Hinweis
Atopisches Ekzem
Unter Atopie versteht man die Neigung, an einer Erkrankung des sog. atopischen Formenkreises zu erkranken. Dieser umfasst die allergische Rhinitis (Heuschnupfen), das allergische Asthma bronchiale und das atopische Ekzem (Neurodermitis).
Das atopische Ekzem ist eine schubweise verlaufende chronische Hauterkrankung mit stark juckenden Ekzemen. Sie betrifft etwa 10 % der Kinder und 3 % der Erwachsenen.
Merke
Leitsymptome der Neurodermitis
- starker Juckreiz
- bei Säuglingen und Kleinkindern: unscharf begrenzte, gerötete und nässende Stellen mit Bläschen, überwiegend im Bereich von Gesicht und behaartem Kopf (Milchschorf) sowie an den Streckseiten von Armen und Beinen
- bei älteren Kindern und Erwachsenen: unscharf begrenzte, bräunlich-rote Herde mit Knötchen und Schuppen, bevorzugt an den Gelenkbeugen sowie an Gesicht und Hals, symmetrisch auftretend
Pathophysiologie
Der genaue Pathomechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird von einer genetischen Veranlagung ausgegangen. Darüber hinaus scheinen Veränderungen des Immunsystems eine Rolle zu spielen.
Die Barrierefunktion der Haut ist gestört; sie reagiert sehr empfindlich auf bestimmte Provokationsfaktoren (Trigger). Hierzu zählen Hautreizungen (z. B. häufiges Waschen, starkes Schwitzen), Allergene (z. B. Pollen, Zusatzstoffe in der Nahrung, Tierhaare), Infektionen, Stress und hormonelle Faktoren.
Symptome
Die Ekzeme treten altersabhängig an unterschiedlichen Prädilektionsstellen, d. h. an anderen bevorzugten Körperstellen, auf.
- Neurodermitis beim Säugling: Tritt meist um den Lebensmonat auf. Dabei bilden sich auf den Wangen und der Stirn stark juckende Rötungen mit Bläschen und Knötchen (= vesikulopapulös). Da sich die Kinder kratzen, entstehen Krusten (sog. Milchschorf). Diese Veränderungen können auf den Rumpf und die Streckseiten der Extremitäten übergehen. Der starke Juckreiz kann die Kinder massiv beeinträchtigen.
- Neurodermitis beim Kind und Jugendlichen: Die stark juckenden und nässenden Ekzeme. befinden sich v. a. an den Beugeseiten von Gelenken (Handgelenke, Ellenbeugen, Kniekehlen) sowie am Hals und an den Augenlidern. Die Haut ist gerötet und durch häufiges Kratzen verletzt. Der starke Juckreiz besteht insbesondere nachts und wird von vielen Patienten als quälend empfunden.
Im chronischen Stadium vergröbern und vertiefen sich die Hautfalten. Die Haut ist insgesamt trocken, die Haare oft glanzlos (Sebostase = verminderte Talgproduktion). Bei vielen Patienten kommt es im Frühjahr und Sommer zu einer Besserung der Erkrankung.
Komplikationen
Gefürchtet sind beim atopischen Ekzem v. a. Superinfektionen mit Bakterien oder Viren. Besonders gefährlich ist eine großflächige Hautinfektion mit Herpessimplex-Viren (sog. Ekzema herpeticatum), die zu einem lebensbedrohlichen Notfall werden kann.
Unter einer Erythrodermie versteht man den Befall und die Rötung der gesamten Haut.
Diagnostik
Die Diagnose eines atopischen Ekzems stützt sich hauptsächlich auf die typischen Symptome und die häufig positive Familienanamnese. Mithilfe eines Scoring-Systems, welches verschiedene Haupt- und Nebenkriterien beinhaltet, kann man den Schweregrad eines atopischen Ekzems bestimmen und daraus die Therapie ableiten. Allergietests können mögliche Provokationsfaktoren identifizieren. Mit Hilfe verschiedener Verfahren aus der Naturheilkunde wie der Bioresonanztherapie, der EAV oder kinesiologischen Tests lassen sich ebenfalls Auslöser identifizieren.
Schulmedizinische Therapie
Basistherapie
Die Provokationsfaktoren sollten möglichst gemieden werden. Rückfettende Substanzen (ggf. mit harnstoffhaltigen Zusätzen) reduzieren die Hauttrockenheit und stärken somit die Hautbarriere. Auch rückfettende Ölbäder können helfen.
Akuttherapie
Im akuten Schub können lokale Kortisonpräparate die Entzündungsaktivität unterdrücken. Auch Calcineurininhibitoren (z. B. Tacrolimus, Pimecrolimus) wirken immunsuppressiv (d. h., sie unterdrücken das Immunsystem). Lokal angewendet helfen sie die Kortisonpräparate zu reduzieren. In schweren Fällen kann eine systemische Behandlung mit Glukokortikoiden oder Immunsuppressiva (z. B. Ciclosporin A oder Methotrexat) erforderlich sein.
Eine Lichttherapie (Bestrahlung mit UV-Licht) hat ebenfalls eine entzündungshemmende Wirkung. Oral eingenommene Antihistaminika, z. B. Cetirizin (Zyrtec), können den Juckreiz lindern.
Lokale Antiseptika (z. B. Triclosan) werden bei bakteriellen Superinfektionen angewendet; in schweren Fällen müssen Antibiotika systemisch eingesetzt werden.
Der monoklonale Antikörper Dupilumab ist eine relativ neue Therapieoption. Er blockiert die Interleukine 4 und 13, die entscheidend sind für die Krankheitsaktivität.
Prognose
Das atopische Ekzem ist nicht heilbar und verläuft chronisch. Allerdings werden die Schübe mit steigendem Lebensalter i. d. R. milder und viele Kinder verlieren die Erkrankung nach der Pubertät.
Vertiefung
Patiententipps zur Hautpflege
- Hautaustrocknende Externa vermeiden (alkoholische Lösungen, Gele).
- Nach dem (meist therapeutischen) Bad die noch feuchte Haut mit fetthaltigen Salben nachfetten, ebenso nach dem tgl. Waschen. Häufiges Baden und Duschen unter Verwendung alkalischer Seifen vermeiden. Keine Schaumbäder anwenden!
- Nicht in chlorhaltigem Wasser schwimmen.
- Fingernägel möglichst kurzhalten, um beim Kratzen eine Hautverletzung zu vermeiden und das Risiko einer Superinfektion zu minimieren.
- Um nächtliches Kratzen zu vermeiden, können insbesondere Kinder nachts einen Overall mit integrierten Fäustlingen tragen.
- Da Wärme den Juckreiz verschlimmert, sollte bevorzugt im ungeheizten Zimmer unter einer dünnen Bettdecke geschlafen werden.
- Die Kleidung sollte aus Naturfasern oder atmungsaktiven Geweben bestehen, um einen Hitze- und Feuchtigkeitsstau auf der Haut zu vermeiden. Sie sollte nicht zu eng sitzen und nicht scheuern, um mechanische Reizung zu vermeiden.
Naturheilkundliche Therapie
Eigenbluttherapie: Sie wirkt als unspezifische Reiztherapie und veranlasst den Körper, die Immunabwehr zu aktivieren und Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Geeignet ist sowohl die Verabreichung von nicht aufbereitetem Eigenblut, das nach einem bestimmten Schema aufsteigend dosiert wird, als auch die Gabe von Eigenblut, das mit einem Ozon-Sauerstoffgemisch aufbereitet wurde.
Homöopathie: Im Vordergrund steht ein komplexes Behandlungskonzept, das die Konstitution des Patienten unterstützt und positiv auf das Immunsystem einwirkt. Hierzu eignet sich die konstitutionelle Homöopathie mit Verschreibung von Einzelmitteln nach ausführlicher Anamnese und Repertorisation. Häufig angezeigt sind z.B. Calcium carbonicum, Silicea, Natrium muriaticum, Sepia. Charakteristische Allgemein- und Gemütssymptome können auch auf andere homöopathische Arzneimittel verweisen. Bei der Auswahl homöopathischer Komplexmittel sind iridologische Befunde zu berücksichtigen, um die spezifische Konstitution (z.B. lymphatisch, hämatogen, dyskratisch) und die jeweilige Diathese positiv zu beeinflussen.
Biochemie nach Dr. Schüßler: Das Schüßler-Salz Nr. 2 Calcium phosphoricum is als Zellbaustoff an der Bildung der äußeren Haut beteiligt und daher bei allen Hautreizungen angezeigt. Besteht starker Juckreiz, schafft die Nr. 7 Magnesium phosphoricum als "Heiße 7" Linderung. Ist die Schutzbarriere Haut nicht mehr voll funktionsfähig, kann die Nr. 3 Ferrum phosphoricum helfen, diese wieder aufzubauen und dadurch die Symptome mildern. Sie ist bei akuten Entzündungsphasen als "Heiße3" anzuwenden. Nr. 11 Silicea bring Feuchtigkeit in die Haut zurück, bei Neurodermitis empfiehlt sich eine langfristige Anwendung über mindestens 6-12 Monate.
Mikrobiologische Therapie: Die mikrobiologische Therapie eignet sich bei entsprechendem Stuhlbefund für Patienten, bei denen, wie es oft der Fall ist, eine Darmmykose, meist verursacht durch Candida albicans vorliegt. Es kann auch ein Defizit an im Darm vorkommenden Bakterien n (z.B. Laktobazillen, Bifidusbakterien, physiologischen E. coli und Enterococcus faecalis) oder eine Überwucherung mit E. Coli oder Clostridien bestehen. Bei einer Darmmykose wird in der Regel vor der Gabe eines Probiotikums mit ausgesuchten Milchsäurebakterienstämmen ein Antimykotikum verabreicht, bei Patienten ohne Darmmykose ein mikrobiologisches Präparat verordnet.
Phytotherapie: Phytotherapeutische Anwendungen können zur äußeren Lokalbehandlung eingesetzt werden. Geeignet sind insbesondere Zubereitungen aus gerbstoffhaltige Arzneidrogen, wie z.B. Bittersüßstängel, Walnussblätter sowie Johanniskraut. Sie bilden eine schützende Membran und wirken entzündungshemmend sowie juckreizlindernd. Zur inneren Anwendung werden zusätzlich stoffwechselanregende Arzneidrogen eingesetzt, wie z.B. Löwenzahnwurzel und -kraut.
Nicht nur zur Hautpflege, sondern auch zur Therapie, eigen sich in Salben eingerührte ätherische Öle. Koriander-, Lavendel- oder Rosengeranienöl wirken antibakteriell und wundheilend, Karottensamen und Sandelholz haben juckreizlindernde Eigenschaften. Als Basis für eine Salbe sind linolsäurehaltige Pflanzenöle zu bevorzugen, z.B. Sheabutter, da sie tief in die Haut eindringen und zudem die Zellteilungsrate steigern.
Vertiefung
Juckreizlindernde Rezeptur
30 g Sheabutter, 20 ml Johanniskrautöl, 5 Tr. Sanddornfruchtfleischöl; ätherische Öle: 5 Tr. Koriander, 8 Tr. Sandelholz sowie 5 Tr. Lavendel fein. Die Sheabutter in einem Schraubglas im Wasserbad schmelzen und die Öle hinzugeben. Verschließen und kräftig schütteln. Nach dem Abkühlen die Salbe bei Bedarf auf betroffene Hautstellen auftragen.
Physikalische Therapie: Der Aufenthalt an Orten mit allergenarmem Reizklima, z. B. auf den Nordsee-Inseln, in höheren Berglagen oder am Toten Meer, hat erwiesenermaßen eine positive Wirkung. Die Frühjahrs- und Herbstmonate sind dafür besonders geeignet. Im Rahmen der Hydrotherapie können zur Entzündungshemmung Umschläge mit kaltem abgekochtem Wasser, die alle 5 Minuten erneuert werden, aufgebracht werden. Auch Umschläge mit Kamillen- oder Malventee sowie Quarkwickel (solange die Haut nicht offen und blutig ist) zur Kühlung und Rückfettung der Haut haben sich bewährt. Lauwarme Bäder, z. B. mit Zusätzen von Milch (außer bei Milchallergie!) und 1 EL Olivenöl, abgekochter Eichenrinde, Kamillentee oder Weizenkleie sind bei akuten Neurodermitisschüben empfehlenswert. Chronische Ekzeme reagieren dagegen besser auf Ölbäder; sie wirken am besten, wenn das Öl erst nach 5 Minuten Badezeit dem Wasser zugesetzt wird. Die Badedauer sollte 5–10 Minuten nicht übersteigen. Nach dem Bad empfiehlt sich eine einstündige Bettruhe, anschließend wird die Haut mit klarem Wasser abgeduscht und eingecremt.