Hinweis
Arterielle Hypotonie
Von einer Hypotonie spricht man bei einem systolischen Blutdruck < 100 mmHg.
Merke
Leitsymptome der arteriellen Hypotonie
- Schlappheit, Müdigkeit
- eingeschränkte Leistungsfähigkeit, morgens lange „keine Energie“
- kalte Hände und Füße
Pathophysiologie
Bei der Hypotonie ist – ähnlich wie bei der Hypertonie – häufig keine konkrete Ursache feststellbar (sog. primäre oder essenzielle Hypotonie). Betroffen sind v. a. junge, schlanke Frauen; es gibt eine familiäre Häufung.
Wenn sich ein Auslöser für die zu niedrigen Blutdruckwerte ausmachen lässt, spricht man von einer sekundären Hypotonie. Beispiele sind:
- Medikamente: z. B. Psychopharmaka, Überdosierung von Bluthochdruckmitteln
- Störungen des Hormonhaushalts: z. B. Unterfunktion von Schilddrüse oder Nebennierenrinde, Blutzuckerentgleisung
- Herzerkrankungen: z. B. Aortenstenose, Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen
- Hypovolämie (Flüssigkeitsmangel): z. B. durch Blutverlust oder Exsikkose
- Immobilisation, lange Bettlägerigkeit, sehr langes Stehen
- psychische Auslöser (wie Stress oder Angst)
Eine Sonderform bildet die orthostatische Hypotonie – auch orthostatische Dysregulation (Fehlregulation) genannt: Der Körper passt hierbei den Kreislauf nicht an eine abrupte Lageveränderung (z. B. vom Liegen in den Stand) an. Schwerkraftbedingt versackt beim Aufstehen ein Teil des Blutes in den Beinvenen. Dem dadurch entstehenden Blutdruckabfall wirkt der Körper normalerweise durch Engstellung der Venen und Steigerung der Pumpleistung des Herzens (v. a. Herzfrequenz ↑) entgegen. Wenn diese Reaktion nicht zum Erfolg führt, kommt es zu einer Minderversorgung des Gehirns mit Schwindel und Sehstörungen.
Vorsicht
Bei einigen Patienten führt die Minderdurchblutung des Gehirns zu einer plötzlichen, kurz anhaltenden Bewusstlosigkeit (Synkope), ggf. mit Sturz.
Synkopen können auch durch Störungen anderer Organsysteme verursacht werden.
Symptome
Im Gegensatz zum Bluthochdruck bemerken Patienten Phasen mit zu niedrigem Blutdruck meist sehr schnell: Sie fühlen sich müde, wenig leistungsfähig, klagen über kalte Hände und Füße und haben oftmals Kopfschmerzen.
Hinweise auf eine zunehmende Mangeldurchblutung des Gehirns sind Schwindel, Kaltschweißigkeit, Pfeifen in den Ohren und Sehstörungen (den Patienten wird „schwarz vor Augen“). Es kann zur Synkope mit Sturz kommen.
Bei länger anhaltend zu niedrigem Blutdruck kann es zu Schlafstörungen und Depression kommen.
Diagnostik
Im Akutfall müssen die Vitalparameter kontrolliert werden. Bei länger anhaltenden bzw. wiederkehrenden Beschwerden werden ein Schellong-Test sowie eine 24-h-Langzeit-Blutdruckmessung, beim Auftreten von Synkopen auch ein Kipptischtest empfohlen.
Die möglichen Auslöser einer sekundären Hypotonie (z. B. Hormonstörungen oder Herzerkrankungen) müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Schulmedizinische Therapie
Bei einer akuten Hypotonie ohne Kollaps sollte sich der Patient hinlegen. Es hilft meist, die Beine hochzulagern und den Patienten zu beruhigen. Bei ausreichender Bewusstseinsklarheit sollte dem Patienten ein Glas Wasser angeboten werden. Häufig bessert sich hierdurch die Symptomatik rasch. Die Vitalparameter müssen engmaschig kontrolliert werden. Gegebenenfalls kann eine kurzfristige O2-Gabe unterstützend wirken.
Bei anhaltenden Beschwerden können Allgemeinmaßnahmen helfen, z. B. ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Salz (Einschränkungen z. B. bei Herzinsuffizienz beachten!), regelmäßige Mahlzeiten sowie Training des Kreislaufs durch Sport und Kneipp-Kuren (Wechselduschen). Die Patienten sollten nach längerem Sitzen oder Liegen langsam aufstehen und ggf. durch aktivierende Übungen bereits vorher ihren Kreislauf etwas „in Schwung bringen“. Einigen Patienten hilft das Tragen von Kompressionsstrümpfen.
Lassen sich auslösende Grunderkrankungen finden, müssen diese entsprechend behandelt werden (z. B. Umstellung einer laufenden Medikation, Therapie von hormonellen Störungen).
Reichen diese Maßnahmen nicht aus, können darüber hinaus sog. Sympathomimetika verschrieben werden: Diese Medikamente (z. B. Ephedrin) aktivieren den Sympathikus, wodurch die Herzkraft gesteigert und die Gefäße enggestellt werden.
Merke
Bei Kindern kann das Phänomen der orthostatischen Hypotonie gehäuft in Wachstumsphasen auftreten und ist meist als harmlos einzustufen. Es reicht häufig aus, die Beine kurz hochzulagern.
Naturheilkundliche Therapie
Die Hypotonie spricht auf naturheilkundliche und konstitutionelle Therapieverfahren gut an. Das vorrangige Behandlungsziel liegt in einer generellen Tonisierung des Organismus. Sind bei dem Patienten jedoch schon Ohnmachtsanfälle aufgetreten, oder leidet er unter massivem Schwindel oder anderen bedrohlichen Symptomen, müssen die Ursachen abgeklärt werden.
Ab- und Ausleitungsverfahren: Eine allgemein anregende Wirkung wird erzielt durch trockenes Schröpfen oder baunscheidtieren des gesamten Rückens vom Nacken bis zum Kreuzbein. Auch eine Schröpfkopfmassage über den ganzen Rücken wirkt tonisierend, stärkt das Vegetativum und verbessert insgesamt die Regulationsfähigkeit des Körpers.
Akupunktur: Es sind verschiedene Tonisierungspunkte bekannt, z. B. des Blasen-, Herz-Kreislauf- oder Lungenmeridians, deren gezielte Nadelung in manchen Fällen den niedrigen Blutdruck reguliert. Aus Sicht der chinesischen Medizin kann einer Hypotonie auch ein angeborener Nieren-Qi-Mangel zugrunde liegen, der entsprechend behandelt werden sollte.
Aromatherapie: Eine (begleitende) Hypotoniebehandlung mit Aromaölen wirkt kreislaufstärkend, tonisierend und durchwärmend. Eine Wirkung auf Herz und Kreislauf haben Eukalyptus (Eukalyptus globulus, kreislaufstärkend), Kampfer (Cinnamomum camphora, herz- und kreislaufstärkend), Ysop (Hyssopus officinalis, herzstärkend). Tonisierend wirken Basilikum (Ocimum basilikum), Salbei (Salvia officinalis), Thymian (Thymus vulgaris). Tonisierend und durchwärmend wirken Ingwer (Zingiber officinale), Schwarzer Pfeffer (Piper nigrum), Rosmarin (Rosmarinus officinalis, auch zentral regulierend), Zimt (Cinnamomum ceylanicum).
Biochemie nach Dr. Schüßler: Bei hypotoner Regulationsstörung ist das Schüßler Salz Nr. 3 Ferrum phosphoricum das angezeigte Mittel, das tonisierend auf das Vasomotoren-System wirkt. Bei ausgeprägter Schwäche und schneller Erschöpfbarkeit kann es mit dem Schüßler-Salz Nr. 5 Kalium phosphoricum kombiniert werden.
Homöopathie: Konstitutionelle Mittel mit Bezug zur Hypotonie sind u. a.: Calcium carbonicum, Gelsemium, Kalium carbonicum, Lachesis, Sepia, Veratrum album. Da charakteristische Allgemein- und Gemütssymptome die Auswahl bestimmen, können auch andere Mittel angezeigt sein.
Physikalische Therapie: Zur Anregung der Vasokonstriktion sollten die Patienten konsequentes Gefäßtraining durch Wechselduschen, kalte Armbäder oder Bürstenmassagen durchführen. Für ein kaltes Armbad – es wird auch als die „Tasse Kaffee der Naturheilkunde“ bezeichnet –das Waschbecken mit kaltem Wasser (ca. 12–18 °C) füllen, die Arme für ca. 10–30 Sek. eintauchen, anschließend nicht abtrocknen.
Phytotherapie: Als kreislaufanregende Heilpflanzen gelten Ginsengwurzel, Kampfer, Weißdorn und Rosmarin. Besonders empfehlenswert sind Kombinationspräparate, bei gelegentlichen Beschwerden können auch Vollbäder mit Badezusätzen sinnvoll sein. Traditionell werden bei Hypotonie auch tonisierende Bitterstoffdrogen, wie z. B. Wermutkraut zur Behandlung der vorliegenden Schwäche eingesetzt.