert.
Biochemie nach Dr. Schüßler: Die Schüßler-Salze Nr. 2 Calcium phosphoricum, Nr. 9 Natrium phosphoricum, Nr. 11 Silicea sowie Nr. 12 Calcium sulfuricum haben sich bei Gicht bewährt. Im akuten Gichtanfall kann die Nr. 9 als "Heiße" 9 stündlich (maximal 5-mal) angewandt werden. Sind die Schmerzen stark hat sich die "Heiße 9" im Wechsel mit dem Schüßler-Salz Nr. 7 Magnesium posphoricum als "Heiße 7" bewährt.
Phytotherapie: Zu empfehlen sind zudem phytotherapeutische Zubereitungen, welche die Harnsäure ausleiten und die Entzündung lindern, wie z.B. Brennnesselkraut und -blätter, Petersilienkraut, Tormentillwurzelstock, Stiefmütterchenkraut. Da die Nieren die Hauptrolle bei der Ausscheidung der Harnsäure spielen, sind zudem alle Nierenpflanzen zu berücksichtigen. Infrage kommen die klassischen Aquaretika, wie z.B. Birkenblätter und Goldrutenkraut, die durch ihren Gehalt an Flavonoiden die glomeruläre Filtrationsrate erhöhen und die Natrium-Rückresorption verringern. Goldrute enthält zusätzlich Saponine, welche die Nierendurchblutung und damit die Aquarese fördern. Bei Brennnessel und Löwenzahn sorgt der Kaliumgehalt für eine erhöhte osmotische Wasserausscheidung, auch Hauhechel und Ackerschachtelhalm eignen sich sehr gut für eine Durchspülungstherapie. Durch die Verabreichung der Teemischung wird zugleich die Trinkmenge erhöht (s. Rezept). Zudem soll die Leber in ihrer Entgiftungsfunktion unterstützt werden, z.B. mit Löwenzahnwurzel mit -kraut, das z.B. auch als Frischpflanzensaft-Kur über 3 Wochen eingenommen werden kann, um die Wirkung zu intensivieren.
Vertiefung
Tee zur Durchspülungstherapie
- Birkenblätter 20,0
- Goldrutenkraut 20,0
- Hauhechelwurzel 20,0
- Orthosiphonblätter 20,0
- Queckenwurzel 20,0
2 TL auf eine große Tasse kochendes Wasser, 10 min ziehen lassen, 3–4 Tassen tgl.
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